Güterbahnhofsgelände in Duisburg während der Loveparade

Kampf für die Veranstaltung

Wie die Loveparade nach Duisburg kam

Stand: 26.07.2010, 17:56 Uhr

Nach der Loveparade-Katastrophe steht Adolf Sauerland besonders in der Kritik, der als Bürgermeister das Spektakel in nach Duisburg geholt hat. Eine Chronologie.

Von Nina Magoley

Seit Wochen hatte Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland diesem Ereignis entgegen gefiebert. Zäh hat er in der Diskussion mit Loveparade-Gegnern dafür gekämpft, dass die Veranstaltung, die mittlerweile von Techno-Fans aus der ganzen Welt gefeiert wird, in seine Stadt kommt. Es sollte eine Chance sein für die Ruhrgebietsmetropole, die sonst eher mit traurigen Nachrichten Schlagzeilen macht - 1,6 Milliarden Euro Schulden, hohe Arbeitslosigkeit, zuletzt die Mafia-Morde. Seit 2004 regiert der CDU-Mann die 500.000-Einwohner-Stadt als Oberbürgermeister, noch im vergangenen Jahr wurde er wieder gewählt. Doch statt des erhofften Glanzes kam mit der Loveparade 2010 eine Tragödie über Duisburgs Oberbürgermeister, die seine Karriere möglicherweise abrupt beendet.

06. Juni 2009: Kommt sie oder kommt sie nicht?

"Oberbürgermeister Adolf Sauerland hat gesagt, dass wir das machen und alles daran setzen werden, dass es klappt" - so wird der Beigeordnete Wolfgang Rabe von der Online-Zeitung "Der Westen" zitiert. Wo die Techno-Fans überhaupt feiern könnten, ist allerdings noch nicht klar. Fest steht nach Information des Veranstalters dagegen, dass mit mindestens einer Million Besucher gerechnet werden muss. Die Polizei in Duisburg weist darauf hin, dass ein "entsprechend großer Polizeieinsatz" eingeplant werden müsse.

25. Januar 2010: Sauerland hofft auf Profit

Adolf Sauerland

Adolf Sauerland

In einem WDR-Radiobeitrag der Sendung "Westzeit" sprechen Sauerland und sein Beigeordneter Wolfgang Rabe darüber, was sie sich von der Loveparade neben dem Amüsement für junge Techno-Fans noch versprechen: "Auf der einen Seite wird die Stadt noch bekannter als sie ohnehin schon ist und auf der anderen Seite werden natürlich auch die Gastronomiebetriebe und die Hotellerie und andere Betriebe von der hohen Besucherzahl profitieren können."

09. Februar 2010: Loveparade noch unklar

Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland erklärt, die Loveparade sei ein "sehr wichtiges Event" für seine Stadt. Im Interview mit 1LIVE nennt er sie eine "einmalige Chance für Duisburg, vergleichbar mit der einmaligen Chance, eine Fußballweltmeisterschaft ins Land zu holen". Kritiker halten die Loveparade allerdings für "entbehrlich" und aufgrund befürchteter Alkohol- und Drogenexzesse sogar für "jugendgefährdend".

10. Februar 2010: Stadt wirbt im Internet

Noch ist gar nicht klar, ob die Loveparade in Duisburg steigen wird, da setzt die Stadt ein Werbevideo ins Internet, das Techno-Fans auffordert, Geld für die Realisierung zu spenden. Titel: "Wir brauchen Deine Unterstützung". Peppig aufgemacht und untermalt von Techno-Klängen, wird der Clip in den ersten zwei Tagen 1.000 Mal geklickt.

20. Februar 2010: Loveparade ist gesichert

In einer Sondersitzung beschließt der Rat der Stadt Duisburg, dass die Loveparade 2010 in Duisburg stattfinden soll - allerdings unter der Bedingung, dass es die Stadt nichts kosten darf, denn Duisburg ist mit 1,6 Milliarden Euro verschuldet. Oberbürgermeister Sauerland geht trotzdem davon aus, dass die Finanzierung klappt: "Wir haben uns 2007 dazu bekannt, dass wir sie machen wollen, und wir werden sie jetzt durchziehen", sagt er nach der Sitzung. Man sei mit Sponsoren im Gespräch und gehe davon aus, "dass wir in den nächsten drei, vier Wochen auch die Tinte unter den Verträgen haben, sodass wir endgültig sagen können: alles in trockenen Tüchern."

16. April 2010: Loveparade als "Leuchtturm"

Duisburgs OB Adolf Sauerland, Loveparade-Veranstalter Rainer Schaller, stellv. Polizeipräsident von Duisburg Detlef von Schmeling sowie Ordnungsdezernent und Leiter des Krisenstabs Wolfgang Rabe (r-l) am Sonntag (25.07.10) bei einer Pressekonferenz auf dem Podium.

