Die Schwierigkeiten des Reiterverbandes mit Sanktionen

Stand: 05.12.2018, 15:20 Uhr

Wegen sexuellen Missbrauchs wird ein Reitlehrer zu mehr als vier Jahren verurteilt. Er bekommt nach einem Jahr Freigang, kann das Gefängnis tagsüber unter Auflagen verlassen. In dieser Zeit nimmt er sogar wieder an Turnieren teil. Die Lizenz hat ihm der Verband gegeben, obwohl er die Hintergründe kennt. Ein Beispiel, wie schwer sich der nationale Reitsport-Verband FN mit sportrechtlichen Sanktionen tut.

Von Andrea Schültke

Die Taten liegen vier Jahre zurück. Das Gericht stellte fest: Der Reitlehrer ist schuldig. Schwerer sexueller Missbrauch seiner Reitschülerin. Sie ist zu jenem Zeitpunkt erst 13 Jahre alt. Es kam zum Geschlechtsverkehr zwischen dem Mädchen und dem mehr als 30 Jahre älteren Mann in der Sattelkammer, im Auto, im Waschraum.

Turnierstart aus der Haft heraus

Im Mai 2017 verurteilte ein norddeutsches Landgericht den Reitlehrer wegen der Vorfälle zu einer Haftstrafe von vier Jahren und drei Monaten - ein akzeptables Strafmaß für die Familie des Mädchens. "Im Grunde genommen eine Genugtuung, dass der Weg, den wir gegangen sind, nicht umsonst war", sagte die Mutter des Mädchens nach dem Urteil zu Sport inside.

In diesem Sommer dann der Schock für die Familie des Opfers: der verurteilte Reitlehrer bekommt Freigang, kann nach einem Jahr Haft das Gefängnis tagsüber unter Auflagen verlassen und startet bei Turnieren, wie Ergebnislisten bestätigen. Für die Mutter eine "himmelschreiende Ungerechtigkeit". Es könne nicht richtig sein, dass ihre Tochter bei Turnieren jetzt Gefahr laufe, diesem Menschen wieder zu begegnen. "Das kann auch der Dachverband, die FN, nicht als richtig empfinden", sagt sie.

Reiterverband unter Druck

Erst vor drei Monaten stand der Dachverband in der Kritik. Der Vorwurf: die FN habe Alkoholexzesse und sexuelle Übergriffe unter jungen Kaderreitern nicht geahndet. Damals ging Sönke Lauterbach, Generalsekretär der Deutschen Reiterlichen Vereinigung FN, an die Öffentlichkeit. Lauterbach beteuerte im September 2018: "Ganz klar ist, dass wir sexualisierte Gewalt auf das Schärfste verurteilen und dass wir sexuellen Übergriffen den Kampf angesagt haben." Der Fall der Reitschülerin und dass der Täter Freigang hat und auf Turnieren reitet, war dem Verband da bereits bekannt. Passiert ist in diesem Fall aber nichts.

Der Verband entzog dem Reitlehrer lediglich die Trainerlizenz, nicht aber die wichtigere Erlaubnis für die Teilnahme an Turnieren, die sogenannte Jahresturnierlizenz. Dafür fehle die Rechtsgrundlage, behauptet die FN noch vor wenigen Tagen: "Dieser Fall ist genau mit der Zielsetzung, dem Entzug der Jahresturnierlizenz, direkt auch unserer Disziplinarkommission vorgelegt worden, die uns ganz klar signalisiert hat: ein Entzug der Jahresturnierlizenz ist rechtswidrig", sagt Dennis Peiler, Sportdirektor der FN.

Unverständnis beim Beauftragten der Regierung

Anders sieht es offenbar die Disziplinarkommision der FN. Sie behauptet auf Nachfrage, man habe angeregt, die Verlängerung der Jahresturnierlizenz des Reitlehrers zurückzuweisen. Das bedeutet: keine Turnierlizenz für einen verurteilten Sexualstraftäter. Der Verband behauptet anschließend, es gebe offenbar unterschiedliche Auffassungen über das Ergebnis des Gesprächs.

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Für Unverständnis sorgte der Fall am Rande des Kongresses "Mitsprache" in Berlin, einer großen internationalen Tagung von Betroffenen zum Thema sexueller Missbrauch. Johannes-Wilhelm Rörig, Unabhängiger Beauftragter der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, regte dort an, "die Turnierlizenz für den Reitlehrer zu versagen, und zur Not muss man es dann halt auf eine gerichtliche Auseinandersetzung ankommen lassen. Aber wichtig ist, dass die Haltung besteht pro Kind und gegen Gewalt im Sport".

Eine klare Haltung der FN? Fehlanzeige. Erst durch Nachfragen von Sport inside und dem Druck der Familie reagiert der Verband jetzt und teilt mit, er werde ein Verfahren zum Lizenzentzug einleiten.