Güterbahnhofsgelände in Duisburg während der Loveparade

Erste Ermittlungsergebnisse der Polizei

Bericht des Versagens

Stand: 28.07.2010, 19:44 Uhr

NRW-Innenminister Ralf Jäger sagte am Mittwoch (28.07.10) bei der Vorstellung erster Ermittlungsergebnisse, der Veranstalter Rainer Schaller trage "viel Verantwortung" für die Katastrophe. Dieser reagierte zurückhaltend und verwies auf die laufenden Ermittlungen.

Polizei-Inspekteur Dieter Wehe kann die Tränen nicht zurückhalten, als er in seinem Bericht am Mittwochnachmittag (28.07.10) in der Landespressekonferenz in Düsseldorf darauf eingeht, wie die Opfer des Loveparade-Unglücks ums Leben gekommen sind. Vereinfacht könne man sagen, die Toten seien "in der Menschenmenge" einfach erstickt, erklärt er. Zuvor hatte er detailiert erklärt, an welche Absprachen sich der Loveparade-Veranstalter nicht gehalten hat.

Die Probleme hätten bereits am Vormittag begonnen. Abgesprochen sei gewesen, dass das Gelände um 11 Uhr, eventuell bei großem Andrang auch schon um 10 Uhr geöffnet würde. Stattdessen seien die Schleusen erst um 12.04 Uhr geöffnet worden, weil zuvor noch "Planierarbeiten" nötig gewesen wären. Dadurch habe es gleich zu Beginn der Loveparade einen großen Rückstau an Besuchern gegeben.

Veranstalter hat Polizei zu Hilfe gerufen

NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) machte den Chef der zuständigen Veranstaltungsagentur Lopavent, Rainer Schaller, für die Massenpanik am Samstag verantwortlich. Schaller habe die Vorgaben seines Sicherheitskonzeptes nicht eingehalten, sagte Jäger am Mittwoch in Düsseldorf. Die bei der Loveparade eingesetzten Polizeibeamten seien ursprünglich ausschließlich für den nicht abgesperrten Bereich außerhalb des Festgeländes zuständig gewesen. Erst als die Situation "außer Kontrolle" geraten sei, habe der Veranstalter der Loveparade die Polizei in Duisburg zu Hilfe gerufen.

Polizei-Inspekteur: Zu wenig Ordner

Das Konzept des Loveparade-Veranstalters Lopavent habe vorgesehen, dass mögliche Rückstaus im Eingangsbereich durch ein Schließen der Eingangsschleusen sowie Ordner, die mögliche Menschenmengen im Eingangsbereich weiterführen sollten, verhindert werden. Dies sei "wahrnehmbar nicht erfüllt" worden, sagte Wehe. Um 15.30 Uhr habe der Veranstalter die Polizei um Hilfe gebeten. Es sei eine Ordnerkette gebildet worden, gleichzeitig habe es die Anweisung gegeben, den Zulauf auf das Gelände durch Schließen der Eingangsschleusen zu stoppen. Diese Anweisung sei nicht umgesetzt worden. Um 17.02 Uhr seien die ersten Opfer auf der Eingangsrampe gemeldet worden.

Weiter berichtet Dieter Wehe, die Zahl der Ordner im Eingangs- und Rampenbereich habe "nicht ausgereicht". Außerdem hätten die Ordner zeitweise Zaunelemente entfernt, wodurch sich der Zulauf der Teilnehmer in Richtung der Tunnel "nochmals erheblich erhöhte." Am westlichen Tunneleingang sei die Hälfte der Schleusen zunächst gar nicht von Ordnern besetzt gewesen. Dadurch hätten sich dort bis zu 20.000 Menschen aufgestaut. Die Polizei habe den Veranstalter darauf hinweisen müssen, sagte Wehe. Die Menschen seien vor den Schleusen bereits unruhig und aggressiv geworden.

Innenminister kritisiert Stadt Duisburg

Innenminister Jäger verteidigte den Polizeieinsatz gegen Vorwürfe von Loveparade-Organisator Rainer Schaller. Dieser hatte der Einsatzleitung vorgeworfen, die Anweisung zur Öffnung aller Schleusen gegeben zu haben. Dadurch sei der Hauptstrom der Besucher unkontrolliert in den Tunnel gelangt. Polizei-Inspekteuer Wehe erklärte, der Veranstalter habe entgegen seinen eigenen Anordnung die Zugänge in den Tunnel trotz der Menschenmassen nicht gesperrt. Am westlichen Zugang sei der Zulauf sogar weiter erhöht worde, so dass die Polizei ihre Maßnahmen aufgrund der nachdrängenden Menschenmenge aufgegeben hätte.

Darüber hinaus kritisierte Innenminister Jäger am Mittwoch auch die Stadt Duisburg als zuständige Genehmigungsbehörde. Die Zusammenarbeit zwischen den verantwortlichen Behörden und der Polizei "stelle ich mir anders vor", sagte Jäger.

Schaller: Staatsanwaltschaft muss Vorwürfe prüfen

Loveparade-Chef Rainer Schaller hat auf die Vorwürfe des Innenministeriums am Mittwoch zurückhaltend reagiert. Diese müssten nun sehr genau geprüft werden, teilte er mit. Die Darstellung von Innenminister Ralf Jäger werfe "viele Fragen auf". Inwieweit auch das Verhalten der Polizei die Situation mitverursacht habe, "wird die Staatsanwaltschaft herausfinden", so Schaller. Diese sei im Besitz des vollständigen Videomaterials der sechs Kameras im Tunnel- und Eingangsbereich. Ob das allerdings zur Aufklärung beitragen kann, ist fraglich. Polizei-Inspekteur Dieter Wehe erklärte am Mittwochnachmittag nämlich auch, dass bei den Fluchtversuchen der eingepferchten Besucher Kamerakabel kaputt gegangen seien.

Außerdem kündigte Schaller die Einrichtung eines Hilfsfonds an, um den Angehörigen der Opfer "schnell und unbürokratisch zu helfen".