Urteil des Verfassungsgerichtshofs in Münster
Land muss Kita-Ausbau bezahlen
Stand: 12.10.2010, 15:05 Uhr
Städte und Landkreise in NRW müssen für zusätzliche Kosten bei der Kinderbetreuung einen Ausgleich vom Land erhalten. Das hat der Verfassungsgerichtshof Münster am Dienstag (12.10.10) entschieden.
Wer soll das bezahlen? So lautete die Kernfrage beim gesetzlich vorgeschriebenen Ausbau der Kinderbetreuung. Bislang war die Position der Landesregierung, dass die Kommunen die Mehrbelastung alleine stemmen müssen. Dagegen hatten 19 nordrhein-westfälische Städte und Kreise - darunter Bielefeld, Bochum, Düsseldorf, Köln und Wuppertal - Verfassungsbeschwerde beim Verfassungsgerichtshof NRW in Münster eingelegt. Am Dienstag (12.10.10) gaben die Verfassungsrichter den Kommunen Recht. Grundlage des Urteils ist das Konnexitätsprinzip, das vereinfacht mit "wer bestellt, bezahlt" übersetzt werden kann. Es verpflichtet das Land, zusätzliche Belastungen der Kommunen auszugleichen, wenn es ihnen neue Aufgaben überträgt. Dieses Prinzip ist aber nach Ansicht des Gerichts nicht eingehalten worden. Das Land habe den Kommunen mit der Pflicht zur Kinderbetreuung "wesentliche finanzielle Belastungen" aufgebürdet, befanden die Richter.
Genaue Belastung für die Landeskasse noch unklar
Konkrete Auswirkungen wird das Urteil zunächst auf die zuständigen Ministerien in Düsseldorf haben. NRW-Familienministerin Ute Schäfer kündigte an, das "erforderliche Beteiligungsverfahren mit den kommunalen Spitzenverbänden" einzuleiten. Der Zorn der Kommunen sei berechtigt, so Schäfer. Die rot-grüne Minderheitsregierung müsse nun für die Versäumnisse der Vorgängerregierung geradestehen. Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) sagte, schwarz-gelb habe zuwenig Mittel im Haushalt für die Kommunen bereitgestellt. Grünen-Landeschef Sven Lehmann forderte CDU und FDP auf, nun dem Nachtragshaushalt von SPD und Grünen zuzustimmen. Damit würden die dringend benötigten zusätzlichen 150 Millionen Euro für den Ausbau von Kita-Plätzen für unter Dreijährige bereit gestellt. Berechnungen, die nun Makulatur sind. Wie hoch die tatsächlichen Belastungen für die Landeskasse nach dem Urteil sind, muss noch geklärt werden.
Reaktionen auf das Urteil
Die Belastungen der Städte sind je nach Größe unterschiedlich. In Köln errechnete Bildungsdezernentin Agnes Klein einen Anspruch gegen das Land in Höhe von 77 Millionen Euro. In Bielefeld hat das Jugendamt bis 2013 Ausgaben von 16,7 Millionen Euro eingeplant und in Bonn will die Stadt etwa 30 Millionen Euro in den Ausbau der Kita-Plätze stecken.
Der Dezernatsleiter Recht und Verfassung des nordrhein-westfälischen Städtetags, Manfred Wienand, wagt eine grobe Schätzung: Etwa zwei Milliarden Euro müsste das Land demnach an die Kommunen zahlen. Für den Städtetag hat das Urteil "Signalwirkung auch für andere Bundesländer", so Wienand. Die Länder müssten sich in Zukunft genau überlegen, was sie mit dem Bund vereinbarten. Jetzt wird zunächst einmal das Land Nordrhein-Westfalen prüfen, ob das Urteil nicht auch Anhaltspunkte liefert, um auch den Bund noch stärker in die Finanzierungspflicht zu nehmen.
Der Hintergrund des Rechtsstreits
Das Kinderförderungsgesetz des Bundes, das Anfang 2009 in Kraft getreten ist, sieht den Ausbau der Betreuungsangebote für "U3-Jährige" und ab August 2013 einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für alle Kinder vom vollendeten ersten bis zum vollendeten dritten Lebensjahr vor. Das Land Nordrhein-Westfalen hat schon 2008 in einem neuen Gesetz die Kreise und kreisfreien Städte für die Kita zuständig erklärt. Die NRW-Städte und -Gemeinden beklagen, dass sie dadurch zwar mit hohen Kosten und zusätzlichen Aufgaben belastet würden, das Land aber keine Regelung für einen Belastungsausgleich getroffen habe.