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WDRforyou: Ein Stück Heimat

Stand: 26.03.2021, 14:17 Uhr

WDRforyou bietet wie viele andere Redaktionen im WDR ein zweijähriges Ressortvolontariat an. Arezao Naiby und Borhan Akid, beide mit einer Fluchtbiographie, berichten von ihren Erfahrungen.

Von Thomas Petrikowski

Es hat lange gedauert, bis Borhan Akid sich in Deutschland wie zu Hause gefühlt hat. Im Oktober 2015 flüchtet der heute 29-Jährige aus der syrischen Hauptstadt Damaskus. Über den Libanon, die Türkei und Griechenland führt sein Weg über die Balkanroute nach Deutschland, wo Akid schließlich über die Zwischenstation Passau dem Landkreis Cochem-Zell in Rheinland-Pfalz zugeteilt wird. Die neue Sprache lernt er durch eiserne Disziplin sehr schnell, mittlerweile spricht er – neben Arabisch und Englisch – fast akzentfreies Deutsch. Doch richtig angekommen ist er noch nicht. „Ich saß oft in meinem Wohnzimmer in der Eifel und hatte Zweifel und Ängste“, sagt Akid, der in eine belebtere Stadt ziehen und als Journalist arbeiten möchte. Anfang 2017 findet er eine Stelle als Servicekraft in einem Restaurant am Flughafen Köln/Bonn und eine Wohnung in Köln. Auf Bewerbungen für journalistische Aufgaben folgen jedoch stets Absagen.

„Bei WDRforyou fühlte ich mich wie zuhause”

Im Mai 2018 dann der Durchbruch: Akid, der mittlerweile im Sozialamt in Rommerskirchen als Integrationshelfer arbeitet, bekommt eine vierwöchige Praktikumsstelle bei WDRforyou. Seit seiner Ankunft in Deutschland begleitete ihn das Format, das in vier Sprachen – Deutsch, Englisch, Arabisch und Persisch – Inhalte für Geflüchtete im Netz anbietet. Oft stellte er sich vor, wie es sei, dort zu arbeiten. „In den ersten Tagen meines Praktikums habe ich mich direkt wie zuhause gefühlt“, sagt Akid, der die Freiheiten in der Redaktion schätzt. In Damaskus arbeitete er bis zum Kriegsausbruch 2011 fürs Radio. Weil die Regierung Einfluss auf die Inhalte nahm, stieg er aus. Die Unterschiede zum WDR waren für ihn enorm. „Am Anfang war es für mich schwierig, dass ich meine freie Meinung äußern darf“, sagt der 29-Jährige. Akid wird nach dem Praktikum als freier Mitarbeiter übernommen, im April 2019 wird er dann für sechs Monate fest eingestellt und erhält das Angebot, ab Anfang 2020 als Ressortvolontär zu arbeiten.

Im Gegensatz zum Programmvolontariat haben Ressortvolontär*innen eine feste Stammredaktion, die zweijährige Ausbildung wird ergänzt durch ein umfassendes Seminarangebot und Praxisstationen innerhalb und außerhalb des WDR. Acht unterschiedliche Ressortvolontariate gibt es momentan im WDR.

„WDR für Menschen mit Migrationsgeschichte ein wichtiger Sender“

Gerade der Besuch in anderen Redaktionen war für Akid wertvoll. „Das war am Anfang eine große Herausforderung, weil ich aus meiner sicheren Blase WDRforyou raus musste. Ich weiß, dass manche Redaktionen anders ticken, und ich hatte die Sorge, dass man mit mir überfordert sein könnte und denkt, dass ich zum WDR nicht passe oder mein Deutsch nicht gut genug sei. Jetzt, nach fast einem Jahr Volontariat und drei Stationen im WDR, zeigt mir die Erfahrung, dass ich überall ankommen und arbeiten kann.“

Mit Start seines Volontariats begannen auch die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie, seine Volo-Kolleg*innen aus anderen Redaktionen lernt er in Teams-Schalten kennen, direkte Treffen sind nur zu zweit oder dritt und im Freien möglich. Dennoch will er nicht klagen. „Der WDR ist für Menschen mit Migrationsgeschichte ein sehr wichtiger Sender, und ich bin stolz, ein Teil davon zu sein“, sagt Akid.

