Harry Voigtsberger

Wirtschaftsminister verzichtet auf Amt

Neuanfang ohne Voigtsberger

Stand: 19.06.2012, 18:50 Uhr

Harry Kurt Voigtsberger galt als Wackelkandidat. Nun ist er tatsächlich gekippt. Der Wirtschaftsminister hat dem Kabinett am Dienstag (19.06.2012) mitgeteilt, nicht mehr als Minister zur Verfügung zu stehen. Aus persönlichen Gründen, sagt er. Es wird aber auch andere Gründe gegeben haben.

Von Rainer Kellers

Die meisten Beobachter in Düsseldorf hatten sich darauf eingestellt, dass das neue Kabinett Kraft dem alten entsprechen wird. Einen Ministerposten gibt es zwar zusätzlich, ansonsten aber hieß es aus der Umgebung der Ministerpräsidentin stets, sie wolle an den bewährten Kräften festhalten. Als Belohnung gewissermaßen, weil es vor zwei Jahren ein Risiko war, in eine Minderheitsregierung zu wechseln, die es absehbar nicht über die volle Distanz der Legislaturperiode schaffen würde. Explizit genannt wurde in diesem Zusammenhang auch der häufig kritisierte Wirtschaftsminister Harry Kurt Voigtsberger. Der heute 61-Jährige hatte 2010 seine Stelle als Direktor der Landschaftsverbandes Rheinland aufgegeben, um Minister zu werden. Das sollte honoriert werden.

"Jüngere sollen Verantwortung übernehmen"

Doch daraus wird nun nichts. Voigtsberger hat dem Kabinett am Dienstag mitgeteilt, aus der Landespolitikpolitik auszuscheiden. "Wenige Tage vor meinem 62. Geburtstag möchte ich aus persönlichen Gründen mein Amt auslaufen lassen. Nun sollen Jüngere die Verantwortung übernehmen", ließ Voigtsberger in einer schriftlichen Erklärung verlauten.

"Hilfe! Unterschriftspartner verloren"

Viele dürfte dieser Schritt überrascht haben. Rainer Schmeltzer zum Beispiel, stellvertretender SPD-Fraktionschef und Partner von Voigtsberger bei den Koalitionsverhandlungen in der Arbeitsgruppe Verkehr, erfuhr erst von WDR.de vom Rückzug des Ministers. Die Grüne Daniela Schneckenburger twitterte perplex: "Hilfe! Unterschriftspartner verloren, Harry Voigtsberger nicht mehr im Kabinett." Der Minister gehörte am Montag (18.06.2012) noch zu den Unterzeichnern des neuen Koalitionsvertrages.

Keine Stellungnahme zu einem Nachfolger

Ob auch Ministerpräsidentin Hannelore Kraft überrascht über Voigtsbergers Entscheidung war, ist unklar. In einer ersten Reaktion sagte sie am Dienstagabend, Voigtsberger habe "in der besonderen Situation einer Minderheitsregierung die schwierige Aufgabe übernommen, ein sehr großes Ministerium zu führen". Das habe er "hervorragend gemeistert". Die Frage, ob ein Nachfolger schon feststehe - immerhin soll am Donnerstag (21.06.2012) das neue Kabinett vereidigt werden - beantwortete Kraft nicht. Der Sprecher des Wirtschaftsministeriums sagte lediglich: "Eine Ära geht zu Ende, jetzt beginnt eine neue."

Aus SPD-Kreisen war zu hören, dass niemand aus der Fraktion den Minister beerben solle, angeblich auch nicht der Fraktionschef Norbert Römer, der die Verhandlungen in der Arbeitsgruppe Wirtschaft geleitet hatte. Römer selbst teilte am Dienstag lediglich mit, er habe die Entscheidung Voigtsbergers "mit Respekt" zur Kenntnis genommen. Der neue Wirtschaftsminister könnte dann nur noch aus der Wirtschaft oder aus der SPD-Bundestagsfraktion kommen, hieß es weiter aus SPD-Kreisen.

Wollte Voigtsberger nicht zur Belastung werden?

Als problematisch gilt, dass das neue Wirtschaftsministerium längst nicht mehr die Machtfülle des alten innehat. Laut Koalitionsvertrag soll das überdimensionierte Ministerium mit den Abteilungen Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr zweigeteilt werden. Und zwar in die Bereiche Wirtschaft und Energie sowie Bauen, Verkehr und Wohnen. Wichtige Teile der Energiepolitik sind aber nach wie vor im grünen Umweltministerium angesiedelt, und zudem hat Ministerpräsidentin Kraft die Energiepolitik zur Chefsache erklärt. Möglicherweise hat Voigtsberger unter diesen Vorzeichen nicht weitermachen wollen.

In der SPD hört man hingegen, der Minister habe sich möglicherweise zurückgezogen, weil er den Eindruck gehabt habe, den schlechten Ruf nicht mehr loszuwerden. Als Wirtschaftsminister wurde ihm vorgeworfen, er habe zu wenige Impulse gesetzt und den Kontakt zu den Unternehmen abreißen lassen. Gut möglich, dass er nicht zur Belastung werden und den geeigneten Zeitpunkt für einen Rückzug nicht verpassen wollte.