Ein Opel-Mitarbeiter arbeitet im Bochumer Werk an einen Opel Astra

Kritik an der Unternehmensführung

Poker mit den Opel-Werken

Stand: 19.05.2012, 11:00 Uhr

Rüsselsheim verliert die Astra-Produktion - was heißt das für Opel in Bochum? Konkrete Aussagen dazu gibt es bislang nicht. Gewerkschafter und Politiker werfen der Opel-Führung vor, dass sie die Werke gegeneinander ausspielen will.

Von Stefanie Hallberg

"Momentan gibt es viele Planspiele zur Auslastung der Werke, viele Versprechungen und Seifenblasen - aber nichts wirklich Verbindliches", sagte Rainer Einenkel, Betriebsratschef bei Opel in Bochum, am Freitag (18.05.2012) zu WDR.de. Er kritisiert die Entscheidung des GM-Managements, die Astra-Produktion aus Rüsselsheim abzuziehen und komplett ins Ausland zu verlagern, als "fragwürdig" und fordert Gewissheit für das Werk Bochum. Dessen Sicherungsvertrag mit dem US-Mutterkonzern General Motors (GM) läuft 2014 aus. In Bochum befürchtet man nun, die Produktion des Opel Zafira an das Werk in Rüsselsheim zu verlieren - als Ausgleich für die dort wegfallende Astra-Produktion. In diesem Fall wäre die Schließung des Standorts Bochum wohl beschlossene Sache. Vorsorglich drohte die Industriegewerkschaft Metall der Opel-Geschäftsführung mit einem Arbeitskampf. "Wir sind in der Lage, gegenüber Opel und GM eine sehr harte Auseinandersetzung zu führen", sagte der Leiter des IG-Metall-Bezirks Frankfurt, Armin Schild, am Freitag.

Die Bochumer Belegschaft sei mit Blick auf die Verhandlungen in England und die positiven Signale der Opel-Spitze für das Werk Rüsselsheim "betrogen worden", meinte der frühere Opel-Sprecher Andreas Graf Praschma in einem Interview mit der Lokalzeit Ruhr und der Aktuellen Stunde.

Schaden für die Marke

Mitarbeiter verlassen das Opelwerk in Bochum

Mitarbeiter sind verunsichert

"Wir brauchen eine klare Aussage, welche Autos ab 2015 und 2016 hier gebaut werden", sagte Einenkel. "Wenn es in Folge der Entscheidung Pläne gibt, das Bochumer Werk zu schließen, wäre das eine Kriegserklärung an 45.000 Menschen und an die Region", so der Betriebsrat. Bereits seit vielen Jahren belaste die ständige Unsicherheit und Unruhe die Menschen im Betrieb, verunsichere die Kunden und schädige nachhaltig die Marke Opel in ganz Deutschland. Doch konkrete Statements fehlten bislang. Gewerkschafter werfen Opel vor, in der Diskussion um mögliche Werksschließungen die Standorte gegeneinander auszuspielen. Betroffen ist dabei nicht nur der Standort Bochum: Nach Informationen des "Focus" prüft der Opel-Vorstand derzeit auch, die Produktion des Kleinwagens "Corsa" nach 2014 aus dem thüringischen Eisenach abzuziehen und nach Saragossa in Spanien zu verlagern. Die Folgen für das Werk in Eisenach wären in diesem Fall ebenfalls nicht abzusehen.

Devise "Friss oder stirb"

Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg-Essen hat ebenfalls den Eindruck, "dass diese Strategie gespielt wird und der Konzern versucht, aus den Belegschaften der Werke Zugeständnisse herauszupressen". Die Beschäftigten in Ellesmere Port hatten für den Zuschlag der Astra-Produktion Lohnkürzungen akzeptiert. "Friss oder stirb" soll die Botschaft der Geschäftsführung an die dortigen Mitarbeiter gewesen sein.

Kommunikationspolitik mit negativen Folgen

GM-Fahne vor Opel-Werk

Marke Opel: an Sympathie verloren?

Derzeit laufe ein "Pokerspiel", mit dem GM versuche, für sich das Bestmögliche herauszuholen, meint Autoexperte Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. Er hebt die negativen Folgen dieser Kommunikationspolitik hervor: Die Marke Opel habe bei den Kunden stark an Sympathie verloren. "Wer kauft schon gerne ein Produkt, das seit Jahren negativ in den Schlagzeilen steht?", fragt Bratzel. Dudenhöffer findet, Opel täte auch deshalb gut daran, zu seinen Entscheidungen zu stehen, sie entschlossen und zeitnah zu verkünden und nicht monatelang in der Schwebe zu halten.

Landesregierung: Karten auf den Tisch legen

"Dieses Spiel von General Motors mit der Angst der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um ihre Arbeitsplätze ist unverantwortlich", sagte Thomas Breustedt, Sprecher der NRW-Landesregierung. Das Düsseldorfer Wirtschaftsministerium betont, es werde Zeit, dass Opel die Karten zum Standortkonzept auf den Tisch lege - am besten am Montag (21.05.2012) bei der Betriebsversammlung im Werk Bochum, zu der sich auch Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) angekündigt hat. NRW-Wirtschaftsminister Harry Kurt Voigtsberger (SPD) warnte davor, die einzelnen Opel-Standorte gegeneinander auszuspielen. Dies schade letztlich dem Opel-Standort Deutschland insgesamt, sagte er in Düsseldorf und forderte ein Bekenntnis von GM zu allen deutschen Opel-Standorten.

Schlagkraft durch gemeinsame Position

Hannelore Kraft mit zwei Bergmännern auf einer Wahlveranstaltung in Bochum

Hannelore Kraft hat Opel zur "Chefsache" erklärt

Die Landesregierung will GM und Opel daran hindern, die Interessen der deutschen Standorte gegeneinander auszuspielen und so einen Subventions- und Lohnsenkungswettlauf zu starten. Kraft und die Regierungschefs der anderen drei Länder mit Opel-Standorten trafen sich am 11. Mai, um eine gemeinsame Position gegenüber GM und Opel abzustecken. Mit dem gleichen Ziel führen Voigtsberger und seine Kollegen in Rheinland-Pfalz, Thüringen und Hessen derzeit Gespräche.

Solidarität oder Alleingang?

Von Solidarität zu reden, sei eine Sache - danach zu handeln eine andere, meint Rainer Einenkel - vor allem mit Blick auf das Werk in Ellesmere Port. Die Engländer hatten offenbar an ihren europäischen Kollegen vorbei mit dem Opel-Vorstand Verhandlungen geführt, obwohl die Betriebsräte nach außen gelobten, dass kein Einzelwerk in Gespräche über die neuen Modelle eintreten will.

"Der Druck wird wachsen, und wir müssen zusammenhalten", sagte Einenkel. "Die Engländer meinen, dass sie so ihr Werk möglicherweise retten können - aber nun stehen sie allein."