Kritik an Zusammenarbeit bei Aufklärung
"Die Kommunikation ist gehemmt"
Stand: 17.06.2008, 06:00 Uhr
Im vergangenen August sind in Duisburg sechs Italiener einem Mafia-Verbrechen zum Opfer gefallen. Jetzt kritisiert der Bund Deutscher Kriminalbeamter die mangelnde Zusammenarbeit der italienischen Polizei bei der Verbrechensaufklärung.
Wilfried Albishausen war jahrelang Leiter des Duisburger Kriminalkommissariats. Als Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter in Nordrhein-Westfalen verfolgt er intensiv die Ermittlungsarbeiten seiner Kollegen vor Ort.
WDR.de: Die Morde von Duisburg sind immer noch nicht gänzlich geklärt, ein Tatverdächtiger ist weiter flüchtig. Was läuft schief, Herr Albishausen?
Wilfried Albishausen: Nicht nur im Fall Duisburg, sondern generell ist die Zusammenarbeit mit Italien, was organisierte Kriminalität angeht, äußerst kompliziert. Die Kommunikation lässt ganz erheblich zu wünschen übrig.
WDR.de: Woran liegt das?
Albishausen: Es gibt mehrere Gründe. Zum einen liegt es wahrscheinlich an der Organisation der italienischen Polizei, die relativ zerfasert ist. Es gibt verschiedene Polizeiorganisationen, die sich mit dem Thema Mafia beschäftigen. Da ist einmal die "Polizia di Stato", die auf ganz Italien ausgerichtet ist. Dann gibt es die "Guardia di Finanza", die Finanzpolizei, die den Bereich der Geldströme überwacht, und letztlich die Carabinieri, die in den Regionen arbeiten und sich sehr intensiv mit Mafiabekämpfung beschäftigen. Man hat den Eindruck, dass diese Polizeien oft nebeneinander her ermitteln, möglicherweise auch mit Eifersüchteleien darauf achten, dass sie von dem Erfolgskuchen genügend abbekommen, und das ist natürlich ein Hemmnis.
Ein weiterer Punkt ist, dass die Informationen aus Italien grundsätzlich über die jeweilige Staatsanwaltschaft laufen. Das ist in Deutschland und in anderen europäischen Ländern etwas anders. Dort gibt es einen Informationsaustausch innerhalb der Polizeien, über Interpol oder Europol. Darüber hinaus beschäftigen sich die Italiener sehr mit Strukturermittlungen. Sie haben immer das Ziel, möglichst viele Mafiamitglieder zu identifizieren und dann auf einen Schlag festzunehmen und haben weniger den Einzelfall im Auge. Deshalb kann es sein, dass man dort sagt: Wenn wir zuviel Informationen nach Deutschland geben, werden unsere Strukturermittlungen gestört. Das sind natürlich alles Dinge, die eine Kommunikation ganz erheblich hemmen.
WDR.de: Woran scheitert es konkret?
Albishausen: Es werden vielfach Ermittlungsersuche an die italienischen Behörden gestellt, über den Bereich der so genannten Rechtshilfe. Oftmals hat man erst nach Monaten eine Reaktion, und manchmal kommt auch gar nichts. Und dann erfahren unsere Ermittler tatsächlich aus den Medien, dass es wieder einmal eine größere Festnahmeaktion in Italien gegeben hat. Es wird dann teilweise sogar gesagt, dass es sich um den Vorsitzenden des Clans handelt, der hier in Duisburg betroffen war oder als möglicher Täterbereich in Frage kam. Sehr unbefriedigend ist es dann schon, wenn man so etwas aus der Presse erfährt.
Eine vernünftige internationale Zusammenarbeit müsste so aussehen, dass Duisburg oder andere ermittelnde Stellen vorab informiert werden. Dann können wir uns auch darauf einstellen. Der eine oder andere flüchtet ja bei solchen Aktionen, manchmal auch nach Deutschland, und deshalb sollte man das schon vorher wissen.
WDR.de: Gibt es diese Schwierigkeiten auch bei der Zusammenarbeit mit anderen Ländern?
Albishausen: Mit anderen europäischen Staaten, ob nun Frankreich, Belgien, England, Dänemark ist der Informationsaustausch einzelfallbezogen sehr gut. Was Italien angeht, beklagen auch andere europäische Länder, insbesondere die neu hinzugekommenen osteuropäischen Staaten, dass die Zusammenarbeit sehr, sehr schleppend ist. Die Mafia ist ja vor allem in den osteuropäischen Raum vorgedrungen, daher ist die Zusammenarbeit für diese Länder ganz besonders wichtig. Auch der Präsident von Europol hat deutlich kritisiert, dass die Zusammenarbeit und der Informationsfluss aus Italien deutlich zu wünschen übrig lässt.
WDR.de: Nach dem Verbrechen von Duisburg ist ja eigens eine deutsch-italienische Task Force eingerichtet worden. Konnte die nicht dazu beitragen, dass die Kooperation reibungsloser verläuft?
Albishausen: Das war schon mal ein erster Schritt, aber leider ist das eingetreten, was wir von Anfang an befürchtet hatten. Die Mitarbeiter dieser Task Force sind nicht sehr nahe an den Ermittlungen. Wir haben immer deutlich gemacht, dass wir europäische Ermittlungskommissionen brauchen, besetzt mit internationalen Kriminalisten. Das wäre der richtige Weg. Dort treffen sich dann Ermittler, die direkt ihre Informationen austauschen und absprechen können, wie man im Einzelfall vorgeht. Eine Gesprächsrunde, die nur dazu dient, die Informationen zu verbessern, bringt letztlich an der Basis sehr, sehr wenig.
WDR.de: Es gab aber in Duisburg doch auch direkte Polizeizusammenarbeit.
Albishausen: Es gibt den kriminalistischen Grundsatz, der besagt, dass alles, was nicht in den ersten fünf Tagen nach der Tat ermittelt werden konnte, nur noch sehr schwer aufzudecken sein wird. Je mehr Zeit ins Land geht, desto schwieriger wird es, eine entsprechende Beweisführung zu machen. Die Täter haben ja auch einen gewissen Vorsprung und können Spuren verwischen. Wir alle wissen ja, dass ein Grundzug der Mafia das Schweigen ist, und es das Prinzip gibt, Zeugen zum Schweigen zu bringen. Insofern wird es immer schwieriger, zu ermitteln.
Das Gespräch führte Nina Giaramita.