Eine Partei unter Schock
Causa Clement
Stand: 31.07.2008, 14:53 Uhr
Ein Urteil platzt ins Sommerloch: Wolfgang Clement soll aus der SPD ausgeschlossen werden. Während sich die Clement-Kritiker an der Basis freuen, versuchen Berufspolitiker den Schaden zu begrenzen. Sie setzen auf Einsicht beim einstigen NRW-Ministerpräsidenten - und die Bundesschiedskommission.
Von Christoph Schurian
Es war nur ein Zufall. Um 10.14 Uhr kündigte die Landes-SPD per Agenturmeldung eine Feier an. Am 23. August werde man in Wuppertal an Johannes Rau erinnern. Eingeladen zu dem Festakt seien die Rau-Witwe, der SPD-Parteivorsitzende Kurt Beck und Außenminister Frank Walter Steinmeier. Auch NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) stehe auf der Gästeliste. Wer in der Aufzählung fehlte, war jedoch Raus Amtsnachfolger als Ministerpräsident, Wolfgang Clement. Der bekam eine halbe Stunde später seine eigene Agenturmeldung: "EIL - Wolfgang Clement soll SPD verlassen".
Urteil auf 18 Seiten
Wolfgang Clement
Nach einer parteiinternen Anhörung am 12. Juli in Düsseldorf hatte die Schiedskommission der NRW-SPD in zweieinhalb Wochen über den Antrag auf Parteiausschluss gegen Wolfgang Clement entschieden.
Noch im Juli hatte sich der Ortsverein Bochum-Hamme in einem offenen Brief gegen den Verbleib des ehemaligen Superministers in der SPD ausgesprochen. Ganz offenbar hatten die Clement-Gegner Erfolg: Am Donnerstag (31.07.08) revidierte das dreiköpfige Partei-Gremium unter Leitung des Soester Verwaltungsrichters Josef Gerling das mildere Urteil des Bochumer Unterbezirks. Auf 18 Seiten erklärt das Schiedsgericht nun, warum Clement in der SPD nicht mehr tragbar sei.
Clements Einmischungen
Für Gerling und seine beiden Beisitzer Ingrid Hunold und Klaus Schäfer hat Clement die "innerparteiliche Solidarität" so stark verletzt, dass ein Verbleib in der Partei nicht mehr in Frage komme. Auch Clements Uneinsichtigkeit war bei den Schiedsrichtern Thema. Der Wahlbonner nahm seine Einmischung in den hessischen Landtagswahlkampf nicht zurück. In einer Zeitungskolumne hatte er die Energiepolitik der Hessen-SPD als unverantwortlich kritisiert und indirekt dazu aufgefordert, die hessische SPD nicht zu wählen. Der Beginn der Causa Clement.
Hoffen auf Einsicht
Dass innerparteiliche Solidarität anders aussieht, weiß auch Norbert Römer, der stellvertretende Landesvorsitzende der SPD. Die Schiedskommission habe versucht, eine gütliche Einigung mit Clement herbeizuführen; doch der sei nicht bereit gewesen, parteischädliche Äußerungen auszuschließen, so Römer. "Folglich kann es die Schiedskommission nicht ausschließen, dass so etwas wieder geschieht." Römer, hofft dennoch auf Einsicht bei dem langjährigen politischen Weggefährten: "Noch ist Wolfgang Clement Parteimitglied", sagt er, "ich hoffe, er bleibt es". Dazu müsse Clement allerdings in Berufung gehen - und seine Haltung verändern.
"Die SPD ist eine stolze Partei"
Wolfgang Clement im Kreuzfeuer der Partei
Die Vertreter des Ortsvereins Bochum-Hamme zeigen sich unterdessen erfreut: "Wir sind zufrieden", sagt Manfred Rockel, Sprecher des Ortsvereins, "die SPD ist eine stolze Partei." Für die Schiedsrichter der Landespartei sei wohl das Maß voll gewesen, glaubt Rockel. Und auch für Ortsvereinsvorsitzenden Rudolf Malzahn ist das eine folgerichtige Entscheidung: "Der hat seiner Partei ins Knie geschossen", ärgert sich Malzahn. Er habe 44 Jahre Wahlkampf für die SPD gemacht, auch für Clement, doch von dem sei er nur enttäuscht worden.
Faires und professionelles Verfahren
Als fair und professionell beschreiben die Basisgenossen aus dem Ruhrgebiet das Parteiordnungsverfahren in Düsseldorf. Im Ton sei das menschlich gewesen, erinnert sich Rockel. Es sei ja nicht darum gegangen, Wolfgang Clement hinzurichten. Das allerdings sehen nicht alle so. So spricht der wirtschaftspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Rainer Wend, von einer "grotesken" Entscheidung. Ein sächsischer Bundestagsabgeordnete droht damit, die Partei aus Solidarität mit Clement zu verlassen. Und selbst wenn der Partei-Nestor Erhard Eppler die Entscheidung begrüßt, ist die Mehrheit der Berufspolitiker nicht begeistert. Auch NRW-Landesvorsitzende Hannelore Kraft nicht.
Eine alte Bekannte
Weil es ein schwebendes Verfahren sei, wolle sie es nicht weiter kommentieren, sagte eine einsilbige Kraft auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz im SPD-Haus. Aber persönlich bedauere sie es ausdrücklich, "dass es so weit gekommen sei". Und die Sache wird wohl in die Nachspielzeit gehen. "Wir werden uns mit Clement in Berlin wiedersehen", glaubt Ortsvereinssprecher Manfred Rockel. Wie dort entschieden wird, sei wiederum völlig offen. Clement-Freunde wie Rainer Wend bauen jedenfalls darauf, dass in Berlin keine "durchgeknallten Sektierer" am Werk seien. Tatsächlich fungiert in der Bundesschiedskommission eine alte Bekannte als Beisitzerin: Ilse Brusis. Zehn Jahre lang wirkte sie als Landesministerin in Nordrhein-Westfalen - erst unter Ministerpräsident Johannes Rau, dann unter seinem Nachfolger Wolfgang Clement.