Leben am Chemie-Standort

Leckagen und Störfälle in Wesseling

Stand: 14.05.2015, 17:30 Uhr

  • Leckagen und Störfälle bringen die Chemiewerke in Wesseling immer wieder in die Schlagzeilen
  • Anwohner fürchten, auf einer tickenden Zeitbombe zu wohnen
  • Umweltschützer sehen in maroden Leitungen einen Grund für die Chemieunfälle

Seit vierzehn Jahren lebt Lukas von Zimmermann im Kölner Stadtteil Immendorf, direkt an der Grenze zu Wesseling. Die Chemieanlagen von Shell und LyondellBasell sind in Sichtweite. "Was mir zu denken gibt, ist die Zunahme der Störfälle in den letzten Jahren. Das mag auch daran liegen, dass da früher gar nicht drüber geredet wurde", vermutet der Anwohner.

Auswahl der Pannen aus den vergangenen fünf Jahren

  • Mai 2010: In den Badeseen und im Grundwasser nahe der Chemiefirma LyondellBasell werden stark erhöhte PFT-Werte festgestellt. Der Stoff gilt als hochgiftig und krebserregend. Offenbar war belasteter Löschschaum der Werksfeuerwehr ins Grundwasser gesickert.
  • Mai 2011: Bei Shell tritt säurehaltiger Nebel aus – er verursacht Lackschäden an den Autos in der Umgebung.
  • Februar 2012: Über Wochen lang läuft bei Shell aus einem Leck Flugbenzin aus. Es bildet sich ein unterirdischer Kerosin-See von beinahe einer Million Liter, ein großer Teil ist heute noch dort.
  • Januar 2014: Erneute Explosion bei Shell, ein Tank brennt.
  • 10. Mai 2015: Wieder eine Explosion in der Shell-Raffinerie bei Köln. Es brennt fast sieben Stunden.
  • 8. Mai 2015: Ein Leck in einem Rohr für Rohbenzin beim Kunststoffhersteller LyondellBasell wird bekannt.

Tausende unterirdischer Leitungen und Rohre

"Wir haben 2012 eine Strafanzeige gestellt. Dabei ist herausgekommen, dass dort bereits eine ganze Reihe von Leckagen und Produktaustritten stattgefunden haben. Es besteht der Verdacht, dass auch hier alte Leitungen, die ihr Verfallsdatum überschritten haben, und mangelnde Wartung eine Rolle spielen können", vermutet Paul Kröfges, stellvertretender Vorsitzender des BUND NRW.

Tunnelprojekt soll für Sicherheit sorgen

Unter den Chemiestandorten liegen tausende von Leitungen und Rohren. Wo genau sie verlaufen, bleibt aus Sicherheitsgründen geheim. Viele stammen noch aus den 1950er Jahren. So die kaputte Kerosinleitung von Shell und auch die leckgeschlagene Pipeline von LyondellBasell. Sie transportierte Rohbenzin vom Godorfer Hafen ins Werk. "Die Rohre sind 1958 verbaut und Anfang der 60er Jahre in Betrieb genommen worden. Im Sinne einer Pipeline sind die diese Rohre nicht alt", erklärt Hanno Limburg, Leiter der Abteilung Sicherheit, Umwelt und Qualität bei LyondellBasell. "Auf der anderen Seite haben wir erkannt, dass dort Schwachstellen entstehen können. Darum haben wir 2008 mit einem großen Tunnelprojekt begonnen. Die Rohrleitungen sollen aus dem Boden in einen Tunnel verlegt werden. Das macht die Überwachung und die Kontrolle deutlich einfacher."

Halbjährliche Grundwasserprüfung

Ab Juli soll das Rohbenzin durch die modernen Rohre fließen. Das kaputte Rohr unter der Erde ist stillgelegt. 2.500 Tonnen Rohbenzin flossen täglich hindurch – seit wann und wieviel ausgelaufen ist, ist nicht bekannt. Halbjährlich wird das Grundwasser nahe der Rohre überprüft: Im Oktober gab es keinen Befund. Vor drei Wochen enthielt die Probe dann Rohbenzin. Der Beweis für ein Leck. "Maximal kann es nur ein halbes Jahr sein", sagt Hanno Limburg. An Spekulationen darüber, wie viel Rohbenzin ausgetreten ist, will er sich nicht beteiligen. "Das diskutieren wir mit den Gutachtern und Sachverständigen, sobald wir die Ergebnisse aus der Lecksuche und den Grundwasseruntersuchungen vorliegen haben."  

Anwohner wie Lukas von Zimmermann warten dringend auf Antworten. Er hat langsam genug von den Störfällen in seiner Nachbarschaft.