Flüchtlinge und die Bürokratie

Dublin III unter der Lupe

Stand: 11.11.2015, 16:37 Uhr

Dublin-Verordnung - dieses Wort fällt immer wieder, wenn es um die Aufnahme von Flüchtlingen in der EU und in Deutschland geht. Was hat es mit diesem Verfahren auf sich? Wo sind seine Schwachstellen? Wie läuft es in der Praxis ab? Alles Wissenswerte auf einen Blick.

Seit 2013 gilt die Dublin-III-Verordnung in den EU-Mitgliedstaaten sowie in Norwegen, Island, der Schweiz und Liechtenstein. Es stellt die zentralen Regeln für den Umgang mit Asylbewerbern in Europa auf.

Das Prozedere

Laut Dublin-Verfahren ist für das Asylverfahren eines Schutzsuchenden immer der Staat zuständig, in dem der Flüchtling erstmals EU-Boden betreten hat. So soll verhindert werden, dass gleichzeitig oder nacheinander in mehreren Mitgliedsländern Asylanträge gestellt oder gezielt Staaten zur Antragstellung ausgesucht werden können. Flüchtlinge stranden deshalb meist in den EU-Randstaaten Griechenland, Italien, Ungarn oder Bulgarien. Der Druck auf diese Länder ist groß. Reist ein Flüchtling weiter und bittet beispielsweise in Deutschland um Asyl, kann er in das Erstaufnahmeland zurückgeschickt werden.

Flüchtlinge haben allerdings das Recht, dagegen per Eilantrag Widerspruch einzulegen. Ist die Rückführung nicht binnen sechs Monaten erfolgt, muss das Land, das um Übernahme ersucht hat, das Asylverfahren durchführen. Taucht der Antragsteller unter oder befindet er sich in Strafhaft, kann sich diese Frist verlängern.

Ein System mit vielen Mängeln

In der Praxis hakt das Asylverfahren. So kritisiert Pro Asyl, dass die EU im Umgang mit Flüchtlingen zu einem "Verschiebebahnhof" geworden ist. Es habe sich ein regelrechter Wettbewerb zwischen den EU-Staaten darum entwickelt, wer die meisten Flüchtlinge an Nachbarstaaten loswerde. In Osteuropa wurden Grenzen geschlossen und Zäune errichtet, um Flüchtlinge an der Einreise zu hindern. Die Mittelmeer-Staaten Griechenland und Italien sind wegen der großen Zahl dorthin strömender Flüchtlinge überfordert. Das griechische Asyl-System beispielsweise weist schwerwiegende Mängel auf. Asylanträge würden dort nicht überprüft, beklagt Pro Asyl, was die Chance auf einen Schutzstatus zunichtemache. Die Lage der Flüchtlinge in dem Land ist wegen menschenunwürdiger Zustände in den Auffanglagern problematisch. Der Europäische Gerichtshof entschied deshalb 2011, Flüchtlinge, die unter das Dublin-Verfahren fallen, nicht "blind" dorthin zurückzuschicken.

Quoten als Alternative?

Schon seit Jahren wird in der EU diskutiert, das Dublin-Verfahren zu reformieren oder auszusetzen. Das würde beispielsweise Deutschland entlasten, besonders aber Griechenland und Italien. Noch hat sich die EU trotz aller Anläufe nicht zu einem festen Verteilungsschlüssel durchgerungen. Vor allem bei den osteuropäischen Ländern gibt es erheblichen Widerstand dagegen.

Situation in Deutschland: Dublin-Verfahren vorübergehend ausgesetzt

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Das Dublin-Verfahren erlaubt einem EU-Staat in Ausnahmefällen, ein Asylverfahren einzuleiten, auch wenn es nicht zuständig ist. Diese Regelung hat Deutschland ab 25. August 2015 bei Flüchtlingen aus Syrien angewandt, um Engpässen bei der Registrierung entgegenzuwirken. Es wurde davon abgesehen, Syrer daraufhin zu überprüfen, ob sie in einem anderen EU-Land registriert sind. Ihre Asylverfahren laufen in Deutschland. Am 21. Oktober wurde trotz massiver Kritik das übliche Verfahren wieder aufgenommen. Ein Kurswechsel in der Asylpolitik und ein Abrücken von der "Willkommenskultur" sei das aber nicht, hieß es aus der Regierungskoalition am Mittwoch (11.11.2015).