Weg mit dem Grauschleier – Unser Land in den 60ern

Stand: 21.12.2020, 11:57 Uhr

Mitte der 60er: Zuerst kam die Queen, und im Sommer 1966 reisten sogar die Beatles nach NRW – zu ihrem legendären Konzert in Essen. Das Leben im Westen nahm Fahrt auf, im Fernsehen flog ein Bügeleisen in den Weltraum. Die Röcke wurden kürzer, die Haare länger. Und ein Aufklärungsfilm sorgte für Aufregung und rappelvolle Kinos.

Doch die Jahre 1965 bis 1967 waren auch eine Zeit des Umbruchs: In Düsseldorf beendete die SPD die bis dato ungebrochene Macht der CDU. Heinz Kühn wurde Ministerpräsident. Die Zeit des rasanten Wachstums war vorbei. Im Ruhrgebiet machte das billige Erdöl der Kohle Konkurrenz.

Eine Frau badet ein Baby in einer Badewanne

Kinder, Küche, ...: Viele Frauen wollten Mitte der 60er Jahren mehr als nur Hausfrau sein.

Auch gesellschaftlich lag ein Wandel in der Luft: Viele junge Frauen wollten sich nicht mehr mit einer "Karriere" als Hausfrau und Mutter begnügen. Sie strebten nach mehr Selbstbestimmung – auch in der Sexualität. Die Zeit war reif für "Helga", einen Aufklärungsfilm im Auftrag von Bundesgesundheitsministerin Käte Strobel. Der Kinofilm sollte Schluss machen mit der Ahnungslosigkeit in Sachen Sex. "Helga" wurde zum Kinohit mit mehr als 40 Millionen Besuchern in der ganzen Welt.

sw Filmszene aus "Raumpatrouille Orion", vier Besatzungsmitglieder im Cockpit

Kultserie: Die "Raumpatrouille Orion" hatte auch ein Bügeleisen an Bord.

Im WDR wurde zur gleichen Zeit ein "Märchen von übermorgen" zum Kult. Am 17.09.1966 startete Commander Cliff Allister McLane in seiner Orion zum Weltraumabenteuer – mit Badezimmerarmaturen und Bügeleisen als berühmteste Requisiten der deutschen Fernsehgeschichte.

Der Tod von Altbundeskanzler Konrad Adenauer am 19. April 1967 markiert endgültig das Ende der Nachkriegszeit. Es stand etwas Neues bevor. In Köln liefen Studenten und Schüler in tagelangen Protesten gegen die Fahrpreiserhöhungen der KVB Sturm. Es war der Anfang von Protesten gegen die alten Machtstrukturen und für mehr Demokratie. Sie sollten bald das ganze Land erschüttern.

Die Filmemacher haben nicht nur beeindruckendes und zum Teil noch nie gezeigtes Bildmaterial aus den Sechzigern aufgespürt, sondern auch Menschen getroffen, die ihre ganz persönliche Geschichte aus dieser Zeit erzählen. So erinnert sich Ulrich Wickert an seine Studentenzeit in Bonn – als er zuerst die Queen und kurz darauf Rudi Dutschke traf.

Frank Becker berichtet von seinen ersten Erfahrungen mit der neuen Super-8-Kamera, die ihn zum Chronisten seiner Familie und später zum Besitzer des größten privaten Filmarchivs Deutschlands machte. Und Gevinon Gräfin von dem Bussche-Kessell erzählt, wie sie als Blumenmädchen den königlichen Empfang in Bonn rettete.

In der neuen vierteiligen Reihe "Unser Land in den 60ern" geht es im WDR auf eine Zeitreise – in ein Jahrzehnt, das unser Land geprägt hat wie kaum ein zweites. Die Architektur von damals formt bis heute das Gesicht unserer Städte und Gemeinden. Zehntausende Menschen, die damals als sogenannte "Gastarbeiter" kamen, um die Wirtschaft an Rhein und Ruhr am Laufen zu halten, sind hier längst heimisch geworden. Und die Hits dieser Jahre sind heute Evergreens.

Ein Film von Carolin Wagner
Erzählt von Sabine Postel
Redaktion: Monika Pohl