In-Game-Konzerte bei 1LIVE

Spielst du noch oder hörst du schon?

Stand: 08.12.2022, 15:28 Uhr

Der WDR will 2023 als erster deutscher Sender ein Konzert in einem Online-Video-Spiel veranstalten. Was das ist und wie das funktionieren kann!? wir@wdr.de erklärt, was der Innovation Hub, 1LIVE und der Programmbereich Internet da ausgeheckt haben.

Von Christian Gottschalk

Es ist eins der erfolgreichsten Spiele weltweit: der Online-Shooter Fortnite. Im beliebten Modus "Battle-Royal" kämpfen jeweils 100 Spieler:innen gegeneinander, wer überlebt, hat gewonnen. Erfolgreich heißt: 350 Millionen registrierte Spieler:innen, von denen schon mal 10,7 Millionen gleichzeitig gespielt haben. Eindeutig mehr Leute als in jedes Stadion passen, wird sich der Musiker Marshmello gedacht haben und gab 2019 in diesem virtuellen Raum ein Konzert. Auch Ariana Grandes Avatar schwebte schon sehr erfolgreich glitzernd und singend durch das Fortnite-Universum.

WDR-Premiere im August

Im Zukunftsreport "Generation Alpha", den der WDR Innovation Hub 2021 veröffentlichte, wird die These aufgestellt, dass Gaming in Zukunft fester Bestandteil des Alltags sein wird: "Games sind multioptionale Plattformen, die sich nicht mehr nur auf das eigentliche Gaming fokussieren. Sie sind auch ein Ort für Medieninhalte", heißt es dort. Deshalb lud das Innovation Hub Kolleg:innen von 1LIVE und vom PB Internet ein, gemeinsam darüber nachzudenken, was das für ein Medienhaus wie den WDR bedeuten könnte. Dabei entstand die Idee, ein In-Game-Konzert zu veranstalten. Im August zur Spielemesse Gamescom soll es soweit sein.

Eigenes Level

Ganz so groß wie das von Ariana Grande wird es nicht werden. Das Konzert mit dem oder der Künstler:in aus dem 1LIVE-Umfeld wird nicht weltweit allen Spieler:innen ausgespielt, sondern wird etwas kleiner, auf einem eigenen Server, stattfinden, erklärt Max Drews von 1LIVE: "Wir lassen uns von einem richtig guten Designer ein eigenes Level bauen." Aktuell sieht die Planung so aus: Wer das Konzert besuchen will, braucht einen Fortnite-Account und bekommt von 1LIVE einen Zugangscode zu diesem Level. Übrigens: Die Waffen müssen draußen bleiben. Es könnte aber einen Jump‘n‘Run-Parcour geben, auf dem die Spieler:innen sich messen. Eine Idee ist dann, dass der oder die Schnellste einen exklusiven Bonus freischalten kann und dann zum Beispiel direkt mit der Künstlerin sprechen darf.

Max Drews

Max Drews: "Wir lassen uns von einem richtig guten Designer ein eigenes Level bauen."

Es sind dort viele spieletypische Beschäftigungen denkbar, auch virtuelle Geschenke, zum Beispiel Items, die beweisen, dass man dabei war. Ariana Grande verkaufte übrigens ihren virtuellen Raumfahrer-Anzug für 2000 V-Bucks, so heißt die Währung in Fortnite. Das sind um die 20 Euro. Für einen Gegenstand, der nur im Spiel existiert.

Die genaue Ausgestaltung des 1LIVE-Konzerts befindet sich aktuell noch in der Planung. Denkbar ist, dass es im Spiel auf zwei Arten gleichzeitig stattfindet. Im Level sind Leinwände verteilt, auf denen das Realbild eines Konzertmitschnitts gezeigt wird. Außerdem performt der Avatar des Künstlers oder der Künstlerin irgendwo im Raum. Allerdings nicht live. "Normalerweise ist es nicht möglich, in solchen eigenen Levels Videos abzuspielen", erklärt Max Drews. "Wir sind mit Epic Games, der Firma hinter Fortnite, aber gerade in Kontakt um auszuloten, ob das für uns möglich sein könnte."

Streamer als Reporter:innen

Der Nachteil an so einem eigenen Level: Wegen technischer Beschränkungen passen dort erheblich weniger Leute rein als in ein Stadion. Ungefähr 100 bis 200 Gamer:innen können ihre Avatare voraussichtlich gleichzeitig durch das 1LIVE-Fortnite-Level steuern. Die Masse muss also anders erreicht werden, und zwar über Twitch. Das ist ein Live-Streaming-Videoportal, das vor allem zur Übertragung von Videospielen genutzt wird. Was in der Regel heißt: Leute lassen sich live beim Spielen zuschauen. Sie teilen ihren Spielbildschirm mit der Öffentlichkeit und kommentieren dabei, was sie tun, chatten mit ihren Followern. Sie selbst sind dabei meist klein unten in der Ecke im Bild zu sehen. Manche Streamer:innen sind berühmt und haben viele Follower. Und genau so jemanden würde 1LIVE dann als "Reporter:in" zum Konzert schicken. Sein/ihr Avatar läuft durch das Level, zeigt allen anderen, was da so geschieht und chattet mit den Followern. Beim Live-Stream ist die Zahl der Zusehenden nahezu unbegrenzt, für die allermeisten Fans wäre dies der Weg, dem In-Game-Konzert beizuwohnen.

58 Prozent der Deutschen spielen

So funktioniert es, aber was will der WDR damit erreichen? Für 1LIVE ist der Showcase eine sehr gute Möglichkeit, die Innovationsfreude des Senders zu präsentieren und zugleich künftige Ausspielwege für junge Zielgruppen zu erschließen. Und natürlich soll es, so Max Drews, "ein geiles Event werden". Der Innovation Hub will lernen und besser verstehen, wie Games immer mehr als Plattform und als soziale Netzwerke funktionieren. "Außerdem", sagt Innovationsmanagerin Vanessa Beule, "spielen mittlerweile 58 Prozent der Deutschen zwischen sechs und 69 Jahren. In die Videospiel-Branche wird mehr investiert als in die Bundesliga oder die Streaming-Industrie. Wir wollen natürlich, dass die Marke WDR da stattfindet". Außerdem wäre der WDR tatsächlich der erste Sender in Deutschland, der eine Veranstaltung in einem Game durchführt.