"Sozialdemokrat ohne Parteibuch"

Eigenwillig, unkonventionell, unbequem allemal: Als Politiker spaltete Wolfgang Clement die Geister wie wenige andere. 2008 sorgte er mit seinem Parteiaustritt für einen Eklat - und blieb auch danach umstritten.

Eigenwillig, unkonventionell, unbequem allemal - während seiner Jahre als Politiker spaltete Wolfgang Clement die Geister wie wenige andere seines Faches.

1940 in Bochum geboren, startete Clement nach dem Jurastudium zunächst als Politik-Journalist: Mit einem Volontariat bei der Dortmunder Tageszeitung "Westfälische Rundschau", wo er Jahre später auf dem Stuhl des stellvertretenden Chefredakteurs landete. 1986 wechselte der Westfale für drei Jahre als Chefredakteur zur "Hamburger Morgenpost". Das Bild zeigt ihn bei einer Pressekonferenz im Jahr 1981.

Zurück in NRW, ging es endgültig in die Politik - und dort rasant aufwärts. SPD-Mitglied seit 1970, war Clement schon während seiner Zeit als Journalist Geschäftsführer des SPD-Bundesvorstands. Als Leiter der NRW-Staatskanzlei besichtigt er am 8. Dezember 1988 zusammen mit dem damaligen Ministerpräsident Johannes Rau die Absturzstelle eines Kampfflugzeuges in Remscheid.

Rau, mit dem Clement ein enges freundschaftliches Verhältnis verband, ernannte ihn 1990 zum "Minister für besondere Aufgaben". Fünf Jahre später wurde Clement dann Wirtschaftsminister in Nordrhein-Westfalen.

Schon länger als "Kronprinz" von Johannes Rau gehandelt, übernahm Clement schließlich 1998 dessen Amt als NRW-Ministerpräsident. Kurz zuvor besuchte Altkanzler Helmut Schmidt den scheidenden und den neuen Landesvater in der Düsseldorfer Staatskanzlei.

Kaum in seinem Amt als Ministerpräsident des Landes vereidigt, wird es schon turbulent um den eigenwilligen Westfalen: In seinem neuen Kabinett legt Clement die Ministerien für Justiz und Inneres zu einem zusammen. Das stößt bei den Grünen, aber auch beim Deutschen Richterbund auf erhebliche Bedenken. Wenige Monate später muss Clement diesen Schritt rückgängig machen. Und weil der schnell ernannte Justizminister Reinhard Rauball einen beruflichen Fehler macht, muss Clement kurzzeitig auch noch für ihn einspringen.

Dann ruft Gerhard Schröder - aus Berlin. 2002 als Bundeskanzler wiedergewählt, will er den Parteigenossen Clement als Minister in sein Bundeskabinett. Er legt Wirtschafts- und Arbeitsministerium zusammen und erfindet damit ein neues Amt: Clement wird "Superminister".

Letzter Tag im alten Amt: Clement legt die Füße auf seinen Schreibtisch im Düsseldorfer Stadttor. Am 06.11.2002 übergibt er an den neuen NRW-Ministerpräsidenten Peer Steinbrück.

Clement schwört am 22.10.2002 vor dem Bundestag den Eid auf die Verfassung. Sein Engagement für die "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft", die nach Ansicht von Kritikern die Medien mit PR-Maßnahmen der Wirtschaft versorgen soll, muss er damit aufgeben.

Als "Superminister" gerät der als "Macher" beschriebene Wolfgang Clement bald mit seinen Kabinettskollegen aneinander. Es geht um Dosenpfand, Atomausstieg und Klimaschutz. In Sachen "Agenda 2010" stellt sich Clement gegen wachsende Kritik eisern neben Kanzler Schröder.

Und wenn es sein muss, dreht der medienerfahrene Clement auch mal das Gesicht seiner Frau Karin ins rechte Licht, wie hier bei einer Gala der Aids-Stiftung im Jahr 2003.

Im Januar 2008 wird es dann richtig turbulent: Kurz vor der Landtagswahl in Hessen äußert Clement öffentlich Kritik an der dortigen SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti und ruft indirekt dazu auf, sie nicht zu wählen.

Die Parteikollegen sind empört. Der einstige Bundesverteidigungsminister Peter Struck (hier ein Archivbild von 2004) fordert Clements Ausschluss aus der Partei, ebenso Clements Heimatverein, der Unterbezirk Bochum. Ein Parteiordnungsverfahren wird eingeleitet. Das Ergebnis: Clement erhält eine Rüge, wird aber nicht aus der Partei ausgeschlossen.

Doch die Gemüter kühlt das kaum. Mit seiner Kritik an Parteikollegin Ypsilanti hatte Clement, der inzwischen als Lobbyist für den RWE-Energiekonzern tätig ist, auch noch den Atomausstieg für falsch erklärt.

Am 7. August 2008 tritt Clement in Bonn vor die Presse. Auch hier wieder ganz Medienprofi, demonstriert Clement Gelassenheit, indem er überraschend auf dem Fahrrad angeradelt kommt. Abgeholt wird er allerdings von seiner Frau mit dem Auto.

Clement sagt, er bedauere, wenn sein Kommentar wenige Tage vor der hessischen Landtagswahl die Gefühle einiger Parteifreunde in Hessen verletzt habe. Er habe allerdings nicht zur Nichtwahl der SPD aufgerufen. An seinem Nein zum Ausstieg aus der Atomenergie hält er fest.

Clement kann also in der SPD bleiben - doch dann hat er selber keine Lust mehr. Noch im selben Jahr gibt Clement seinen Austritt aus der Partei bekannt. Im Jahr darauf veröffentlicht er sein Buch mit dem Titel "Klartext: Damit Deutschland wieder in Fahrt kommt".

Wiederum nur ein Jahr später das nächste Buch - diesmal in illustrer Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Parteirivalen aus der CDU, Friedrich Merz. Titel: "Was jetzt zu tun ist. Deutschland 2.0". Die beiden Ex-Politiker verlangen darin Mut zu Korrekturen und "keine falschen Versprechen".

"Ich bin unabhängig", erklärte der Jubilar unlängst, und aktiv ist er offenbar auch wie eh und je: Als Buchautor, im Aufsichtsrat mehrerer Unternehmen - und am Bonner Rheinufer joggend. Und für Ärger bei den alten SPD-Kollegen sorgt er auch immer noch: Im Bundestagswahlkampf 2009 erklärte Clement in einer Zeitungsanzeige, er werde den FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle unterstützen.

Im Landtagswahlkampf 2012 unterstützte er sogar den FDP-Spitzenkandidaten Christian Lindner. Danach trat er seltener an die Öffentlichkeit. Wenn er es doch tat, richteten sich alle Kameras wieder auf ihn - auch, wenn er als schlichter Zeuge vor einen Landtagsuntersuchungsausschuss zitiert wurde.

Stand: 07.07.2010, 10:50 Uhr

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