Experte zu Organisierter Kriminalität
Bürokratie blockiert Kampf gegen Mafia
Stand: 05.12.2007, 15:35 Uhr
Seit dem sechsfachen Mord in Duisburg hat das Thema Mafia neue Brisanz bekommen. Wie steht es um die Organisierte Kriminalität in Deutschland? Darüber diskutieren deutsche und italienische Experten in Bensberg.
Der Kampf gegen die Mafia sei jahrelang vernachlässigt worden, sagt Bernd Carstensen, Sprecher des Bundes Deutscher Kriminalbeamter. Seine Kritik zielt aber auch auf einen Flickenteppich an Gesetzen im Bereich Gefahrenabwehr.
WDR.de: Angesichts der Mafia-Morde in Duisburg: Ist die deutsche Kriminalpolizei für diese Art Verbrechen richtig aufgestellt?
Bernd Carstensen: Wir müssen uns selbst die Frage stellen, ob wir uns nicht seit den Attentaten im September 2001 sehr intensiv darum gekümmert haben, im Bereich islamistischer Terror zu ermitteln und dabei andere Felder vernachlässigt oder vergessen haben. Dazu gehört durchaus auch die Organisierte Kriminalität, und das betrifft nicht nur die italienische. Dabei gilt es auch zu bedenken, dass wir in der Zwischenzeit weder neues, qualifiziertes Personal noch Technik bekommen haben, um all diese zusätzlichen Aufgaben zu bewältigen.
WDR.de: Es scheint, das Problem Mafia ist nicht wirklich in den Griff zu bekommen. Liegt das auch daran, dass die Behörden unzureichend zusammenarbeiten, national wie international?
Carstensen: Praktisch einen Tag nach der Schießerei in Duisburg standen aus Italien Informationen zur Verfügung, die den Hintergrund der Tat aufhellten und auf mögliche Verdächtige hinwiesen. Ich kann mir vorstellen, dass die italienischen Behörden bereits im Vorfeld über diese Informationen verfügten. Informationen müssten über die Staatengrenze hinaus, aber auch zwischen den Bundesländern wesentlich stärker ausgetauscht werden. Wir merken, dass Dienststellen parallel zu Tätergruppierungen ermitteln und sie untereinander nichts davon wissen. Das muss sich ändern.
WDR.de: Ist Deutschland eher ein Rückzug- oder ein Aktionsraum der Mafia?
Carstensen: Beides. Das Beispiel Duisburg zeigt deutlich, dass Deutschland ein Aktionsraum ist. Andererseits haben wir auch Informationen darüber, dass sich vermehrt seit der Wiedervereinigung Teile der Organisierten Kriminalität nach Deutschland zurückgezogen und hier investiert haben.
WDR.de: Wie real ist die Mafia in Deutschland?
Bernd Carstensen
Carstensen: Sicher gibt es sie hier. Aber eine Organisierte Kriminalität ist dann gut, wenn man sie nicht wahrnimmt. Aus kriminalistischer Sicht ist das ein großes Problem. Da laufen im Hintergrund Geschäfte ab, aber trotzdem ist die Polizei nicht involviert, weil das durchaus auch im legalen Rahmen abläuft. Somit ist es ausgesprochen schwer, Organisierter Kriminalität überhaupt auf die Spur zu kommen.
WDR.de: Stimmt es, dass Bürokratie und Kompetenzgerangel es schwerer als nötig machen, mafiöse Strukturen wirksam zu bekämpfen?
Carstensen: Es ist so. Wir haben beispielsweise im Bereich Gefahrenabwehr 16 unterschiedliche Polizeigesetze, die die Schwellen für einen Eingriff verschieden festlegen. In dem einen Bundesland darf eine Überwachung im Bereich Organisierte Kriminalität nur von einem Richter angeordnet werden, in einem anderen vom Direktor des Kriminalamtes. In dem einen Bundesland darf sie nur für drei Monate angeordnet werden, in einem anderen doppelt so lange. Wir haben es hier mit einem Rechtsflicken-Teppich zu tun, der endlich einmal vereinheitlicht werden sollte.
WDR.de: Wo liegen die künftigen Herausforderungen im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität?
Carstensen: Das Wichtigste ist, alle Mittel zu nutzen, um mehr Informationen über eine Organisation, über Straftaten und Täter zu gewinnen. Das ist die Basis dafür, kriminalistisch erfolgreich ermitteln zu können. Die Organisierte Kriminalität sollte ein Tätigkeitsfeld für Online-Durchsuchungen sein. Gleiches gilt für die Überwachung per Telefon oder Wanzen. Diese Bereiche müssten rechtlich so angepasst werden, dass sie für uns auch einfacher handhabbar sind.
Das Gespräch führte Stefanie Hallberg.