OB Sauerland taucht auf

Tag der offenen Tür im Duisburger Rathaus

Stand: 04.10.2010, 08:35 Uhr

Am Tag der offenen Tür im Duisburger Rathaus stellte sich OB Adolf Sauerland am Sonntag (03.10.10) den Bürgern - Angehörigen der Loveparade-Opfer, Kritikern und Unterstützern. Er erhielt Applaus und Vorwürfe gleichermaßen - und wirkte dabei betroffen.

Von Martina Züger

Adolf Sauerland (CDU) entkommt dem Loveparade-Unglück nicht. Als Nelly und Kai sich wenige Meter vor ihm aufbauen, wirkt Sauerland erschüttert. Er wird gerade von einem Fernsehteam interviewt, als er die jungen Menschen in ihren schwarzen T-Shirts erblickt: Aufgedruckt ist das Konterfei von Marina, ihrer Freundin, die zwei Tage nach dem Loveparade-Unglück an den Folgen ihrer Verletzungen starb. "Du lebst in unseren Herzen weiter!" steht auf der anderen Seite. Nelly und Kai stehen stumm wie Soldaten, Sauerland ringt mit der Fassung, muss aber das Interview beenden. Dann reagiert er sofort: "Kommen Sie, kommen Sie mit." Er nimmt Nelly, Kai und eine dritte Mitstreiterin ins Nebenzimmer. Die braune Tür geht zu und erst eine dreiviertel Stunde später wieder auf.

Sauerland dosiert öffentliches Auftreten vorsichtig

Diese Szene steht exemplarisch für Sauerlands Verhalten am Tag der offenen Tür im Duisburger Rathaus. Vier Stunden öffneten das Rathaus und all seine Säle, Emporen, Besprechungszimmer und Büros am Sonntagnachmittag (03.10.10) ihre Türen; Sauerland ist fast die gesamte Zeit anwesend. Das zeigt: Er will sich öffnen und mit Bürgern sprechen. Aber er dosiert sein öffentliches Auftreten vorsichtig. Er nimmt lieber einige Bürger in den Nebenraum, die braune Tür geht zu, niemand weiß, was gesprochen wird. Dann zeigt er sich kurz in seinem Oberbürgermeisterzimmer, es ist die Station fünf im Rundgang durch das historische Rathaus.

Gern redet er über seinen 100-Jahre-alten Schreibtisch, der einst dem früheren Bürgermeister Karl Lehr gehörte: "Sie sehen, er ist ergonomisch gestaltet, er ist halbrund ausgesägt." Damit meint er: Mein Bauch passt perfekt an diesen Schreibtisch. Die Besuchergruppe lacht: Vor allem grau melierte ältere Herrschaften, gern paarweise, sind ins Rathaus gekommen. Ein Herr mit Schiebermütze in der ersten Reihe sagt: "Ich möchte mich für ihre Arbeit bedanken. Sie wurden in der letzten Zeit ja so angefeindet." Applaus und zustimmende Zwischenrufe: Man freut sich, Sauerland zu sehen. Nach langer Zeit der Zurückhaltung taucht der OB langsam wieder auf.

Betroffene wünschen Mahnmal an der Treppe

"Sauerland ist ein Mensch, mit dem man reden kann", sagt die 18-jährige Nelly, als sie wieder aus seinem Nebenzimmer tritt. Sie hat ihn zum ersten Mal persönlich getroffen. "Er hat uns zugehört, unsere Fragen beantwortet, ich muss sagen, ich habe Respekt vor ihm gewonnen." Nelly und ihre Mitstreiter kämpfen nicht, wie so viele der Schwarzen-T-Shirt-Träger, für die Abwahl des Bürgermeisters, sie wünschen sich eine Gedenkstätte an der Treppe, wo die meisten der Loveparade-Opfer an Brustquetschungen starben. "Sauerland hat uns zugesichert, dass es sich darum kümmert", sagt der 31-jährige Kai. Er hofft auf eine Gedenktafel, und dass ein Stück der Treppe als Mahnmal auf dem Gelände stehen bleibt. "Wenn ich an der Treppe stehe, fühle ich mich Marina näher als an ihrem Grab", erklärt Nelly.

Protest vor dem Rathaus: Versteckt sich Sauerland?

Ein harter Kern von rund 25 Sauerland-Gegnern protestiert vor dem Rathaus - obwohl der Abwahlantrag im Rat der Stadt längst gescheitert ist. Unter ihnen Dirk Schades. Auch er geht irgendwann nach oben in die erste Etage, wo hinter der Türnummer 123 das Oberbürgermeisterzimmer liegt. Der kräftige Mann trägt ebenfalls ein schwarzes T-Shirt, nur der Aufdruck ist ein anderer: "Duisburg schämt sich für seinen OB." Für ihn steht fest: "Sauerland versteckt sich - und das am Tag der offenen Tür. Er kann doch mal herunterkommen. Die drei können froh sein, dass sie reingelassen wurden", sagt er und zeigt auf Nelly und Kai. Er will nicht zulassen, dass Sauerland das Unglück aussitzt. "Sauerland muss weg, sonst bleibt der Stillstand in unserer Stadt." Das Rathaus allerdings, das sei wirklich schön.

Sauerland: Ruhe soll in die Stadt einziehen

Der Hass auf Sauerland dauert, zumindest bei einigen, bis heute an. Niemand bedauert das mehr als der Oberbürgermeister selbst. Adolf Sauerland hat den Sakko abgelegt und steht im blütenweißen Hemd im Nebenraum hinter der braunen Tür. Gerade hat er mit einem Duisburger Bürger gesprochen, der sich sofort zu den Widersachern vor der Tür gesellen wollte, um Stimmung für den OB zu machen. Sauerland: "Ich habe zu ihm gesagt, jetzt lassen Sie das mal. Ich will keine Unterschriftensammlungen mehr, auch nicht für mich. Ich möchte, dass endlich Ruhe in die Stadt einzieht." Er hofft, je mehr die Aufklärung voranschreitet, desto mehr werden Hass und Aufregung sich legen.

Sauerland wählt seine Worte vorsichtig, wirkt ernsthaft, jede Lockerheit scheint verschwunden. "Für mich ist es bis heute nicht leicht, darüber zu sprechen", sagt er leise. "Das Ereignis werden die Duisburger nie vergessen, es wird für immer Teil der Stadtgeschichte sein." Er versucht, sich nun wieder mehr auf städtebauliche Projekte zu konzentrieren, für die er in den Jahren vor dem Unglück so beliebt in Duisburg wurde. Der Tag der offenen Tür geht zu Ende. Im Treppenhaus vor dem großen Sitzungssaal reden drei Damen aufgeregt miteinander. "Ich habe ja damals auch gegen ihn unterschrieben", flüstert eine. "Wie ich das bereue!"