Parteien als Spielfiguren

Farbenspiele nach dem Deutschland-Trend

Welche Koalitionen sind möglich?

Stand: 04.05.2012, 12:46 Uhr

Am Donnerstagabend (03.05.2012) ist mit dem Deutschland-Trend die letzte öffentlich-rechtliche Umfrage vor der Landtagswahl veröffentlicht worden. Danach schaffen es fünf Parteien in den Landtag, auch FDP und Piraten. Welche Koalitionen sind nun denkbar? Ein Planspiel.

Von Rainer Kellers

Nach den Zahlen von Infratest dimap würden es SPD, CDU, Grüne, FDP und Piraten in den Landtag schaffen. Die Linkspartei bliebe draußen. Das Meinungsforschungsinstitut gibt die Fehlertoleranz der Erhebung mit 1,4 bis 3,1 Prozent an - je höher der Stimmanteil, desto höher die Fehlerwahrscheinlichkeit. Es ist deshalb gut möglich, dass die Zahlen am Wahltag anders aussehen. Natürlich ist auch nie ausgeschlossen, dass es in der letzten Woche vor der Wahl noch einmal zu Verschiebungen in der Wählergunst kommt. 34 Prozent der Befragten haben angegeben, noch unentschieden zu sein. Wenn aber die Wahl am Sonntag (13.05.2012) so ausgeht, wie prognostiziert: Wer kann sich dann mit wem zusammentun?

Rot-Grün

Rot, Grün, Koalition

Rot-Grün: Momentan die wahrscheinlichste Variante

Die Wunschkoalition von SPD und Grünen ist nach den vorliegenden Zahlen möglich. Gemeinsam kommen sie auf 49,5 Prozent - das reicht für eine Mehrheit. Sollte das Ergebnis am übernächsten Sonntag ähnlich ausfallen, dürfte es kaum Zweifel über die Farbe der neuen Regierung geben. Siegessicher kann Rot-Grün allerdings nicht sein, dafür ist der Vorsprung zu knapp. Und das liegt vor allem an den Grünen, die in den Umfragen seit ihrem Höhepunkt im März 2011 deutlich an Rückhalt verloren haben. Aktuell liegen sie bei 11 Prozent, ein etwas schlechterer Wert als 2010.

Rot-Grüne Minderheitsregierung

Theoretisch ist es möglich, dass SPD und Grüne noch einmal eine Minderheitsregierung versuchen. Allerdings hat insbesondere Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) mehrfach betont, dass die nächste Regierung eine sichere Mehrheit haben müsse. In der Wahlarena hat Kraft das zuletzt noch einmal wiederholt. Es ist kaum vorstellbar, dass sie gegen ihre Überzeugung handelt und noch einmal das Risiko eingeht, bei jeder wichtigen Abstimmung erpressbar zu sein.

Große Koalition

Rot, Schwarz, Koalition

Große Koalition: Alternative zu Rot-Grün

Sollte es entgegen dem Deutschland-Trend nicht für ein rot-grünes Bündnis reichen, ist die Große Koalition die wahrscheinlichste Alternative. Für die CDU ist sie vermutlich die einzige Möglichkeit, in die Regierung zu kommen. Die Führung läge nach den vorliegenden Zahlen bei der SPD. Ob bei dieser Konstellation Norbert Röttgen als Vize von Hannelore Kraft zur Verfügung stünde, ist fraglich. Bis heute hat er nicht gesagt, ob er auch bei einer Niederlage in Düsseldorf bleibt.

Trotzdem ist die Koalition von SPD und CDU durchaus denkbar. Nach der Wahl 2010 ist die Große Koalition vor allem an den unterschiedlichen Vorstellungen zur Schulpolitik und an der Person des damaligen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers gescheitert. Beide Streitpunkte sind ausgeräumt. Die gute Zusammenarbeit beim Schulkonsens wird von beiden Seiten immer wieder betont. Und auch bei anderen Gesetzesvorhaben in der zurückliegenden Legislaturperiode hat die CDU die Einladung der Minderheitsregierung zum Mitgestalten angenommen. Warum also nicht eine engere Zusammenarbeit in einer gemeinsamen Regierung? Zumal auch Röttgen im Wahlkampf die Parole ausgegeben hat, nicht alle Entscheidungen von Rot-Grün zurückdrehen zu wollen. Das beitragsfreie Studium will die CDU ebenso beibehalten wie das kostenlose dritte Kindergartenjahr. Als großer Streitpunkt bleibt dann nur die Haushaltspolitik.

Ampelkoalition

Rot, Gelb, Grün, Ampel Koalition

Ampel: Rechnerisch möglich, aber wenig wahrscheinlich

Wenn die Zahlen für Rot-Grün noch einmal einbrechen, wäre auch die Ampel rechnerisch eine Alternative. Schon in den vergangenen zwei Jahren liebäugelten so manche in der Regierung und auch in der FDP mit dieser Option. Als die FDP den Stärkungspakt Stadtfinanzen mit durchs Parlament brachte, haben das viele als Zeichen der Annäherung gesehen. Und eigentlich waren sich FDP und Regierungsfraktionen auch beim Haushalt 2012 schon fast einig über eine Tolerierung per Enthaltung. Dann kam es aber doch anders. Mittlerweile verkauft die FDP ihre Ablehnung der Haushaltseinzelpläne als Prinzipientreue. Und auch die Spekulationen über eine Ampel sind weitgehend verstummt.

