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Aussenansicht Hüttenwerk Duisburg bei Tag

Die Thyssens

Stand: 24.01.2016, 13:27 Uhr

Es beginnt mit einer atemberaubenden Industriekarriere im 19. Jahrhundert und entwickelt sich zu einem Familienepos im Stile griechischer Tragödien: Der Gründer der Thyssen-Dynastie, August Thyssen, schafft zu Lebzeiten aus einem Walzwerk an der Ruhr einen Konzern von Weltruf.

Nach August Thyssens Tod geht das Stahlimperium auf seinen ältesten Sohn Fritz (1873-1951) über. Nachdem dieser zunächst zur Machtergreifung Hitlers beiträgt, opponiert er 1934 gegen die Nazis und wird bis Kriegsende in Konzentrationslagern interniert. Das Unternehmen gerät unter Staatskontrolle. Die Restitution seines Vermögens erlebt er nicht mehr.

Aussenansicht Hüttenwerk Duisburg bei Nacht

Das gigantische Stahlimperium hat eine ganze Region geprägt. Im Bild: Das Hüttenwerk Duisburg bei Nacht.

In den Fängen der Nazis

Im Leben von Fritz Thyssen spiegelt sich die Geschichte des Dritten Reichs höchst dramatisch wider. Kaum ein anderer Großindustrieller trägt - in glühender Begeisterung für die Nationalsozialisten - so entscheidend zur Machtergreifung Hitlers bei wie Fritz Thyssen. Als er nach dem Röhm-Putsch 1934 seine Irrungen hinsichtlich des verbrecherischen Systems der Nazis erkennt, opponiert er offen gegen das Regime und riskiert sein Leben.

Fritz Thyssen aus einem schwarzweißen Foto an einem Tisch sitzend

Fritz Thyssen 1948 vor der Entnazifizierungsspruchkammer, die ihn als "minderbelastet" einstufte.

Auf der Flucht vor den Nazis ins argentinische Exil geraten Fritz und seine Frau in die Fänge der Gestapo. Bis Kriegsende werden Fritz und Amélie Thyssen in Konzentrationslagern interniert sein und entgehen nur knapp dem Tod. Das Vermögen wird von den Nazis beschlagnahmt, das Unternehmen gerät unter Staatskontrolle. Die Restitution seines Vermögens und die Wiederinbetriebnahme des ersten Hochofens nach dem Krieg erlebt der Stahlmagnat nicht mehr. Freigesprochen von Schuld, aber als gebrochener Mann stirbt Fritz Thyssen 1951 in Argentinien. 1999 schließlich fusionierte die Thyssen AG mit dem einstigen Konkurrenten Krupp zu einem der größten Stahlkonzerne der Welt.

Bedeutende Kunstsammlung

Die Kunstschätze der Thyssens aber haben den Krieg unbeschadet im Familienbesitz überdauert und werden 1947 an Hans-Heinrich Thyssen-Bornemisza (1921-2002) vererbt. Mit ausgeprägtem Kunstverstand und kaufmännischem Geschick baut Hans-Heinrich sein Erbe zur größten privaten Kunstsammlung neben jener der britischen Queen aus. Heute beherbergt das Museo Thyssen-Bornemisza in Madrid den Kunstschatz der Dynastie und zählt damit zu einer der größten kulturellen Attraktionen der spanischen Hauptstadt. "Heini", wie Hans-Heinrich Thyssen-Bornemisza allgemein genannt wird, gilt als "Sammler alter Meister und schöner Frauen".

Villa mit Palmen

Die Villa Favorita bei Lugano - hier war die Sammlung bis Ende der 80er Jahre der Öffentlichkeit zugänglich.

Wechselnde Ehen mit Erbprinzessinnen und Schönheitsköniginnen, Streitereien um Geld und Vaterschaft liefern den Boulevardblättern stetig Details aus der Welt der Reichen und Superreichen. Als "Society-Prozess des Jahrhunderts" gerät Ende der 1990er Jahre ein Rechtsstreit in die Presse, den Heini gegen seinen ältesten Sohn um das auf drei Milliarden Euro geschätzte Familienvermögen führt. Mit dem Tod des großen Mäzens im Jahr 2002 scheint der Vorhang über das Schauspiel des Familienepos gefallen zu sein. Doch noch immer tragen die Nachkommen der Familienzweige das Erbe ihrer Vorväter fort. Heinis Tochter Francesca von Habsburg hat sich als Mäzenin zeitgenössischer Kunst einen Namen gemacht.

Geschichte einer Dynastie

Die Dokumentation "Deutsche Dynastien: Die Thyssens" erzählt die Chronik einer der einflussreichsten deutschen Familien im Spiegel der Geschichte. Bisher unveröffentlichtes Filmmaterial aus Familienbesitz sowie zahlreiche Interviews mit den Nachkommen aus allen Familienzweigen beschreiben die Geschichte der Thyssens nicht nur höchst persönlich und emotional, sondern auch mit bisher unbekannten Perspektiven auf die dramatischen Lebenswege der herausragenden Persönlichkeiten.

Ein Film von Julia Melchior und Sebastian Dehnhardt | Redaktion: Adrian Lehnigk