Egon Hoegen wird 85 Jahre - Teil 2 des Interviews
Kultstimme mit 7. Sinn
Stand: 27.09.2013, 06:00 Uhr
Am Samstag (28.09.2013) wird Egon Hoegen 85 Jahre alt. Lesen Sie hier im zweiten Teil des Interviews, wie Egon Hoegen von Willy Millowitsch für sein Theater entdeckt wurde und warum er bei der legendären Radiopanne mit dem Zwergkaninchen-Text so sehr lachen musste.
Egon Hoegen sagt den Internationalen Frühschoppen an
00:50 Min.. Verfügbar bis 30.12.2099.
WDR.de: Dass Sie offen sind für Humoristisches hätte man wissen können. Denn im Jahr 2000 haben Sie dem Kurzfilm: "Staplerfahrer Klaus – Der erste Arbeitstag" Ihre Stimme geliehen. Es ist eine Parodie auf den berufsgenossenschaftlichen Arbeitssicherheitsfilm, der viele bedeutende Preise abgeräumt hat.
Hoegen: Das war auch eine verrückte Sache, die eine enorme Resonanz ausgelöst hat! Als ich vor geraumer Zeit einen neuen Wagen kaufte und zur Zulassungsstelle ging, hatte ich gerade drei Worte gesagt, da schallte es schon durch den Raum: "Der 7. Sinn!" und dann aber auch gleich: "Der Staplerfahrer Klaus!" Dieser Film war ja eine recht blutige Angelegenheit. Haben Sie das mal gesehen?
WDR.de: Ja, es ist schon ein ziemliches Gemetzel, eine absurde Splatter-Parodie. Das muss man mögen.
Hoegen: Wenn ich gewusst hätte, wie blutig das wird, hätte ich es vielleicht nicht gemacht. Aber als ich in dieser Filmfirma, die saß in Aachen, ankam und sagte: "Gebt mir mal den Text", da habe ich zuerst gedacht, "na, das ist bestimmt etwas hart." Aber die Produzenten kamen schon wieder mit dem mir nicht unbekannten Satz: "Ach, Herr Hoegen, wenn Sie das sagen, ist das nicht mehr so schlimm." Ich muss rückblickend sagen, ich habe es mir neulich nochmal angeschaut, es war wirklich eine sehr, sehr blutige Angelegenheit.
WDR.de: Von unschätzbarem Vorteil für Ihre Arbeit ist doch bestimmt, dass Sie nicht nur Sprecher sind, sondern auch gelernter Schauspieler.
Hoegen: Ja, ich habe bei Gustav Gründgens in Düsseldorf meine Bühnenreifeprüfung gemacht. Und er hat mir da schon eine sehr günstige Prognose für den weiteren Weg gestellt. Danach habe ich an den Städtischen Bühnen in Münster gearbeitet und dort auch meine Frau kennengelernt. Ihr engster Freund wurde der Schauspieler Gert Fröbe, der damals auch in Münster spielte.
WDR.de: Und Sie haben im Millowitsch-Theater gespielt, in dem Stück "Charleys Tante".
Hoegen: Ja, genau, ich war der Charley! Zu diesem Engagement ist es so gekommen: Ich hatte damals schon die ersten Kontakte zum WDR und arbeitete dort als Sprecher. Der Leiter der WDR-Hörspielabteilung, Wilhelm Semmelroth, rief mich an und sagte: "Es kommt jemand, der sich sehr für Sie interessiert." Mehr hat er nicht verraten. Dann gab es eine Hörspielprobe im WDR und hinter dem guten Semmelroth tauchte ein Herr auf, den ich nicht kannte. Es war Willy Millowitsch, der rief: "Sie sind mein Charley!"
WDR.de: Sie hätten offensichtlich auch als Schauspieler Karriere machen können. Warum haben Sie lieber als Sprecher gearbeitet?
