Wahl als Abstimmung über Merkels Kurs
Röttgens Vorstoß verstimmt die CDU-Spitze
Stand: 09.05.2012, 16:18 Uhr
Der Versuch des CDU-Spitzenkandidaten Norbert Röttgen, die Landtagswahl als Abstimmung über den Europakurs von Angela Merkel zu stilisieren, hat für Unmut in der eigenen Partei gesorgt. In einem Interview rudert Röttgen nun zurück.
Von Rainer Kellers
Röttgen hatte am Dienstag (08.05.2012) in Düsseldorf bei einer Pressekonferenz einen inhaltlichen Bogen geschlagen von den Wahlen in Frankreich und Griechenland hin zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Der Sieg der Sozialisten in beiden Ländern sei gefährlich für den Euro-Kurs der Bundeskanzlerin, sagte Röttgen. Europa sei durch die hohe Staatsverschuldung in die Krise geraten, deshalb sei es "Gift", nun noch mehr Schulden für Konjunkturprogramme anzuhäufen.
Der Kanzlerin in den Rücken fallen
In NRW, so Röttgen weiter, gehe es bei der Wahl am Sonntag (13.05.2012) um dieselbe Frage: Mehr Schulden oder Konsolidierungspolitik. Die Wahl bezeichnete der CDU-Kandidat als Kursentscheidung für ganz Deutschland. Verliere die CDU in NRW, gehe die Verschuldung weiter. Und damit, so Röttgen, falle man der Kanzlerin in den Rücken. "Merkel kann in Europa nicht glaubwürdig auftreten, wenn die Verschuldung in NRW weitergeht", konstatierte Röttgen.
Wenige Tage vor dem Urnengang in NRW und bei anhaltend schlechten Umfragewerten für die CDU versucht Röttgen also, die Finanzpolitik noch einmal in den Fokus zu rücken und gleichzeitig von der ungebrochenen Popularität der Kanzlerin zu profitieren. Die Landtagswahl, so kann und soll man Röttgen offenbar interpretieren, sei auch eine Abstimmung über Angela Merkel und ihren Europakurs. Allerdings würde eine Niederlage im Umkehrschluss dann auch eine Niederlage für die Kanzlerin bedeuten.
Ein Versuch, die Schuld auf mehrere Schultern zu verteilen?
Fototermin mit "Kompetenzteam"
Gefragt, ob diese inhaltliche Verknüpfung mit der Bundes-CDU abgesprochen sei, antwortet Röttgen: Ja, er habe es mit dem Präsidium in Berlin "abgesprochen". In Berlin allerdings scheint man davon nichts zu wissen. Mehrere Zeitungen berichten am Mittwoch (09.05.2012) über Unmut in der Parteispitze. Röttgen habe in der Präsidiumssitzung nichts davon gesagt, dass er die Wahl zur Abstimmung über Merkels Kurs machen wolle, zitiert Spiegel-Online Stimmen aus der CDU-Zentrale. Laut "Süddeutscher Zeitung" wird Röttgens Vorstoß in Berlin als Versuch gewertet, die Schuld für die sich abzeichnende Niederlage auf mehrere Schultern zu verteilen. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte der "Rheinischen Post", die Wahl in Düsseldorf sei eine Richtungsentscheidung für NRW - nicht mehr und nicht weniger.
"Ein bisschen falsch interpretiert"
Angesichts dieses Gegenwindes rudert Röttgen einen Tag später zurück. In einem Interview mit der "Welt" sagt der CDU-Mann: "Am Sonntag steht nicht der Kurs von Angela Merkel in Europa zur Abstimmung, sondern der Schuldenkurs von Frau Kraft in Nordrhein-Westfalen." Allerdings habe dieser Kurs Bedeutung über die Landesgrenzen hinweg. Schon am Dienstagabend hatte Röttgen versucht zu relativieren. In einer ZDF-Sendung sagte er, er sei "ein bisschen falsch interpretiert worden." Doch selbst wenn das stimmt: Statt in der Offensive befindet sich Röttgen nun unter Rechtfertigungszwang.