Veranstalter Schaller (l.) und OB Sauerland

Auch Bezirksregierung Düsseldorf und Innenministerium NRW haben nun grünes Licht gegeben für die Finanzierung des Mega-Spektakels. Die Stadt Duisburg hatte ein Konzept vorgelegt, nach dem sie ihren Eigenanteil von 840.000 Euro komplett auf Sponsoren verteilen kann. Sauerland zeigt sich erleichtert: "Wir freuen uns, dass wir diese Aufgabe gelöst haben und die Party steigen lassen können", zitiert die Online-Zeitung "Der Westen" den Oberbürgermeister. Und: "Ich war mir aber immer sicher, dass wir das schaffen." Der Loveparade-Geschäftsführer Rainer Schaller nennt das Festival "ein Leuchtturm-Event" im Rahmen der Kulturhauptstadt 2010.

17. Juni 2010: "Größte Party der Welt"

Bei einer Werbeveranstaltung für die Loveparade kündigt Sauerland gemeinsam mit den Veranstaltern und Entertainer Oliver Pocher an, "die größte Party der Welt" feiern zu wollen. "Wir werden ein tolles Programm haben und viele, viele Jugendliche in dieser Stadt haben", sagt Sauerland vor der Kamera. Er hoffe, dass die Stadt Duisburg ein gutes Bild abgebe, "damit vielleicht auch das eine oder andere Image, das das Ruhrgebiet und auch die Stadt hat, ein wenig revidiert wird".

24. Juli 2010: Es geht los

Am Mittag steht OB Sauerland im Veranstaltungszentrum der Loveparade. Durch ein Fenster sieht er zufrieden herab auf das sich stetig füllende Gelände am Güterbahnhof. "Im letzten Jahr hat es ja nicht geklappt", sagt er in die WDR Kamera, "und in diesem Jahr waren wir einfach im Zwang, es hinkriegen zu müssen. Sonst wäre wahrscheinlich die Loveparade endgültig gestorben gewesen für das Ruhrgebiet." 16.00 Uhr: Veranstalter Rainer Schaller zeigt sich im WDR-Interview noch optimistisch, die Massen unter Kontrolle halten zu können. Später wird bekannt, dass es angeblich nur eine Genehmigung für 250.000 Besucher auf diesem Gelände gab.

25. Juli 2010: Das Drama und ein schwacher OB

Die Loveparade, mit der Duisburg und sein Oberbürgermeister vor der Weltöffentlichkeit glänzen wollten, ist vorbei. Bilanz: Eine Massenpanik mit 21 Todesopfern und mindestens 652 Verletzten, Sauerland spricht von der "schlimmsten Katastrophe der jüngeren Stadtgeschichte", doch im weiteren Verlauf gerät seine Reaktion zum Desaster. Auf einer ersten Pressekonferenz am Morgen nach der Tragödie äußern sich die Beteiligten der Loveparade. Der Oberbürgermeister erklärt das Unglück mit "wahrscheinlich individuellen Schwächen", weder er noch die Veranstalter geben den Journalisten klare Antworten auf deren Fragen zu den Sicherheitsvorkehrungen der Großveranstaltung, sondern verweisen auf die ausstehenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft.

Als der Oberbürgermeister am Nachmittag den Ort des Geschehens aufsucht, wird er dort von Trauernden beschimpft und mit Müll beworfen. Er sagt: "Ich kann das verstehen."

26. Juli 2010: Sauerland weicht aus

Duisburgs Bürgermeister Adolf Sauerland legt Blumen an der Trauerstelle für die Opfer der Loveparade nieder

Sauerland legt Blumen nieder

Die Diskussion darum, wer die Schuld an der Tragödie trägt, ist bereits in vollem Gange. Im Radiointerview beschreibt Adolf Sauerland, selber Vater von zwei Kindern, seinen Zustand als "zutiefst betroffen und bestürzt". Dem inzwischen geäußerten Vorwurf, Sauerland habe die Loveparade um jeden Preis, auch gegen Sicherheitsbedenken, nach Duisburg holen wollen, begegnet er ausweichend: Die Loveparade sei eine von mehreren Veranstaltungen im Ruhrgebiet gewesen, deren Austragungsort Duisburg sein sollte. "Wir haben alles darum gegeben, ein sicherer Austragungsort zu sein. Dafür haben wir gearbeitet und gekämpft."

Für den 55-Jährigen ist die Katastrophe von Duisburg zugleich der Tiefpunkt seiner fast 30-jährigen kommunalpolitischen Laufbahn. Ob er ihn als Politiker übersteht, ist derzeit eher fraglich, auch wenn Sauerland einen Rücktritt am Montag (26.07.10) weiterhin ablehnte. Die Forderung könne er nachvollziehen, erklärte der OB in einer schriftlichen Stellungnahme. "Doch", schreibt Sauerland, "heute und in den nächsten Tagen muss es darum gehen, die schrecklichen Ereignisse aufzuarbeiten und die vielen Puzzleteile zu einem Gesamtbild zusammenzufügen."