Mit Grundwasser gefülltes Becken an der Einsturzstelle des Kölner Stadtarchivs

Drei Jahre nach dem Stadtarchiv-Einsturz

Ermittler tauchen im Trüben

Stand: 02.03.2012, 06:01 Uhr

Seit knapp drei Jahren ermittelt die Kölner Staatsanwaltschaft: Wer ist schuld am Einsturz des Stadtarchivs? Die Antwort wird frühestens 2013 feststehen. Zuerst werden erneut Taucher in die Baugrube geschickt.

Von David Ohrndorf

Es scheint auf der Hand zu liegen, dass der Einsturz des Kölner Stadtarchivs am 3. März 2009 mit den Arbeiten an der U-Bahnstrecke zusammenhängt. Kein Beobachter zweifelt ernsthaft daran. Aber Beweise, die einen Schuldigen überführen könnten, gibt es bislang nicht. Und so ermittelt die Kölner Staatsanwaltschaft - mittlerweile seit Jahren - gegen Unbekannt. Fahrlässige Tötung, fahrlässige Körperverletzung und Baugefährdung werden der verantwortlichen Person (oder den Personen) zur Last gelegt. Zwei Menschen kamen ums Leben, 36 Anwohner haben beim Einsturz ihre Wohnungen verloren, ein Milliardenschaden ist entstanden.

Warten auf den Gutachter

Das im Jahr 2010 eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen die beteiligten Unternehmen wegen gefälschter Bauprotokolle und unterschlagener Eisenbauteile dauert noch an. Die Ermittler erhoffen sich neue Impulse von den anstehenden Untersuchungen der Schlitzwand durch einen Gutachter. Parallel zu den strafrechtlichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft laufen auch zivilrechtliche Verfahren, die sich mit dem Einsturz des Stadtarchivs beschäftigen. Die Stadt Köln und die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) haben ein Beweissicherungsverfahren beantragt, um die Schadenshöhe festzustellen. Außerdem haben drei Nachlassgeber, deren Archivalien bei dem Archiveinsturz beschädigt wurden, gegen die Stadt Köln geklagt. Diese Klagen wurden in erster Instanz abgewiesen, die Berufungsverfahren vorläufig ausgesetzt, bis neue Untersuchungsergebnisse vorliegen.

Wird ein Schuldiger gefunden?

Ob es jemals eine Anklage geben wird, ist zurzeit "nicht absehbar", sagte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer zu WDR.de. Bei der "EG Severin", einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe von Polizei und Staatsanwaltschaft, sei die Personenstärke inzwischen "zurückgefahren" worden. Die Ermittler hätten in den vergangenen Monaten vor allem die zuvor bei verschiedenen Unternehmen beschlagnahmten rund 3.000 Aktenordner und 7,5 Terabyte elektronischer Daten ausgewertet. Ihr Ziel sei es dabei gewesen, "Anknüpfungstatsachen" zu finden, Anhaltspunkte für Verstöße gegen anerkannte Regeln der Technik. Zu den Ergebnissen der Auswertung wollte Oberstaatsanwalt Bremer keine Stellung nehmen. Mit Hilfe der ausgewerteten Daten soll nun ein Gutachter an der Unglücksstelle seine Arbeit aufnehmen. Die Ermittler warten darauf, ob dessen Erkundungen der Unglücksstelle neue Erkenntnisse liefern.

Taucher sollen Licht in die Grube bringen

Taucher suchen Archivalien

Taucher an der Einsturzstelle

In den vergangenen Monaten waren bereits Taucher in der gesicherten Grube unterwegs, um die derzeit zugänglichen Teile der Schlitzwand zu untersuchen und mit Spezialkameras erste Aufnahmen zu machen. Nun wird noch vorhandener Schlamm aus der Grube entfernt, um anschließend ein zusätzliches "Beweissicherungsbauwerk" im Auftrag der Kölner Staatsanwaltschaft errichten zu können. Baubeginn soll voraussichtlich im Sommer 2012 sein.

Kompliziertes Bauwerk zur Beweissicherung

Die Stelle der Schlitzwand, die vermutlich einen Defekt aufweist, liegt rund sechs Meter unterhalb der derzeitigen Sohle der Baugrube. Hinweise, dass dort etwas nicht in Ordnung ist, hatten erste thermische Untersuchungen kurz nach dem Einsturz des Gebäudes ergeben. Nun muss zum Schutz der Arbeiter zunächst eine zusätzlich gesicherte Baugrube erstellt werden. Dann können sich Taucher Schritt für Schritt tiefer in den Boden graben, bis sie an der vermutlichen Schadstelle der Schlitzwand sind. Grabungen und Untersuchungen finden dabei parallel statt. Auch eine weitere Einsturzursache wird noch für möglich gehalten: Ein hydraulischer Grundbruch. Dabei wird durch Druckunterschiede im Grundwasser der Boden nach oben gedrückt und bricht auf. Dadurch könnte letztlich das Erdreich unter dem Stadtarchiv weggesackt sein.

Ende 2013 sollen die Untersuchungen beendet werden können. "Wir hoffen, dass wir dann einen vollständigen Beweis haben, wie das Unglück passiert ist", sagt Jörn Schwarze, der Technische Vorstand der KVB. Sollten die erzielten Ergebnisse allerdings nicht eindeutig sein, könnte es notwendig werden, dass der Gutachter weitere Untersuchungen vornimmt. Wann die Einsturzstelle endgültig geschlossen werden kann, ist noch nicht absehbar. Die Stadt Köln bereitet zurzeit einen Architekten-Wettbewerb vor, bei dem Vorschläge für eine neue Nutzung des Geländes gesammelt werden sollen.

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