Stahlarbeiter in Schutzkleidung an Hochofen

Personal über die Krise retten

Kurzarbeit als Gewinn

Stand: 06.01.2009, 02:00 Uhr

Wenn am Mittwoch (07.01.2009) die Prognose für den Arbeitsmarkt veröffentlicht wird, geht es vor allem um ein Thema: Kurzarbeit. Viele Arbeitgeber versuchen, ihr Personal damit über die Krise zu retten - mit durchaus kreativen Ideen.

Von Nina Magoley

Wenn in diesen Tagen manch ein Arbeitnehmer nicht zum Arbeitsplatz zurückkehrt, sondern verlängerte Weihnachtsferien "feiert", dann hat das in den meisten Fällen wenig mit Urlaubslaune zu tun. Die Wirtschaftskrise fordert ihre ersten Opfer. Zwangsurlaub, Kurzarbeit oder Abfeiern der Arbeitszeitkonten - viele Betriebe müssen reagieren. "Am härtesten hat es bisher die Autoindustrie getroffen", sagt Wolfgang Nettelstroth von der IG Metall NRW. Nach einer Umfrage der IG Metall haben 63 Prozent aller Autozuliefererbetriebe bereits Kurzarbeit angemeldet. Auch in der Stahlproduktion sei Kurzarbeit angesagt. Seit September steige die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer beständig, vermeldet das Landesarbeitsamt NRW. Doch das sei zunächst kein Grund zur Panik: "Kurzarbeit ist ein solides, probates Mittel, um Krisen zu überstehen", sagt Nettelstroth, "und für die Beschäftigten verträglich, wenn es nicht die gesamte Arbeitszeit betrifft". Ein Tag Kurzarbeit in der Woche sei für viele noch zu verschmerzen - und immerhin besser, als den Job ganz zu verlieren.

Qualifizierung statt Kündigung

Umgekehrt sei es auch für die Unternehmen sehr wichtig, ihr Stammpersonal über die Krise retten zu können. "Wenn ein Unternehmen die qualifizierten Mitarbeiter verliert und nach der Krise erst wieder nach ihnen suchen muss, wirkt das wie eine Bremse für den nächsten Aufschwung." Und weil qualifizierte Arbeitskräfte schon vor der Finanzkrise Mangelware auf dem deutschen Arbeitsmarkt waren, will man nun mancherorts die Krise nutzen, um sich für den nächsten Aufschwung zu rüsten: So hat die IG Metall zusammen mit der Zeitarbeitsfirma Adecco und der Arbeitsagentur in Köln ein Projekt auf die Beine gestellt, mit dem Arbeitsplätze erhalten werde sollen. Statt zu kündigen, bietet die Zeitarbeitsfirma einigen Angestellten Qualifizierungskurse in Kombination mit Kurzarbeit an.

"Das geht dann über drei bis vier Monate", erklärt Arbeitsamtssprecher Wolfgang van Ooyen. Das Angebot richte sich vor allem an Geringqualifizierte und an Ältere. "Wir gucken dann: Wer kann was? Welche Fortbildung könnte deren Marktfähigkeit zurzeit erhöhen?" Manch einer würde dadurch auch ganz neues Terrain betreten - vor allem Richtung Schweißtechnik, Logistik und Mechatronik - denn, da ist sich van Ooyen sicher: "Nach dem Aufschwung ist vor dem Aufschwung".

Finanzkrise kein virtuelles Phänomen mehr

"Sinnvoll" findet auch Werner Eichhorst vom Institut zur Zukunft der Arbeit in Bonn die Idee, "Phasen der Unterauslastung für Weiterbildung zu nutzen". Allerdings, so prophezeit er, könnten auch solche Maßnahmen einen massiven Arbeitseinbruch nicht verschieben. "Bisher", sagt er, "wurde die Finanzkrise eher als virtuelles Phänomen gedeutet, jetzt sind in einigen Branchen allmählich ganz reale Auftragsrückgänge zu beobachten". Weil aber niemand sagen könne, wie lange diese Krise anhält, würden Unternehmer derzeit noch versuchen, ihre Stammbelegschaft zu halten - mit Qualifizierungskursen, Kurzarbeit oder Zwangsurlaub. Als wesentlich schlechter sieht Eichorst dabei die Chancen für Zeitarbeiter und weniger qualifiziertes Personal: "Da wird manch einer gar nicht erst aus dem Weihnachtsurlaub zurückkehren."

Ford fährt "zurzeit auf Sicht"

So wie einige hundert Leiharbeiter beim Autohersteller Ford in Köln. "Die sind jetzt alle weg", sagt Unternehmenssprecher Bernd Meyer. Einige von ihnen seien direkt in die neue Weiterbildungsmaßnahme beim Kölner Arbeitsamt aufgenommen worden. Das Stammpersonal aber habe nach den Weihnachtsferien am Montagmorgen um 6.45 Uhr vollzählig die Arbeit wieder aufgenommen. Bis 2011 seien die Arbeitsplätze der Festangestellten bei Ford gesichert. Allerdings, das räumt auch der Ford-Sprecher ein, beobachte man die Märkte sehr genau. 80 Prozent der in Köln hergestellten Autos seien für den Export bestimmt, und in Ländern wie Spanien oder Russland sei die Nachfrage stark gesunken. "Wenn das so weiter geht, werden wir auch handeln müssen." Erste Maßnahme wäre die Abarbeitung von Arbeitszeitkonten: Angesammelte Überstunden müssen am Stück abgefeiert werden. Als nächstes stünde dann Kurzarbeit an. Wann dieser Fall eintreten könnte, kann auch bei Ford niemand voraussagen: "Wir fahren im Moment auf Sicht".

Arbeitsmarkt stabiler als es scheint

Arbeitsmarktforscher Werner Eichhorst gibt trotz allem auch positive Signale. "Bis auf bestimmte Branchen ist der Arbeitsmarkt bis jetzt noch stabiler, als es in vielen Meldungen klingt", sagt er. Vor allem sei zu bedenken: Dort, wo jetzt Produktionsrückgänge zu düsteren Szenarien verleiten, habe es noch vor gar nicht langer Zeit Überkapazitäten gegeben. Im Mittelstand oder im Maschinenbau gebe es immer noch volle Auftragsbücher, "aber natürlich reagieren Arbeitgeber angesichts der Meldungen vorsichtig und versuchen, ihre Betriebe vorsorglich zu verschlanken". Und jede Prognose, mahnt er, sei zurzeit noch "reine Spekulation".