Das hat vor allem zwei Gründe. Erstens lagen die Positionen der drei Parteien in vielen Bereichen immer schon weit auseinander. Die punktuelle Zusammenarbeit in der letzten Legislaturperiode war vor allem deshalb möglich, weil die FDP wegen unterirdischer Umfragewerte keine Neuwahl riskieren wollte (beim Haushalt hat sie sich dann verzockt). Im Wahlkampf hat Christian Lindner erfolgreich die Unterschiede zu Rot-Grün herausgestellt. Nach wie vor kämpft er gegen die angebliche Benachteiligung der Gymnasien durch die Schulreform, gegen die Abschaffung der Studiengebühren und das kostenlose Kitajahr. In der Haushalts- und Sozialpolitik, aber auch in der Energie- und Wirtschaftspolitik liegen Welten zwischen FDP und Rot-Grün. Der zweite Grund aber ist womöglich noch wichtiger: die über viele Jahre kultivierte Abneigung zwischen FDP und Grünen. Es bedürfte schon eines gewaltigen Sprungs beider Seiten, um diese Kluft zu überwinden. Kategorisch ausgeschlossen hat keine der drei Parteien die Ampel. Käme sie, wäre es aber eine Riesenüberraschung.

Piraten-Koalitionen

Rot, Grün, Orange, Koalition

Rot-Grün mit Piraten: Von beiden Seiten nicht gewollt

Die Piraten werden im kommenden Landtag eine wichtige Rolle spielen, auch wenn sie im Deutschland-Trend nur noch bei 7,5 Prozent liegen. Rechnerisch sind eine orangefarbene Ampel ("Paprikaampel") und ein Dreierbündnis mit CDU, FDP und Piraten möglich. Allerdings haben alle Seiten, auch die Piraten selbst, erklärt, ein Regierungsbündnis mit Piratenbeteiligung sei schwer vorstellbar. Hannelore Kraft beispielsweise hat in der Wahlarena gesagt, dass sie schwerlich mit einer Partei koalieren könne, die in vielen Politikbereichen noch keine konkrete Meinung habe.

Die Piraten selbst sind nach eigener Aussage nicht an einer Koalition im klassischen Sinn interessiert. "Koalition 1.0", nennt Spitzenkandidat Joachim Paul das. Ihm und seiner Partei schweben inhaltliche Koalitionen vor. Wer einen guten Vorschlag mache, könne mit der Unterstützung der Piraten rechnen. Blockdenken oder Koalitionszwang lehnen die Polit-Neulinge ab. Für eine Regierungsbeteiligung fühlen sich die Piraten noch nicht reif genug. Man müsse zuerst lernen und wolle nicht über den Tisch gezogen werden, hat Paul gesagt. Eine "Piraten-Koalition" wird es also aller Voraussicht nach nicht geben.

Schwarz-Grün oder Jamaika-Koalition

Schwarz, Grün, Koalition

Schwarz-Grün: Keine Mehrheit

Norbert Röttgen gilt als einer, der gut mit Grünen kann. Prinzipiell ist es also vorstellbar, dass sich CDU und Grüne in NRW zusammentun. Nur: Es fehlt die Mehrheit. Gemeinsam kämen die beiden Parteien derzeit nur auf 41 Prozent. Selbst mit der FDP als drittem Partner in einer Jamaika-Koalition würde es nach den Zahlen des Deutschland-Trends nicht reichen. Ohnehin ist Jamaika aus ähnlichen Gründen wie die Ampel mehr als unwahrscheinlich. Für das klassische bürgerliche schwarz-gelbe Bündnis fehlt die Mehrheit in jedem Fall.

Rot-Rot-Grün

Rot, Rot, Grün, Koalition

Rot-Rot-Grün: Nur möglich, wenn Linke in den Landtag kommen

Der Deutschland-Trend sieht die Linken nicht mehr im Landtag. Allerdings haben sie einen Prozentpunkt auf 4 zulegen können. Und die Linken selbst hoffen, dass sie schlechter eingeschätzt werden, als sie in Wahrheit sind. Sollten sie doch in den Landtag kommen, könnte es sein, dass es nicht für Rot-Grün reicht. In diesem Fall wären die Linken eine Option für ein stabiles Regierungsbündnis. Wahrscheinlich ist es aber nicht, dass Linke und Rot-Grüne zusammenfinden. Beide Seiten müssten zu viele Kröten schlucken. Linken-Spitzenkandidatin Katharina Schwabedissen hat zwar gesagt, sie können sich Rot-Rot-Grün gut vorstellen. Aber dass Ministerpräsidentin Kraft, die ihren Ruf als "Schuldenkönigin" loswerden will, ausgerechnet mit den Linken koaliert, die gegen die Schuldenbremse sind, ist mehr als unwahrscheinlich.