Mikroskop klärt Unfallfluchten auf

Neue Technik: Unfallflüchtige haben es schwer

Stand: 26.10.2015, 06:00 Uhr

Verkniffenes Gesicht, die Zähne knirschen, der eine oder andere Fluch entfährt den Lippen: so reagieren Autobesitzer, die eine unbekannte Beule an ihrem Auto entdecken. Der Verursacher ist einfach abgehauen. Vielleicht aber nicht für lange: Denn die Polizei hat gute Chancen den Täter zu erwischen.

Folie aufklappen, Stelle damit abtasten, Folie schließen - kein Bergischer Polizist ist mittlerweile ohne eine Spezialfolie zur Unfallaufnahme unterwegs. Jede Lackspur wird mit ihr gesichert, wenn es gekracht hat. Vor allem, wenn der Verursacher weg ist. Für den Laien sind es Splitter und Bröckchen, die man dann darauf sieht. Für Norbert Gerhards sind es "Spuren, Trägerspuren, Lacke oder Mineralien, dreidimensionale Riefen, Spurenverläufe, und dergleichen mehr.“ Die moderne Technik ermöglicht so, die Spuren zunächst einem Fahrzeug zuzuordnen und schließlich den Unfallhergang zu rekonstruieren.

Keine Spur bleibt unentdeckt

Es ist auf den ersten Blick ein ganz normales Mikroskop, durch das Norbert Gerhards schaut. Aber das Ding ist so etwas wie der Schrecken aller Unfallflüchtigen. "Das ist ein Stereomikroskop, ausgestattet mit einer HD Videokamera und einer ausgefeilten Beleuchtung. Damit gelingen nicht nur gestochen scharfe, sondern auch dreidimensionale Aufnahmen“, sagt der Experte der Verkehrsdirektion der Polizei im Bergischen Städtedreieck. Und das auch von mikroskopisch kleinen Unfallspuren, die auf der Spezialfolie kleben geblieben sind.

Ausrede Unfallflucht

So werde derzeit jede zweite Unfallflucht aufgeklärt. Und die Unfallexperten sehen sich einem neuen, unerwarteten Täterkreis gegenüber: es sind die anzeigenden Autofahrer selbst. "Wir haben ungefähr ein Prozent der in diesem Jahr angezeigten Unfallfluchten, die uns quasi als vorgetäuschte Straftaten präsentiert werden. Früher konnten wir solche Sachverhalte oft nicht widerlegen. Heute aber können wir oft beweisen, dass die Unwahrheit gesagt wird.“

Angebliche Unfallflucht statt Wahrheit

Aber warum „erfindet“ jemand eine Unfallflucht? Versicherungsbetrug kann eigentlich kein Grund sein, denn die Kasko zahlt ja so oder so. Also: Warum? Norbert Gerhards: "Oft ist die Motivation, entweder dem Familienangehörigen oder dem Ehepartner nicht die Wahrheit sagen zu wollen. Oder man hat einen Mietwagen und möchte dem Verleiher irgendwie eine Geschichte auftischen. Oder es ist ein gewerblich genutztes Fahrzeug und der Fahrer will dem Chef nicht sagen, dass er eine Beule verursacht hat.“

Die Staatsanwaltschaft versteht keinen Spaß

Und doch ist der Krach mit dem Boss oder dem Partner das kleinere Übel. Denn mit einem Bußgeld ist es nicht getan. Jede Unfallflucht geht zur Staatsanwaltschaft. "Wenn die Unfallflucht nachweisbar ist, werden wir denjenigen vor Gericht bringen“, sagt Oberstaatsanwalt Wolf-Tilman Baumert. Gleiches gelte für das vorgetäuschte Delikt. Hier drohe eine Geldstrafe oder bis zu drei Jahre Haft. Baumert und Gerhards sind sich deswegen bei ihrem Rat an die Beulen-Verursacher einig: "Beichten Sie lieber Ihrem Ehepartner, Ihren Eltern oder Ihrem Chef, als dass Sie bei uns oder vor dem Richter Rede und Antwort stehen müssen.“