Thyssen-Krupp-Werk in Duisburg

Kurzarbeit bei Thyssen-Krupp

Stahl macht halblang

Stand: 01.02.2009, 13:45 Uhr

Seit Montag (01.02.2009) wird auch bei Thyssen-Krupp Kurzarbeit gefahren. Die 10.000 Mitarbeiter am Standort Duisburg schwanken zwischen Hoffnung auf einen Konjunkturfrühling und der Angst vor einer neuen Stahlkrise.

Von Christoph Schurian

Thyssen-Betriebsrat Bernd Kruse hat kein gutes Gefühl. "Ich glaube, das wird alles noch viel schlimmer", sagt der Mittfünfziger. Sein Bauch sage ihm das - nach Jahrzehnten in der Stahlindustrie. Auch die Thyssen-Krupp-Chefetage äußere sich doch sehr skeptisch, sagt Kruse. Die Bosse rechneten auch mit einer langen Flaute.

Kurzarbeit bis April?

Im Betriebsratsgebäude am Tor 1 des Thyssen-Krupp-Stahlwerks in Duisburg-Bruckhausen herrscht Hochbetrieb. Vertrauensleute begrüßen sich, ziehen sich zu Beratungen zurück. Der Februar begann mit trüben Aussichten. Seit dem 01.02.2009 fährt auch der Stahlkonzern Kurzarbeit. Was im Januar nur ein paar hundert Mitarbeiter betraf, ist jetzt Realität für mehr als 10.000 Mitarbeiter: "Ich erwarte Kurzarbeit noch bis weit über den März hinaus", sagt Kruse.

40 Euro weniger pro Schicht

Markus Jantschke ist weniger pessimistisch als sein Betriebsratsvorsitzender. "Nach zwei Monaten wird das wieder anders, dann wird wieder eine leichte Höhe in die Absatzkurve kommen", meint der Umformtechniker. Jantschke arbeitet in der Vollverzinkung. "Die Lage in der Stahlbranche ist immer schwankend", so der 36-jährige. Jantschke hat zwei Kinder. Vor sechs Jahren hat er sich in Walsum ein Haus gekauft. In der Geldbörse wird sich die Kurzarbeit schon bemerkbar machen: "Da fehlen dir 40, 50 Euro pro Schicht!"

Der Ofen muss brennen

Jantschke hat bei Thyssen-Krupp gelernt. 1989 ist er übernommen worden. "Ich bin immer schon hier", sagt er lachend: "Ich arbeite Voll-Konti" - also im Wechselschichtbetrieb. Nach je zweimal Früh-, Mittags- und Nachtschicht habe er vier Tage frei. Auch am Abend muss er ran - trotz Kurzarbeit. "Ich habe Ofenwache", erklärt er. Auch im Sparmodus müssten die Anlagen ja kontrolliert werden. Dass sei die Crux der Stahlindustrie - auch bei Auftragsbaisse würden die Öfen weiter laufen. Wenn die Wände auskühlen, zieht das teure Schäden am Mauerwerk nach sich.

Fünf Kurzarbeitstage pro Monat

Kurzarbeit ist nicht neu für Stahlarbeiter. Betriebsrat Kruse erinnert sich an die letzte Kurzarbeitsperiode 2001: "Damals haben wir das kaum gemerkt", sagt er. Pro Schicht habe man 20 Mark verloren. Heute würden andere Gesetze gelten. Kurzarbeit schlage stärker ins Kontor, aber die Arbeiter bei Thyssen-Krupp seien abgesichert: "Laut Betriebsvereinbarung dürfen der Belegschaft im Monat nur fünf Kurzarbeitsschichten zugemutet werden". Die Mitarbeiter würden deshalb nur zehn Prozent der Normalbezüge einbüßen.

Sorgen um Tarifvertrag

Doch um die Betriebsvereinbarungen macht sich der Gewerkschafter Kruse große Sorgen. "Der laufende Tarifvertrag trägt den Namen Zukunft, wir haben für Neueinstellungen und Altersteilzeit auf Geld verzichtet." Doch die Arbeitgeber könnten die Vereinbarungen in der Wirtschaftskrise einseitig kündigen, befürchtet Kruse. Und im März beginne eine neue Tarifrunde. Kruse: "Bis dahin wird sich die wirtschaftliche Lage wohl kaum aufhellen, das wird eine ganz spannende Runde". Markus Jantschke sieht den anstehenden Verhandlungspoker zwischen den Tarifparteien hingegen optimistischer: "Das ist so im Stahl, vor den Verhandlungen ist die Konjunktur im Keller, und danach holen sie die dicken Aufträge aus der Schublade".