Der Eingang des Bankhauses Sal. Oppenheim in Köln

Interview zum Prozess gegen Ex-Banker von Sal. Oppenheim

"Untreue ist schwer nachzuweisen"

Stand: 27.02.2013, 08:33 Uhr

Vier Ex-Bankiers der berühmten Bank Sal. Oppenheim sitzen ab Mittwoch (27.02.2013) auf der Anklagebank des Kölner Landgerichts. Sie sind wegen Untreue in besonders schweren Fällen angeklagt. Rechtsexperte Thomas Rönnau erklärt, worum es geht und warum es Staatsanwälte in derartigen Fällen schwer haben.

Die Vorwürfe gegen die angeklagten Ex-Bankiers von Sal. Oppenheim lauten "gemeinschaftliche Untreue in besonders schwerem Fall", es geht insgesamt um drei Immobiliengeschäfte. Angeklagt ist auch ein früherer Geschäftspartner. Die Staatsanwaltschaft hat errechnet, dass daraus ein Schaden von rund 150 Millionen Euro entstanden sein soll. Das ist nicht der einzige Prozess im Zusammenhang mit Sal. Oppenheim. Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz hat einen Zivilprozess angestrengt, in dem sie auf einen milliardenhohen Schadenersatz gegen Sal. Oppenheim klagt.

Am Dienstag (26.02.2013) hat die Staatsanwaltschaft Köln gegen vier ehemalige Verantwortliche des Bankhauses und den Geschäftsführer einer der Bank verbundenen Unternehmensgruppe eine weitere Anklage wegen Untreue in besonders schweren Fällen und Verstoß gegen das Kreditwesengesetz sowie Beihilife zu diesen Taten erhoben. Ob es sich um dieselben Angeschuldigten handelt, gegen die am Mittwoch (27.02.2013) der Prozess eröffnet wird, ist unklar. Die Staatsanwaltschaft Köln hat dazu keine Stellungnahme abgegeben.

Experte Thomas Rönnau - Inhaber des Lehrstuhls Strafrecht, Wirtschaftsstrafrecht und Strafprozessrecht an der Bucerius Law School in Hamburg - erklärt, was die Vorwürfe bedeuten und warum gerade dieser Prozess besonders wichtig wird.

WDR.de: Die Vorwürfe gegen die angeklagten Ex-Bankiers von Sal. Oppenheim lauten "Untreue in besonders schwerem Fall". Was bedeutet das?

Professor Dr. Thomas Rönnau

Professor Rönnau lehrt Strafrecht an der Bucerius Law School in Hamburg

Professor Dr. Rönnau: Strafrechtliche Untreue meint im Kern den "Missbrauch von Herrschaft". Voraussetzung dafür ist nach der Rechtsprechung zunächst eine Vermögensbetreuungspflichtverletzung. Diese muss von jemandem begangen worden sein, den die Betreuung fremden Vermögens als Hauptpflicht trifft und der einen gewissen Entscheidungsspielraum im Umgang mit dem Vermögen hat. Es geht hierbei in Unternehmen vornehmlich um Personen in herausragender Position, also nicht einfache Angestellte, sondern Manager, die eine gewisse Nähe zum Vermögen haben, für das sie das Beste tun sollen. Aus der Vermögensbetreuungspflichtverletzung muss überdies ein berechenbarer Schaden entstanden sein, der muss in schweren Fällen bei mindestens 50.000 Euro liegen. Erforderlich ist weiterhin Vorsatz. Das bedeutet: Der Täter muss es für möglich halten und billigend in Kauf nehmen, dass sein pflichtwidriges Handeln zu einem Schaden für das Unternehmen führt.

WDR.de: Was muss im Vorfeld eines so großen Prozesses alles passieren, wie und wo wird nach Beweisen gesucht?

Rönnau: Dieser Straftatbestand ist häufig nicht einfach nachzuweisen, und in diesem Fall ist sicher ein großer Aufwand damit verbunden. Im Vorfeld solcher großer Wirtschaftsstrafprozesse werden meistens Firmenbüros und Wohnhäuser durchsucht, Unmengen von Unterlagen beschlagnahmt, Festplatten ausgelesen und so weiter. Zudem werden regelmäßig viele Zeugen vernommen und Sachverständige eingeschaltet. Das ganze Material muss von den Ermittlern ausgewertet werden. In diesem Fall werden sicher viele Verträge und Urkunden geprüft werden, die im Zusammenhang mit den hier relevanten Immobiliengeschäften stehen. Auch die Protokolle des Aufsichtsrates der Bank, der den Vorstand ja kontrollieren soll, spielen bestimmt eine Rolle. Weil viele Beweismittel in solchen Prozessen digital vorliegen, werden die Ermittler auch E-Mail-Korrespondenzen zu überprüfen haben.

