Sechs Monate nach Absturz
Angehörige fühlen sich im Stich gelassen
Stand: 24.09.2015, 12:04 Uhr
Vor sechs Monaten (24.3.) ist Germanwings-Flug 4U9525 auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf in den französischen Alpen abgestürzt. Viele Angehörige der Opfern fühlen sich heute vom Mutterkonzern Lufthansa im Stich gelassen. Der Co-Pilot hatte den Flieger zum Absturz gebracht.
Von Moritz Börner
Kurz nach dem Absturz hatte die Lufthansa noch schnelle und unbürokratische Hilfe zugesichert. Jetzt, sechs Monate später, sind viele Angehörige tief enttäuscht. Ein vom Germanwings-Mutterkonzern Lufthansa beauftragtes Anwaltskonsortium reguliert die Schadensersatzzahlungen. „Die Anwälte sind nicht besonders kooperativ“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Christof Wellens, der mehrere Angehörige vertritt, „selbst bei kleinen Beträgen müssen Angehörige teilweise darum ringen, dass ihre Gelder ausgezahlt werden“.
Angehörige sind verwundert
Die Opfer werden zum Gedenken nochmal an die Absturzstelle gebracht
Ein Angehöriger zum Beispiel, der seine Freundin bei dem Absturz verloren hat und daraufhin krankgeschrieben war, hatte einen Verdienstausfall von gerade einmal rund 400 Euro geltend gemacht. „Daraufhin haben die Anwälte mich aufgefordert, meinen Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden, um Einsicht in die Krankenakte zu bekommen“. Der Mann ist über das Verhalten der Airline verwundert. Denn gleichzeitig kümmert sie sich auch um die Angehörigen. Heute zum Beispiel hat sie zahlreiche Angehörige mit einer Sondermaschine wieder zum Absturzort gebracht, wo diese genau sechs Monate nach dem Unglück der Opfer gedenken könnten.
Angehörige fordern höheres Schmerzensgeld
Noch schwieriger ist die Situation einer Frau, die ihren Mann bei dem Unglück verloren hat. Das erste Kind des Ehepaares ist ein Jahr alt, mit dem zweiten ist sie momentan schwanger. Sie hat zwar 50.000 Euro Soforthilfe bekommen, doch das wird schon bald nicht mehr reichen. Gerade die Höhe der Schmerzensgeldzahlungen, die es zusätzlich zur Soforthilfe gibt, ist umstritten. Germanwings bietet den meisten Angehörigen zehntausend Euro, manchen aber auch mehr. In den meisten Fällen ist das angebotene Schmerzensgeld aus der Sicht von Anwalt Christof Wellens aber zu gering.
Klage in den USA?
Die Fluglinie Germanwings sieht das anders: Man habe den Angehörigen ausreichende Schmerzensgeldangebote gemacht und kümmere sich um die Bezahlung von materiellen Schadensersatzansprüchen. Das juristischen Hin und Her um die Zahlungen könnte noch weite Kreise ziehen: Die Anwälte der Angehörige drohen jetzt damit, in den USA vor Gericht zu ziehen.