Drei Polizisten stehen vor dem Unglückstunnel der Loveparade

Staatsanwaltschaft Duisburg legt Bericht vor

Neue Vorwürfe gegen die Polizei

Stand: 16.05.2011, 20:36 Uhr

Rund zehn Monate nach der Loveparade-Katastrophe mit 21 Toten und mehr als 500 Verletzten in Duisburg hat die Staatsanwaltschaft bereits 2.500 Zeugen vernommen. Außerdem soll sie neue Hinweise auf Fehler der Polizeiführung erhalten haben.

Die Ermittler seien fast 500 Anzeigen nachgegangen, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Rolf Haferkamp, am Montag (16.05.11). Als Beschuldigte gelten seit Jahresbeginn 16 Menschen. An dieser Zahl habe sich nichts geändert. Über Anklageerhebungen oder Verfahrenseinstellungen in einzelnen Fällen werde erst entschieden, wenn das gesamte Ermittlungsverfahren abgeschlossen ist, erklärte der Sprecher. Ermittelt wird wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung oder fahrlässigen Körperverletzung.

Schichtwechsel in der "heißen Phase"

Unterdessen vermeldete das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", die Staatsanwaltschaft habe der Polizei gravierende Fehler in der Einsatzplanung vorgeworfen. Das Magazin beruft sich auf einen rund 400 Seiten starken Bericht der Staatsanwaltschaft Duisburg vom Januar 2011. Den Ermittlungen zufolge sollen im Zugangsbereich des Partygeländes, wo Zehntausende Besucher durch einen engen Tunnel geführt wurden, lediglich zwei Hundertschaften der Bereitschaftspolizei zur Sicherung eingeplant worden sein, die sich am Nachmittag der Technofeier ablösen mussten. Dieser Schichtwechsel war dem Bericht zufolge notwendig geworden, nachdem das Düsseldorfer Innenministerium wenige Wochen vor der Loveparade per Erlass bestimmt hatte, die Dienstzeit der eingesetzten Beamten auf maximal zwölf Stunden zu begrenzen. Die Beamten hätten einige Zeit gebraucht, bis sie sich an ihrem neuen Einsatzort orientiert hätten.

Die Änderung des Einsatzbefehls hatte angeblich auch polizeiintern für scharfe Kritik gesorgt. Aus Aktenvermerken gehe hervor, dass vor der Loveparade wiederholt vor den Konsequenzen eines Schichtwechsels gewarnt wurde, heißt es in dem "Spiegel"-Bericht. Genau diese Probleme seien später auch eingetreten. Denn schon während des Schichtwechsels sei die Lage im Zugangsbereich eskaliert. Erst mehr als eine Stunde später habe die Polizei den ungebremsten Zulauf in den Tunnel stoppen können, der letztlich zu der tödlichen Massenpanik geführt hatte.

Aktuelle Stunde im Landtag beantragt

Das NRW-Innenministerium erklärte am Sonntag (15.05.11), man werde sich erst dann äußern, wenn die ermittelnde Staatsanwaltschaft ihren endgültigen Bericht vorlegt. Der Landtag wird sich hingegen schon am Donnerstag (19.05.11) mit dem Thema befassen. Die Linke hat eine Aktuelle Stunde zum Thema "Loveparade-Katastrophe endlich aufklären" beantragt. Die Linksfraktion kritisiert, dem Landtag seien wichtige Informationen über das Unglück vorenthalten worden.

Polizeigewerkschaft weist Darstellung zurück

Der Vorsitzende der NRW-Gewerkschaft der Polizei (GdP), Frank Richter, wies die Vorwürfe zurück. Der Schichtwechsel sei nicht ursächlich für die Katastrophe gewesen, so Richter. Nach Informationen der Gewerkschaft seien die neuen Kräfte zum Teil bereits mehr als zwei Stunden im Einsatzraum gewesen, bevor es zu der Massenpanik gekommen sei. Ein Austausch von Polizeikräften sei zudem bei mehr als zwölf Stunden dauernden Veranstaltungen zwingend vorgeschrieben.

Funkstörungen sorgten für Verwirrung

Zudem soll die Polizei den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zufolge größere Kommunikationsprobleme als bislang bekannt gehabt haben. Immer wieder, so erklärten Beamte bei Vernehmungen, seien am Tag der Loveparade ihre Funkgeräte ausgefallen. Auch mit dem Handynetz habe es große Probleme gegeben. Eine Vorrangschaltung für die Polizeihandys habe offensichtlich nicht funktioniert. Richter stellte sich auch in dieser Frage vor seine Kollegen: Es existierten keine Belege für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Problemen beim Funkverkehr und der Tragödie.