Hoegen: Es war dieses Superaktuelle, immer am Pulsschlag des Lebens zu sein, das hat mich gereizt. Vor dem Abitur mussten wir diesen berühmt-berüchtigten Lebenslauf verfassen und da habe ich als Berufswunsch geschrieben: Journalistik. Das hat mich eigentlich immer sehr interessiert, das Aktuelle, das Allerneueste, das ganz Heiße, das gerade gekocht oder gebacken ist.
WDR.de: Ich sehe, dass Sie hier keine Haustiere haben.
Hoegen: Nein, heute nicht mehr. Früher hatten wir Rauhaardackel.
WDR.de: Zwergkaninchen hatten Sie wohl nie, oder? Denn Sie haben in einem legendären Radiobeitrag davor gewarnt, die Nager als Haustiere zu halten.
Hoegen: Ja, ich glaube das war in den 1970er Jahren. Das war einer meiner größten Lacherfolge. Die Kollegen vom Morgenmagazin, die kamen direkt nach mir, die tauchten plötzlich hinter der Glasscheibe zur Technik auf und machten diesen hier – Egon Hoegen macht mit seinen Fingern Hasenohren – und brachten mich natürlich zum Lachen. Für mich war die Situation tragikkomisch. Sie müssen sich vorstellen, Sie kriegen da irgendeinen Text hingelegt und sind eigentlich gar nicht dafür vorgesehen. Ich hatte nämlich eigentlich Nachrichtentour. Und dann rief die Technik an, "Herr Hoegen wir brauchen Sie dringend, der Herr Bergmeister - das war damals der ständige Landfunksprecher - ist nicht zum Frühdienst erschienen." Dann bin ich runter und sagte: "Freunde, ich habe aber nicht viel Zeit, ich habe um sechs Uhr wieder Nachrichten." "Ach, Herr Hoegen, das machen Sie mit Ihrer Routine." Dann habe ich angefangen und in dem Text hieß es sinngemäß: In dieser Jahrezeit, es war kurz vor Weihnachten, neigen Eltern dazu, Kinderwünsche zu erfüllen, die schwierig werden können. Zum Beispiel wenn den Kleinen Zwergkaninchen geschenkt werden, ohne zu wissen, welche Komplikationen daraus entstehen können. Dann musste ich sinngemäß so Sachen verkaufen, wie, "Sie dürfen kleinen Zwerghasen kein Nassfutter geben, die neigen sonst zu Blähungen."
WDR.de: Damals wurden noch Beiträge von Autoren live im Studio eingesprochen. Und diesen Text kannten Sie also vorher gar nicht?
Hoegen: Nein, das war mir alles neu. Während ich den Text las, dachte ich immer, was mag jetzt noch an Entsetzlichem kommen? Bei jedem Lachanfall habe ich die Räuspertaste gedrückt. Ich war danach unter den Armen und auf dem Rücken klatschnass geschwitzt – so attackiert es einen! Auch weil man nicht vorhersehen kann, wie die Bonzen im Sender reagieren werden. Der damalige Leiter des Landfunks, der als sehr gestrenger Herr galt, hat mich angerufen und gesagt: "Das halbe Funkhaus lacht und kein Mensch wird Ihnen das verübeln." Das ist aber dennoch bis zur Intendanz gegangen. Aber zu meiner Verblüffung waren alle Oberen des Hauses verständnisvoll und haben sehr humorig reagiert.
WDR.de: Sind Sie immer noch als Sprecher aktiv?
Hoegen: Ja, hin und wieder. Sowohl im eigenen Haus, im WDR, als auch in anderen Häusern. Es ist immer noch der große Kollegenkreis der ARD, der auf mich zukommt, mit verschiedenen Anlässen für Fernsehen und Hörfunk. Das mache ich sehr gerne. Da schläft man nicht ein im Kopf und bleibt am Pulsschlag des Lebens und an dem, was man ein kurzes Leben lang gemacht hat. Und das ist dann immer auch eine Bestätigung, weil man zwischendurch denkt, jetzt bist du bestimmt auch vergessen. Aber nein, nichts ist mit dem Vergessen.
Das Gespräch führte Sabine Tenta.