Christian Lindner (FDP)

Lindner beim FDP-Bezirksparteitag

Der 150-Prozent-Mann

Stand: 17.03.2012, 11:01 Uhr

Erstmals seit seiner Ernennung zum Spitzenkandidaten der FDP für die NRW-Landtagswahl hat sich Christian Lindner am Freitagabend (16.03.2012) der Parteibasis vorgestellt. Beim Bezirksparteitag in Mettmann hat er seine Wahlkampf-Themen präsentiert.

Von David Ohrndorf

Ein großes Hallo in Mettmann. Die Düsseldorfer FDP hat zum Bezirksparteitag geladen, und im Foyer des Tagungshotels werden Hände geschüttelt. Begrüßungsfloskeln und Parteianalyse in einem Atemzug: "Persönlich geht's mir sehr gut - was mit der Partei wird, werden wir sehen", so begrüßen sich zwei FDP-Mitglieder.

Hotel in Mettmann

Bezirksparteitag in Mettmann

Die meisten Liberalen, die von einem der rund 30 anwesenden Journalisten nach ihrer Meinung gefragt werden, geben sich leicht bis sehr zuversichtlich: "Umfragen sind nur Umfragen", "Wir haben einen guten Kandidaten!", "Ohne die Liberalen geht es nicht!" In der Schlange vor der Toilette hört man aber im privaten Gespräch auch: "Wir sind ganz unten. So schnell kommen wir nicht wieder."

Zufällig "einen Volltreffer gelandet"

Plakat der FDP NRW Landesverband

Rettet Lindner die FDP?

Höhepunkt des Abends verspricht der Auftritt des Spitzen-Kandidaten zu werden. Christian Lindner hatte schon lange zugesagt, zu diesem Bezirksparteitag zu kommen. Dass er aber als frisch gekürter Kandidat und designierter Retter der NRW-FDP, eventuell gar der Bundes-FDP kommen würde, war bei der Planung noch nicht klar. Der Bezirksvorsitzende Robert Orth freut sich, mit seiner Einladung "einen Volltreffer gelandet" zu haben.

Bezirksvorsitzender: "Piraten sind Verbrecher"

Der Ablauf des Parteitags wird von Lindner diktiert, obwohl er noch gar nicht da ist. Immer wieder geht der Blick der Redner zur Tür. Lindner verspätet sich, und so erklärt der Bezirksvorsitzende Robert Orth erst mal, warum die FDP auch beim Bezirksparteitag 2013 noch im Landtag vertreten sein wird. Bildung, Finanzen, Ladenöffnungszeiten - die Positionen in diesen Feldern sollen die Wähler überzeugen und den Liberalen am 13. Mai 2012 über die Fünf-Prozent-Hürde helfen. Den Piraten spricht der Bezirksvorsitzende - so gar nicht liberal - ihre Daseinsberechtigung ab: "Wer braucht Piraten? Piraten sind Verbrecher!" Es könne gar nicht genug Gefängnis-Ausbrecher in NRW geben, damit die Piraten es tatsächlich in den Düsseldorfer Landtag schaffen könnten.

Lindner erscheint

Christian Lindner (FDP)

Fünf Prozent: So viel muss sein

Dann wird der Parteitag unterbrochen, die Liberalen, die gerade noch etwas im Foyer trinken waren, eilen in den Veranstaltungssaal. Und dann erscheint er. Umringt von Kamerateams betritt Spitzenkandidat Christian Lindner den Raum. Applaus. Stehende Ovationen. Lindner meldet sich "auf der Brücke der FDP zurück", wie er am Rednerpult erklärt.

Lindner: Menschen sind von FDP enttäuscht

Die Lage der FDP sei zurzeit schwierig, die Menschen seien enttäuscht und "vielleicht sogar ein wenig beleidigt", aber die FDP werde auch in Zukunft eine wichtige Rolle für die politische Mitte spielen. Auch, um Rot-Grün in NRW zu verhindern. Die Verschuldungspolitik der Minderheitsregierung sei dieselbe, die Europa in die Krise geführt habe. "Es gibt keine 'guten Schulden'", sagt Lindner.

Er bekommt immer wieder Applaus und beweist, warum er der Spitzenkandidat geworden ist: Er kann gut reden. Zugespitzt und pointiert. Rote und Grüne seien "die letzten Griechen Europas" gewesen. Die Politik der FDP sei nicht vereinbar mit der der Grünen - aller Grünen, auch nicht mit der von Norbert Röttgen. Applaus und Gelächter. Die FDP-Mitglieder hat er begeistert - ob er das auch mit den Wählern schafft? Lindner müsste die FDP von zwei auf mindestens fünf Prozent Zustimmung bringen. Das wäre eine Steigerung um 150 Prozent.

Senf für den Spitzenkandidaten

Christian Lindner bekommt Senf als Geschenk

Gastgeschenk: Senf

Nach 20 Minuten Rede setzt er sich noch für zehn Minuten an den Tisch des Bezirksvorsitzenden, dann muss er weiter. "Noch ein Interview mit dem ZDF." Zum Abschied gibt es wieder Applaus, wieder stehende Ovationen und es gibt ein Geschenk. Düsseldorfer Löwensenf - für einen scharfen Wahlkampf. Lindner bedankt sich artig und kündigt an: "In den nächsten 60 Tagen sehen wir uns noch öfter."

Christian Lindner (FDP)

Linder muss zum nächsten Interview

Danach geht es weiter mit den Pflichten des Kreisverbandes: Wahlen für diverse Pöstchen, die die Partei so zu bieten hat. "Das interessiert doch jetzt eh keinen mehr", kommentieren zwei ältere Parteimitglieder. Eigentlich könne man jetzt nach Hause gehen, mal gucken, was der Christian im Fernsehen sagt - das sei jetzt wichtiger. Die Parteibasis scheint mit ihrem Kandidaten recht zufrieden zu sein, ob Christian Lindner es aber wirklich schafft, die Partei im Landtag zu halten, ist für viele offen. Die Älteren erinnern sich noch an 1980. Damals war die FDP im Mai bei den Landtagswahlen aus dem NRW-Landtag geflogen und hatte dann im Herbst bei der Bundestagswahl mehr als zehn Prozent der Stimmen geholt. "Vielleicht kommt es wieder so", orakelt ein Grüppchen älterer Parteimitglieder, die sich zwischendurch zu einem Bier ins Foyer verzogen haben.