WDRforyou-Redaktionsleiterin Isabel Schayani spricht von Akid und seiner Vorgängerin Arezao Naiby in den höchsten Tönen und sieht beide Seiten als Gewinner. „Es ist die ideale Mischung: Das, worüber wir berichten, haben die beiden wirklich erlebt. Sie haben einen großen Erfahrungsschatz, und somit können wir unser Handwerk und WDR als Unternehmen mit ihren Erlebnissen bereichern. Sie sind Programmbotschafter für beide Seiten – Menschen die schon lange hier leben und Menschen, die neu hier sind – im besten Sinne“, sagt Schayani, die darüber staunt, wie schnell die beiden gewachsen sind und sich orientiert haben.

Arezao Naiby: Fernsehjournalistin aus Afghanistan

Akids Vorgängerin Arezao Naiby, 27, flüchtete Ende 2015 mit ihrer Mutter und zwei Geschwistern aus Kabul, Afghanistan, wo ihre Familie von Taliban bedroht wurde, über den Iran, die Türkei und Griechenland nach Deutschland. Sie landen in einer Unterkunft für Geflüchtete in Köln, die Sprache muss Naiby mühsam in Eigenregie erlernen, weil nicht anerkannt Asylsuchende aus Afghanistan keine Sprachkurse besuchen dürfen. Die Familie besitzt lediglich ein Handy, „wo wir die Nachrichten verfolgen konnten und natürlich WDRforyou“. Ihre Priorität ist sofort klar: Naiby will so schnell wie möglich wieder als Journalistin arbeiten. In ihrer Heimat arbeitete sie bereits mit 13 Jahren für eine Kindersendung im Nationalfernsehen.

Eine Lehrerin wird auf Naibys Familie aufmerksam, sie hilft ihnen mit Dokumenten und mit der Sprache, unterstützt die 27-Jährige bei der Jobsuche. Naiby tut sich anfangs schwer mit der Sprache. Doch sie bekommt einen Vorstellungstermin bei „Frau tv“. „Ich konnte kaum Deutsch sprechen, aber sie waren total nett und haben mich auf später vertröstet“, sagt Naiby und lacht. Im November 2016 absolviert sie ein Praktikum bei der „Tagesschau“ und lernt Isabel Schayani kennen. „Sie hat mir angeboten, als Freiberuflerin bei WDRforyou zu arbeiten“, sagt Naiby. Doch weil sie noch keine Aufenthaltsgenehmigung hatte, durfte sie die Stelle nicht antreten.

Ressortvolontariat ebnet den Weg

Sie nimmt eine Vollzeitstelle als Marketing Specialist in der Automobilbranche an, der Kontakt mit Schayani bleibt bestehen. Nach einem Jahr schlägt Schayani sie bei der Aus- und Fortbildungsredaktion als Ressortvolontärin für WDRforyou vor. „Ich war so froh, dass ich wieder im Medienbereich arbeiten konnte. Aber natürlich hatte ich auch viele Sorgen und Angst, ob ich es überhaupt schaffe. Ich war die erste WDRforyou-Volontärin und die erste Geflüchtete, die ein Volontariat beim WDR und sogar in der ARD machte. Ich konnte nicht perfekt Deutsch sprechen und kannte mich mit den Themen aus Deutschland nicht gut aus. Ich war erst seit zwei Jahren in Deutschland“, sagt Naiby rückblickend. Sie beginnt im Mai 2018 und ist begeistert. „Man ist dort frei, kann kreativ sein und alles ausprobieren und lernen. Alle sind bereit dir zu helfen und haben großes Verständnis für deine Situation.“ Schwieriger war es für sie dann bei Stationen in anderen Redaktionen. „Viele hatten mit Menschen wie mir, die nicht so gutes Deutsch sprechen, kaum Erfahrung. Auch kulturell sind die Unterschiede riesig, weil ich im Krieg geboren und aufgewachsen bin. Das können die Menschen hier natürlich nicht nachvollziehen.“

Mittlerweile arbeitet die 27-Jährige, die neben Deutsch noch Farsi und Englisch spricht, befristet als Redakteurin für 1LIVE und wird danach wieder für WDRforyou arbeiten. Über ihren Erfolg in Deutschland ist Naiby manchmal selbst erstaunt. „Wegen der Sprache hätte ich nie gedacht, dass ich hier journalistisch Fuß fasse“, sagt sie – und betont, dass sie es ohne Isabel Schayani und das WDRforyou-Team nicht geschafft hätte.