Rentner sitzen vor einem Café

Der Deutsche Städtetag in Bochum

Krise sorgt für klamme Kassen

Stand: 12.05.2009, 00:00 Uhr

Viele Arbeitslose, hohe Ausgaben für Sozialhilfe - selbst in guten Zeiten müssen Städte wie Gelsenkirchen sparen. Doch was passiert, wenn die Wirtschaftskrise durchschlägt? Das Thema beschäftigt auch den Deutschen Städtetag.

Von Barbara Underberg

"Zehn Jahre gab es hier keinen Supermarkt. Jetzt passiert endlich wieder was", erzählen zwei Rentner, die vor dem Café Pause im Gelsenkirchener Tossehof sitzen und Kuchen bestellen. Das Café und der integrative Supermarkt, in dem Menschen mit Behinderung arbeiten, gehören zu einem großen Stadtumbauprojekt im Stadtteil Bulmke-Hüllen. Die in den 1970er Jahren erbaute Großsiedlung Tossehof war heruntergekommen: dunkle Hochhäuser, viel Leerstand, keine Versorgungsmöglichkeiten für die vielen älteren Bewohner. Nun wird abgerissen, saniert und begrünt. Die Leute fühlen sich wieder wohler in ihrem Quartier. "Stadtumbau ist neben Bildung die wichtigste Aufgabe, um Gelsenkirchen zukunftsfähig zu machen," erklärt Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD).

Einnahmen sinken, Ausgaben steigen

Die weltweite Wirtschaftskrise könnte Kommunen wie Gelsenkirchen jedoch zurückwerfen. Die Stadt hat zwar in den vergangenen Jahren stark auf Konsolidierung gesetzt und im Unterschied zu etlichen anderen Ruhrgebietsstädten einen genehmigten Doppelhaushalt für 2008/2009 vorzuweisen. Ohne die Wirtschaftskrise hätte es laut Baranowski 2011 sogar einen ausgeglichenen Haushalt gegeben. Dies rückt nun aber wieder in weitere Ferne, da durch die Rezession die Gewerbeeinnahmen sinken und die Sozialhilfeausgaben steigen werden. Der Deutsche Städtetag erwartet allgemein für dieses Jahr einen Rückgang der Gewerbesteuern um 20 bis 30 Prozent.

Merkel und Rüttgers beim Städtetag

"Städtisches Handeln in Zeiten der Krise" ist daher das Hauptthema des Städtetages, der von Dienstag bis Donnerstag in Bochum stattfindet. 1.500 Delegierte aus dem gesamten Bundesgebiet werden zur Hauptversammlung des kommunalen Spitzenverbandes erwartet. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (beide CDU) haben sich angesagt.

Babyschlafsack und Elternschule

Gerade bei Bildung und Stadtumbau will Baranowski auf keinen Fall sparen: "Kein Unternehmen siedelt sich aus karitativen Gründen in einer Stadt an, sondern wenn das Umfeld dort gut ist und es qualifizierte Beschäftigte gibt." Dem Qualifizierungsproblem in Gelsenkirchen wird mit vielen Projekten begegnet, unter anderem werden die Ganztagsgrundschulen massiv ausgebaut. Ein Vorzeigeprojekt der Frühförderung wird bereits von anderen Städten wie Köln übernommen: Alle Eltern von Neugeborenen bekommen einen Babyschlafsack geschenkt und einen Gutschein für eine Elternschule. Außerdem erhalten sie Besuch von Familienlotsen, die Hilfe anbieten.

32 Millionen aus dem Konjunkturpaket

Aus dem zweiten Konjunkturpaket der Bundesregierung erhält Gelsenkirchen 32 Millionen Euro, die in den Bau von Kindergärten, die energetische Sanierung der Schulen und den Anschluss der Schulen ans Glasfasernetz investiert werden. Wichtige Maßnahmen, findet Jörg Bogumil, Professor für Öffentliche Verwaltung, Stadt- und Regionalpolitik an der Ruhr-Universität Bochum, zumal hierdurch auch der Anstieg der Arbeitslosigkeit gemildert werde. Ohnehin könnten Städte mit seit Jahrzehnten hoher Arbeitslosigkeit ihre strukturellen Probleme nicht aus eigener Kraft bewältigen. Eine Arbeitslosenquote von rund 13 Prozent sorgt zum Beispiel in Gelsenkirchen für überdurchschnittlich hohe Sozialhilfekosten. Wenn in der Krise die Einnahmen durch die Gewerbesteuern sinken, sind solche Städte besonders stark betroffen. "Das lässt sich durch Einsparungen nicht auffangen", so der Wissenschaftler.

Forscher mahnt Finanzreform an

Wohlhabende Städte hätten hingegen geringere Ausgaben und höhere Einnahmen, sagt Jörg Bogumil. "Das heutige System der Gemeindefinanzierung ist ungerecht, da es prosperierende Städte begünstigt und strukturell schwächere Städte benachteiligt." Darum fordert der Forscher, die finanzielle Ausstattung durch eine Gemeindefinanzreform zugunsten klammer Kommunen anzugleichen. Darüber hinaus empfiehlt er den Städten im Ruhrgebiet eine engere Kooperation, zum Beispiel über gemeinsame Gewerbegebiete. In anderen Regionen wie Hannover oder Stuttgart sei dies längst üblich, und das Ruhrgebiet müsse aufpassen, nicht den Anschluss zu verpassen, sagt Jörg Bogumil. Viel Diskussionsstoff für den Städtetag.