Boot im Kanal

Kritisch Reisen: Amsterdam – gelikt, gehypt und überrannt

Stand: 02.07.2024, 10:33 Uhr

Es ist ein Sehnsuchtsort mit pittoresken Grachtenkanälen, schiefen, alten Häusern und bunten Fahrrädern. Amsterdams Innenstadt gilt als eine der schönsten der Welt, ist von NRW aus schnell zu erreichen und hat die perfekte Größe für einen Wochenendtrip. Besucher und Besucherinnen finden reichlich Fotomotive, posten bei Insta und Tiktok Stroopwaffeln und Bootstouren, Fahrräder, romantische Kanäle und Sonnenuntergänge. Und Jahr für Jahr kommen mehr Touristen: Über 23 Millionen Übernachtungen sind für 2024 prognostiziert - bei einer Innenstadtbevölkerung von unter 100.000 Menschen. Die Amsterdamer nennen die Überfüllung inzwischen “Overlast”: Belästigung –und beklagen den Lärm, den Dreck, die schiere Masse an Menschen. In einer Petition haben sie deshalb eine Obergrenze der Touristenzahlen verlangt. Doch: Wie setzt man das um?

Touristen auf einem Boot

Betrunkene Partytouristen sind für Amsterdams Einwohnerinnen und Einwohner ein Ärgernis. Den Lärm, den Dreck und die Respektlosigkeit wollen viele nicht länger ertragen müssen.

Die Stadt hatte jahrelang erfolgreich auf touristisches Wachstum gesetzt. Jetzt versucht die Politik besonders im Rotlichtviertel De Wallen gegenzusteuern. Kiff- und Alkoholverbot auf den Straßen, Kampagnen, die Partytouristen abschrecken sollen. Bisher ohne messbaren Erfolg. Ein Hotelbauverbot ist die aktuellste von vielen Maßnahmen, die Amsterdam öffentlich ankündigt. Doch schon genehmigte Projekte sollen noch gebaut werden dürfen., Innenstadtbürgermeisterin Amélie Strens möchte Ladenlokale wieder in den Besitz der Stadt bringen, um dort statt Frittenbuden und Souveniergeschäfte Cafés für die Einheimischen oder Läden des täglichen Bedarfs unter zu bringen.

Moulin Rouge in Amsterdam

Das Rotlichtviertel Amsterdams ist einer der Anziehungspunkte der Touristenströme der Stadt, hier ist es immer besonders voll. Deshalb gilt hier mittlerweile für Besucher eine Einbahnstraßenregelung.

Von den vielen kleinen Versuchen, der Masse Herr zu werden, hält Stephen Hodes nichts. Der Amsterdamer war lange der Leiter des Tourismusbüros der Niederlande in den USA und ist überzeugt: „Touristen sind wie Schafe, sie folgen immer der Herde.“ Und fordert deshalb seit Jahren ein klareres Durchgreifen der Politik – weniger Flüge, weniger Hotelbetten.

zwei Frauen die Ein Selfie machen

Selfies aus dem Rotlichtviertel Amsterdams, bei Insta und Tiktok gepostet, ziehen noch mehr Touristen in die ohnehin übervolle Stadt.

Geerte Udo hat eine andere Idee. Sie war bis Mitte dieses Jahres die prägende Figur von Amsterdams eigener Marketingagentur und hat mit der erfolgreichen Kampagne „I Amsterdam“ dafür gesorgt, dass Jahr für Jahr mehr Menschen nach Amsterdam gekommen sind. Ihr Vorschlag: Einen Teil der Touristen aus der Innenstadt herauslocken und an andere Orte in der Umgebung leiten - nach Zandvoort, umgetauft zu „Amsterdam Beach“, nach Keukenhof zu den Tulpenfeldern in der Nähe der Stadt, nach Muiderslot, einem alten Wasserschloss 15 km entfernt. Kann das funktionieren?

Rotlichtviertel in Amsterdam

Das Rotlichtviertel Amsterdams ist einer der Hauptanziehungspunkte der Touristenströme der Stadt. Deshalb wird nun diskutiert, die Prostitution in ein Erotikcenter auszulagern. Die Sexarbeiterinnen, die hinter diesen Fenstern ihren Job in eigener Regie machen, wollen nicht weg und fühlen sich als Bauernopfer einer verfehlten Tourismuspolitik.

Ein Film von Patrick Wira

Redaktion: Gudrun Wolter