Interview mit Katharina Schwabedissen

NRW-Linke will Parteichefin werden

Stand: 23.05.2012, 19:42 Uhr

Als Spitzenkandidatin ist Katharina Schwabedissen mit ihrer Linkspartei aus dem NRW-Landtag geflogen. Jetzt will die 39-Jährige gemeinsam mit Parteivize Katja Kipping für den Bundesvorstand der Linken kandidieren. Eine Wahlverliererin als neuer Hoffnungsträger? Darüber sprach WDR.de mit ihr.

Frau Schwabedissen, warum sollte eine Wahlverliererin Parteivorsitzende werden?

Katharina Schwabedissen: Naja, die Wahlniederlage in NRW war nicht meine persönliche Niederlage. Das hatte mit der politischen Gesamtsituation zu tun. Viele unserer Wähler sind zur SPD gegangen in der irrigen Ansicht, die SPD würde nun wieder soziale Politik machen. Und ein anderer großer Teil ist zu den Piraten gegangen, auch viele Protestwähler. Was wir als Partei versäumt haben, ist, eine gute Öffentlichkeitsarbeit zu machen und sehr klar herauszustellen, welche Dinge wir erreicht haben - zum Beispiel die Möglichkeit, Oberbürgermeister abzuwählen. Wir müssen uns jetzt viel besser vor Ort aufstellen. Wir müssen uns gut verankern in den Vierteln, in den Betrieben. Das steht jetzt an.

Aber als Vorsitzende der Gesamtpartei können Sie diesen Aufbau in NRW nicht mitsteuern, oder?

Schwabedissen: Aber natürlich. Das ist mein Landesverband, den habe ich mit aufgebaut, und natürlich liegt er mir am Herzen. Ich finde es auch wichtig zu bleiben. In NRW wird viel entschieden werden, hier leben viele Menschen.

Bleiben Sie denn Vorsitzende in NRW?

Schwabedissen: Nein. Ich war immer schon gegen Ämterhäufung. Ich habe auch zwei Kinder, für die ich Zeit brauche.

Aber was hat Sie dazu gebracht, ihre Hut für den Parteivorsitz in den Ring zu werfen?

Schwabedissen: Ich habe schon vor zwei Jahren angekündigt, dass ich das letzte Mal als Landessprecherin kandidiere [so nennt die Linkspartei die Parteivorsitzenden, Anm. d. Red.]. Auch, weil ich es wichtig finde, dass es einen Austausch gibt und immer mal andere vorne stehen. Das Zweite, das mich dazu bewogen hat, ist die Gesamtsituation in der Partei. Wir haben uns mit einer ganzen Gruppe von Leuten Gedanken gemacht, wie es weitergehen kann mit den aufeinanderzurasenden Polen in der Partei. Wir haben uns überlegt: Wie kann man einen dritten Weg finden, der eine integrative Lösung anbietet, der alle Flügel in der Partei einbindet und die Widersprüche nicht als unversöhnlich gegeneinandersetzt. So ist die Idee entstanden, gemeinsam mit Katja Kipping zu kandidieren.

Wann ist Idee entstanden?

Schwabedissen: Ach, die Diskussion gab es immer wieder, ist aber in den anderthalb Wochen akut geworden mit der Situation, die wir hatten.

Sie meinen das Gerangel zwischen Oskar Lafontaine und Dietmar Bartsch. Hat der Rückzug Lafontaines eine Rolle gespielt?

Schwabedissen: Nein, die Entscheidung ist schon vorher gefallen.

Sie wären also auch gegen Lafontaine angetreten?

Schwabedissen: Wir wären für einen dritten Weg angetreten. Es geht überhaupt nicht darum zu sagen, wir wollen Oskar oder Dietmar nicht, sondern wir wollen eine Lösung finden, bei der keiner als Verlierer vom Platz geht. Wir wollen das Gesamtprojekt.

Trotzdem gibt es jetzt eine Kampfkandidatur.

Schwabedissen: Nein, das ist ein Angebot an die Partei, keine Kampfkandidatur.

Sie kandidieren als Team mit Frau Kipping. Heißt das, entweder gewinnen Sie beide oder keine?

Schwabedissen: Ich möchte keine Entweder-oder-Politik machen. Wir werben für eine gemeinsame Doppelspitze und haben uns noch keine Gedanken dazu gemacht, wie das wäre, wenn nur eine von uns beiden gewählt wird.

Sie haben gesagt, Ihre Kandidatur sei ein Aufbruch in Richtung einer neuen, anti-autoritären Linken. Wie kann man sich diese neue Linke vorstellen?

Schwabedissen: Es muss breitere Strukturen geben. Der Vereinigungsprozess der Partei ist vor allem von oben gelaufen. Wir wollen, dass dieser Prozess von unten nachgeholt wird. Wir wollen ein Ohr an der Basis haben und hören: Was sind denn nun die wichtigen Dinge, die vorangetrieben werden müssen. Wir wollen eine kollektive Lösung. Die beiden Vorsitzenden sollen nicht allein oben stehen und alle Arbeit und Verantwortung haben.

Klingt ganz so, als wollten Sie das Erfolgsrezept der Piraten kopieren.

Schwabedissen: Für mich ist es immer schon sehr selbstverständlich gewesen, gemeinsam zu Ergebnissen zu kommen. Die Piraten machen Dinge, die wir vorher auch schon gemacht haben. Dieses ganze Thema Liquid Democracy hatten wir in der Programmdebatte auch. Wir müssen nur viel stärker die Ergebnisse davon einbringen.

Sie haben zwei minderjährige Söhne. Die wollten Sie fragen, ob sie einverstanden mit Ihrer Kandidatur sind. Was haben die beiden gesagt?

Schwabedissen: Die haben schon die Sorge, dass wir zu wenig Zeit füreinander haben. Wir haben es aber so besprochen, dass das nicht sein darf. Die Strukturen in der Partei müssen sich so verändern, dass Eltern die Möglichkeit haben, Parteiarbeit zu machen und trotzdem Zeit für ihre Familien zu haben. Für mich heißt das, dass ich aus NRW heraus arbeite. Ich werde nicht fünf Tage die Woche in Berlin sein können.

Das Interview führte Rainer Kellers.