Kindergartenjahr

Das plant Rot-Grün - Teil 2

Noch ein Kita-Jahr für lau

Stand: 14.06.2012, 00:01 Uhr

Das letzte Kita-Jahr in NRW ist bereits beitragsfrei, weitere sollen folgen. Doch in greifbarer Nähe ist die Beitragsfreiheit noch lange nicht. Die Umsetzung hängt vom Geld ab, und das ist bekanntlich knapp.

Von Sabine Tenta

Der Plan

Im Koalitionsvertrag von Rot-Grün wird als Ziel formuliert: "Bildung darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein. Wir werden schrittweise die Elternbeitragsfreiheit in den Kindertageseinrichtungen einführen." Es ist eine allgemeine Formulierung, die sich auf keinen bestimmten Zeitpunkt festlegt. So bleibt also offen, wann ein weiteres beitragsfreies Kita-Jahr eingeführt oder gar die gesamte Betreuung in Kindertageseinrichtungen kostenlos wird. Auch der Fraktionssprecher der SPD, Ralf Kapschack, bleibt auf Nachfrage vage: "Ich halte es für wahrscheinlich, dass es innerhalb der nächsten fünf Jahre zu weiteren Schritten kommen wird."

Die schrittweise Abschaffung der Kita-Gebühren war bereits in der letzten Legislaturperiode von Rot-Grün als Ziel formuliert worden. Am 01.08.2011 trat das geänderte Kinderbildungsgesetz (KiBiz) in Kraft. Damit wurde das letzte Kita-Jahr vor der Einschulung beitragsfrei, und zwar für alle Eltern, unabhängig von ihrem Einkommen. Das kostet das Land nach Angaben des Familienministeriums rund 150 Millionen Euro pro Jahr.

Weitere Punkte zur Kinderbetreuung sind im Koalitionsvertrag vereinbart, die finanziert werden müssen. Dazu gehört "der quantitative und qualitative Ausbau von frühkindlichen Betreuungsplätzen", eine bessere Personalausstattung in den Kitas, Aus- und Weiterbildung des Personals, ein verstärkter Einsatz von Fachkräften mit Hochschulabschluss und Förderung der Inklusion in den Kindertagesstätten.

Die Analyse

Ein beitragsfreies Kita-Jahr ist keine rot-grüne Erfindung. In weiteren Bundesländern, wie zum Beispiel Niedersachsen, Hamburg, Berlin, Hessen, Saarland oder Sachsen gibt es beitragsfreie Kita-Jahre in unterschiedlichem Umfang. Umstritten ist, wie sinnvoll eine allgemeine Beitragsfreiheit unabhängig vom Einkommen der Eltern ist. Von diesem "Gießkannenprinzip" profitieren, ähnlich wie beim Kindergeld, auch diejenigen, die viel Geld haben. Hinzu kommt, dass einkommensschwache Eltern bereits in vielen NRW-Kommunen ohnehin keine Beiträge zahlen. Martin Künstler vom Sozialverband "Der Paritätische NRW" sagt, dass grundsätzlich alle Formen der Bildung beitragsfrei sein sollen. Doch angesichts der aktuellen Lage gebe es andere Prioritäten. Wichtig sei, zunächst, in die Infrastruktur zu investieren: "Wir brauchen einen U3-Ausbau, eine Beseitigung des Fachkräftemangels und eine bessere Bezahlung des Personals." Darum sei es für eine Übergangszeit sinnvoller, den Kita-Beitrag einkommensabhängig zu staffeln. Und zwar über eine landesweit gültige Tabelle. Zurzeit legt jede Kommune die Beiträge oder eine weitergehende Beitragsfreiheit in Eigenregie fest.

Aus der NRW-CDU heißt es zu einem weiteren beitragsfreien Kita-Jahr lapidar "da gibt es kein Geld für." Noch vor Abschluss des Koalitionsvertrags hatte Armin Laschet, designierter Vorsitzender der NRW-CDU, das Vorhaben in einem Interview als "Geldverschwendung" bezeichnet. Und Marcel Hafke, familienpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, sagt, der Ausbau der U3-Plätze und eine Qualitätsverbesserung der Kitas habe oberste Priorität: "Die verfügbaren Mittel müssen in Angebot und Qualität investiert werden – davon profitieren alle Kinder." Die Piraten hingegen würden einem entsprechenden Gesetz im Landtag zustimmen, wie ihr Sprecher Daniel Düngel sagte: "Da gehen wir mit in eine Richtung."

Die Umsetzung

In der vergangenen Legislaturperiode hat die rot-grüne Minderheitsregierung die Änderung des KiBiz, das die Beitragsfreiheit des letzten Kita-Jahres regelt, mit Unterstützung der Linken umgesetzt. Diesmal können SPD und Grüne mit einer eigenen Mehrheit über eine weitere Beitragsfreiheit entscheiden. Diese steht aber, wie alle Punkte im Koalitionsvertrag, unter Finanzierungsvorbehalt: Erst wenn das Geld dafür da sei, werde es auch umgesetzt, heißt es. Und das kann dauern. Zum einen, weil es im Bereich der Bildung weitere kostenintensive Punkte gibt - beispielsweise die geplante schrittweise Verkleinerung der Schulklassen. Zum anderen, weil Rot-Grün bis zum Jahr 2017 strukturell eine Milliarde Euro im Haushalt einsparen will. Ein Ziel, dessen Umsetzung noch nicht konkret umrissen ist und von vielen darüber hinaus als zu knapp kalkuliert angesehen wird. Und angesichts des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz für unter Dreijährige ab 2013 wird der U3-Ausbau wohl Vorrang haben.