Feuerwehrmann bahnt sich seinen Weg durch umgestürzte Bäume

Erste Bilanz nach dem verheerenden Tief

Millionen in den Wind geschrieben

Stand: 25.01.2007, 06:00 Uhr

Das Orkantief "Kyrill" hat sich längst aufgelöst, der Schreck sitzt aber immer noch tief: In den Wäldern und im Versicherungswesen hat der Sturm Millionenschäden verursacht. Einzelnen hat Kyrill aber auch kräftigen Aufwind beschert.

In den Wäldern hat der Orkan am vergangenen Donnerstag (18.01.2007) ein makabres Mikado-Spiel hinterlassen: 25 Millionen Bäume fällte Kyrill in NRW, zumeist im Sieger- und Sauerland. Nordrhein-Westfalens Wälder haben deutschlandweit die stärksten Sturmschäden zu verzeichnen: Einer ersten Schätzung des Deutschen Forstwirtschaftsrates zufolge 500 Millionen Euro - genauso viel wie in allen anderen Bundesländern zusammen. Sorgen bereiten den Förstern auch die möglichen Folgeschäden: Weil viele junge Bäume umgeknickt wurden, drohen in einigen Jahren große Ernteausfälle. Die Unmengen an Totholz begünstigen eine Borkenkäfer-Plage, der auch noch stehende Bäume zum Opfer fallen könnten. Und schließlich müssen die Wälder wieder aufgeforstet werden, am besten mit Mischwald - aber Laubbäumchen sind teuer.

Großer Flurschaden auch bei den Versicherungen

Noch sind längst nicht alle Sturmschäden bei den Versicherungen gemeldet worden. Die ersten groben Schätzungen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft liegen aber bei einer Milliarde Euro. Unterdessen haben die großen Versicherungskonzerne Extra-Hotlines geschaltet, ihre Telefonzentralen personell aufgestockt und ihren Mitarbeitern Überstunden verordnet, um die Schadensmeldungen so zügig wie möglich zu bearbeiten. Bei Hunderttausenden von bisher gemeldeten Schadensfällen müssen die Versicherungen trotzdem um viel Geduld bitten.

Schäden bei der Bahn noch unabsehbar

"Wir haben noch keinen Überblick, was uns Kyrill gekostet hat und noch kosten wird", sagt Udo Kampschulte, Sprecher der Bahn in NRW. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik wurde die Bahn flächendeckend lahm gelegt. Der Orkan hatte landesweit 30 Lokomotiven und Waggons schwer beschädigt, Gleise blockiert, Oberleitungen heruntergerissen und Masten geknickt. "Unsere Mitarbeiter waren rund um die Uhr im Einsatz, um so schnell wie möglich wieder Züge aufs Gleis zu bringen", so Kampschulte. Trotzdem werde die S-Bahnlinie S 6 zwischen Ratingen und Essen auch in den nächsten Tagen noch nicht fahren.

Zu den direkten Schäden an Bahnen und Anlagen kommen die Kosten für Taxi- und Hotelgutscheine, die die Bahn in der Sturmnacht gleich bündelweise an ihre Kunden ausgegeben hatte. Auch hier ist die Höhe der Auslagen noch unbekannt.

Gewinner der Sturmnacht

"Kyrill war für uns wie Weihnachten, Silvester und Ostern zusammen" bilanziert Dieter Zillmann, Vorsitzender des NRW-Taxiverbands. Alle 16.800 Mietdroschken im Land waren bis tief in die Nacht hinein im Einsatz, zumeist für Langstreckenfahrten, um Pendler nach Hause zu bringen. Die Fahrer verlängerten ihre Schichten. "Unsere Leute haben endlich mal wieder Geld verdient", so Zillmann. Wie viel, könne er nicht sagen.

Großen Andrang und Sonderbelegungen meldeten auch die Hotels in den Innenstädten. Vor allem gestrandete Bahnkunden seien für jedes Notbett dankbar gewesen, so der Hotel- und Gaststättenverband NRW. Trotzdem: Für die Hotels sei das Sturmgeschäft eine Eintagsfliege gewesen.

Länger im Aufwind: Das Bauhandwerk

Für uns war der Tag nach Kyrill der eigentliche Katastrophentag", berichtet Norbert Breidenbach vom Dachdeckerverband in Westfalen. "In einzelnen Betrieben gingen am vergangenen Freitag (19.01.2007) bis zu 500 Notfälle ein". Die Dachdecker haben auch am darauf folgenden Wochenende durchgearbeitet, um Dächer provisorisch zu dichten und lockere Dachpfannen wieder zu befestigen.

In der Woche nach dem Sturm sind die Bauhandwerker vor allem mit der Begutachtung von Schäden beschäftigt: Die Hausbesitzer brauchen Kostenvoranschläge für die Versicherungen. Die eigentlichen Reparaturen an Dächern, Dachrinnen, Mauern, Fenstern, Carports und Zäunen wird die Handwerker bis in den Sommer hinein auf Trab halten - und ihre Arbeitsplätze sichern. "In den nächsten Monaten wird jede Hand gebraucht", bestätigt auch Reiner Nolten vom Westdeutschen Handwerkskammertag.

Ansturm auf Baumärkte

Wer nicht solange warten will, greift lieber selbst zu Hammer und Säge. Die Baumärkte melden ein Umsatzplus bis zu 50 Prozent bei Kreissägen, Pumpen und Baubedarf. Vor allem Dämm-Material, Dichtungsplanen, Dachpappe, Bauholz und Zäune seien stark nachgefragt, berichtet Stefan Michell, Sprecher des Bundesverbands deutscher Heimwerker-, Bau- und Gartenfachmärkte. Noch gebe es aber keine Engpässe bei den Lieferanten.

Ein Trost: Sturmschäden sind steuerlich absetzbar

Größere Schäden an Privathäusern, die nicht von der Versicherung übernommen werden, können bei der Steuererklärung 2007 als außergewöhnliche Belastung angegeben werden. Um die Schadenshöhe mindert sich dann das zu versteuernde Einkommen. Darauf macht der Bund der Steuerzahler aufmerksam. Was das Finanzamt allerdings als außergewöhnliche Belastung anerkennt, hängt vom Verdienst und der Zahl der Kinder ab. Und auch kleinere Handwerkerrechnungen sollten bei der Steuer mit abgegeben werden: Der Fiskus verrechnet 20 Prozent der Arbeitsleistungen und Materialkosten direkt mit der Steuerschuld. Allerdings nur bis zu 600 Euro pro Jahr und Haushalt.