Aktionstag zur Energiewende

"Die goldenen Zeiten sind vorbei"

Stand: 08.10.2014, 15:45 Uhr

Mit dem bundesweiten Aktionstag zur Energiewende haben Gewerkschaftler am Mittwoch (08.10.2014) vor einer falschen Energiepolitik gewarnt. Sie fürchten um Jobs - und fordern, dass die Bundesregierung Gas-und Kohlekraftwerke mehr unterstützt. WDR-Energieexperte Jörg Marksteiner erklärt die Hintergründe.

WDR.de: Verdi verbündet sich mit der Energiewirtschaft. Können Sie uns den Hintergrund dieses Bündnisses erklären?

Jörg Marksteiner: Das ist ganz einfach, die Interessenlage von Verdi und den großen Kraftwerksbetreibern ist gleich. Viele Gas- und Kohlekraftwerke verdienen längst nicht mehr so viel Geld wie früher und schreiben rote Zahlen. Verdi fürchtet jetzt natürlich um die Jobs, wenn Anlagen stillgelegt werden.

WDR.de: Und was wird nun auf den Kundgebungen gefordert?

Jörg Marksteiner

WDR-Energieexperte Jörg Marksteiner

Marksteiner: Man muss dazu vorab wissen, was die Grundproblematik ist: Wir haben oftmals im Jahr ein Überangebot an Strom - weil Wind und Sonne sehr viel Strom liefern. In dieser Zeit müssen die konventionellen Kraftwerke herunter geregelt werden. Zusätzlich führt dieses Überangebot an Strom dazu, dass die Strompreise im Großhandel sinken. Dadurch erwirtschaften die Kraftwerke nicht mehr ausreichend Gewinne. Die Folge: Wir haben zur Zeit 50 Kraftwerke, die zur Stilllegung angemeldet sind. Man braucht diese Kraftwerke aber immer dann, wenn nicht ausreichend Wind und Sonne da sind.  

WDR.de: Welche Forderungen ergeben sich daraus für Verdi und die Kraftwerksbetreiber?

Marksteiner: Die Hauptforderung ist, dass künftig allein das Bereithalten von Kraftwerken bezahlt wird. Man kann sich das vorstellen wie bei der Feuerwehr, die ja auch dafür bezahlt wird, dass sie sich grundsätzlich bereithält. Da wird ja auch nicht nur der Einsatz an sich bezahlt. Der energiepolitische Fachbegriff dafür ist Kapazitätsmarkt: Die Kraftwerke sollen einspringen, wenn sie gebraucht werden – und werden dafür bezahlt. Bisher ist es so, dass nur der verkaufte Strom bezahlt wird.

WDR.de:  Ist das ein vernünftiges Modell?

Marksteiner: Das ist nicht unumstritten, weil Kritiker sagen, dass so etwas letztlich nur eine Subvention für alte Großkraftwerke bedeuten würde. Außerdem geht man davon aus, dass das Modell tendenziell die großen Anbieter bevorzugt, und es schwierig sein wird, so etwas zu beenden - wenn man erst einmal anfängt, öffentliche Zuschüsse zu zahlen.

WDR.de: Dennoch soll es Pläne von Seiten der Bundesregierung geben, die in diese Richtung gehen.

Das Bundeswirtschaftsministerium wird noch im November verschiedene Modelle vorstellen, mit dem sogenannten Grünbuch. Dann wird die Diskussion beginnen. Dass man ausgerechnet den klimaschädlichsten aller Energieträger öffentlich bezuschusst, ist aber politisch und gesellschaftlich nicht durchsetzbar. Insofern wäre es plausibel, die Braunkohle auszuklammern, indem man eine Bezahlung an den C02-Ausstoß koppelt.

WDR.de: Muss der Verbraucher dann auch wieder tiefer in die Tasche greifen?

Marksteiner: Ein Bezahlmodell für Kraftwerke wird der Stromkunde sicher bezahlen müssen. Ich denke, das wird eine Form von Abgabe sein, die auf den Strompreis aufgeschlagen wird. Es wird mit Sicherheit aber keinen Kraftwerkspfennig geben, wie es früher den Kohlepfennig gab.

WDR.de: Und die Kraftwerksmitarbeiter? Haben die dann krisenfestere Arbeitsplätze?

Marksteiner: Die goldenen Zeiten, die RWE und Eon und viele Stadtwerke mit ihren Kraftwerken erlebt haben, sind vorbei, und die werden auch nie wieder kommen. Nicht umsonst hat RWE, der größte Kohlekraftbetreiber im Land, ein massives Stellenabbauprogramm.

Das Gespräch führte Nina Giaramita