WDR.de: Ist denn bei diesem riesigen Aufwand, der mit solchen Wirtschaftsstrafprozessen verbunden ist, Waffengleichheit gewährleistet zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung?

Die Privatbank Sal. Oppenheim in Köln

Rönnau: Über diese Frage wird immer wieder diskutiert. Bei Wirtschaftsstrafprozessen dieser Dimension ist das nicht immer gewährleistet. Wohlhabende Beklagte werden in einem solch großen Prozess sicher eine exzellente und erprobte Verteidigung aufbieten. Für die Anklage treten in diesem Fall meines Wissens zwei Staatsanwälte auf. Auf Seiten der Verteidigung darf jeder der Beklagten bis zu drei Wahlverteidiger haben. Im Hintergrund können natürlich noch viel mehr Juristen für die Verteidigung engagiert sein. Allerdings haben die Staatsanwälte die staatlichen Zwangsmittel - also etwa Beschlagnahmung und Durchsuchung - auf ihrer Seite.

WDR.de: Der Prozess der am 27. Februar am Landgericht in Köln beginnt, dreht sich im Kern um drei Immobiliengeschäfte, deren Schäden für Sal. Oppenheim insgesamt mit einem dreistelligen Millionenbereich beziffert werden – man geht aber nicht davon aus, dass die Schieflage des Bankhauses gerade auf diese Schäden zurückzuführen ist. Dennoch wird dieser Prozess als der wichtigste in diesem Zusammenhang angesehen – was sind die Gründe dafür?

Rönnau: Ob es der wichtigste ist, hängt von der Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft ab. Deren Strategie könnte es sein, sich zunächst einmal auf Anklagepunkte zu konzentrieren, die den Kernvorwurf der Sache ausmachen. Man hofft dabei, dass im Laufe des Prozesses Dinge ans Tageslicht kommen, die auch noch in weiteren Prozessen hilfreich sein können. Möglich ist es aber auch, dass die Staatsanwaltschaft Punkte zur Anklage bringt, von denen sie glaubt, dass man sie besonders gut nachweisen kann.

WDR.de: Wie kann die Verteidigung bei einer Anklage wegen Untreue im besonders schwerem Fall vorgehen?

Land- und Amtsgericht in Köln

Die Angeklagten müssen während der Verhandlung im Landgericht Köln anwesend sein

Rönnau: Die Angriffspunkte können recht unterschiedlich sein. Zum Beispiel kann man versuchen zu widerlegen, dass es überhaupt einen Schaden gegeben hat. Wenn das Unternehmen durch die mit dem Vorwurf in Zusammenhang stehenden Geschäfte nicht nur Mittelabflüsse hatte, sondern auch entsprechend hohe Mittelzuflüsse, kann das bedeuten, dass gar kein Schaden entstanden ist. Man kann aber auch versuchen, darzulegen, dass der Angeklagte nicht pflichtwidrig oder ohne Vorsatz gehandelt hat.

Jemand, der im Auftrag eines Unternehmens, zum Beispiel einer Bank, in führender Position Geschäfte tätigt, hat dabei häufig einen Ermessensspielraum. Er geht Risiken für das Unternehmen ein, dafür wird er auch bezahlt. Wenn er sich dann auf ausreichender Informationsgrundlage und nach sorgfältiger Abwägung von Chancen und Risiken vertretbar für die Durchführung eines Geschäfts entschieden hat, das später zu einem Vermögensschaden führt, kann man das dem Manager nicht vorwerfen. Viel hängt bei der Untreue auch davon ab, ob das vermeintlich pflichtwidrige Verhalten des Treunehmers mit Zustimmung des Vermögensinhabers geschah. Kompetenzüberschreitungen sind hier Indikatoren für eine Treuepflichtverletzung.

WDR.de: Welches Strafmaß müssten die Angeklagten befürchten, falls sie der Untreue in besonders schweren Fällen schuldig gesprochen werden würden?

Rönnau: Das Strafmaß liegt hier bei sechs Monaten bis zehn Jahren Freiheitsstrafe. Eine Geldstrafe ist in diesem Fall ausgeschlossen.

Das Interview führte Petra Blum.