Timm Giesbers von "reporter" (funk)

Der WDR auf der re:publica 2022

Stand: 14.06.2022, 16:21 Uhr

Der WDR war mit neuen Formaten, spannenden Diskussionen und einem gemeinsamen ARD-Stand mit dem rbb bei der re:publica vom 8. bis 10. Juni in Berlin vertreten. Hier fassen wir einige Aktivitäten zusammen.

"Sex matters! Ist Journalismus für die Generation Z schon Aktivismus?

"Schwangere Trans*männer, Konversionstherapien, die Superstraight-Debatte oder queere Schönheitsideale - all das sind Themen, die "reporter" (funk) auf YouTube, Snapchat, Instagram und Facebook angeht. Zum einen fordert das die Community von "reporter", also vor allem junge Menschen der Generation Z. Zum anderen soll das Format Minderheiten sichtbar machen und gesellschaftliche Debatten anregen.

Wo aber verläuft die rote Linie zwischen Berichterstattung und Aktivismus? Darüber sprechen Timm Giesbers (Host von reporter) und Lea Brockmann (Redakteurin bei reporter) bei "Sex matters! Ist Journalismus für die Generation Z schon Aktivismus?", einem TINCON-Special der re:publica. Die TINCON ist eine gemeinnützig arbeitende Organisation, die sich für die Interessen und die Fortbildung junger Menschen bis 25 einsetzt. Timm Giesbers betont eine professionelle Subjektivität: "Für uns gibt es eine klare Grenze zwischen Aktivismus und Journalismus, die wir einhalten wollen. In unserer Redaktion arbeiten viele queere Menschen - auch vor der Kamera. Ich selber ja auch. Wenn wir bei einem Thema also selbst Betroffene sein könnten, kommt leicht der Vorwurf auf, wir seien Aktivist:innen. Ich werde aber nie Anwalt meiner Protagonist:innen, sondern bei uns kommen auch gegensätzliche Positionen vor."

Das Monitor-Panel auf der re:publica

Lea Brockmann von "reporter" (funk)

Lea Brockmann zeigt außerdem, wie man diese klare Grenze ziehen kann, berichtet über den Redaktionsalltag und stellt Tools und Standards vor, wie das Format "reporter" zu seinen Themen und deren Umsetzung kommt. Kein Thema schaffe es in einen Film, wenn es nicht durch eine Konferenz mit möglichst vielen Kolleg:innen gegangen sei. Eine Checkliste bei der Recherche und Abnahmen mit vielen Beteiligten seien ebenfalls hilfreich.

Auch Timm Giesbers gibt Tipps, wie man mit klaren journalistischen Standards frei von Stereotypen über diskriminierte Gruppen berichten kann: "Ganz wichtig: Mit größtmöglicher Offenheit in die Recherche gehen und erstmal zurückhalten. Wir holen Gegenpositionen ein, die neu und relevant sind. Am Ende kann sich dann jeder selber eine Meinung bilden."

"Expect the unexpected"

Auf dem Panel v.l.: Host Emily Thomey vom Serienpodcast "Glotz und Gloria", Regisseur Emil Belton, Hype-Macherin Esra Phul, Autor und Regisseur Jan Georg Schütte und Jörn Behr, auch von "Glotz und Gloria".

Auf dem Panel von links: Host Emily Thomey vom Serienpodcast "Glotz und Gloria", Regisseur Emil Belton, Hype-Macherin Esra Phul, Autor und Regisseur Jan Georg Schütte und Jörn Behr, auch von "Glotz und Gloria".

Vorhersagen? Planungen? – Vergiss es, sagt die Pandemie. Drehbücher? Positionsmarkierungen? – Mal sehen, sagen Serienmacher:innen heute. Und Improvisieren. Das fünfteilige Rap-Musical HYPE von COSMO zeigt, dass sich das das lohnen kann – und obendrein viel Spaß macht.

Auf dem re:publica-Panel "Expect the unexpected – Wie Serien improvisieren" spricht HYPE-Macherin Esra Phul über die Authentizität der Serie. "Alles, was wir bei HYPE erzählen, sind echte Geschichten. Die sind genau so oder so ähnlich passiert. Wir haben nichts erfunden. Wir haben die Darsteller:innen aus den Vierteln gecastet, über die wir auch erzählen. Dann haben die Leute ihre eigene Rolle auch gefühlt."

Um die Realität möglichst authentisch und direkt abzubilden, wurde bei HYPE auf vorher geschriebene Dialoge verzichtet, auf Improvisation und Laiendarsteller:innen gesetzt. Und das verleihe der Serie etwas ganz Besonderes, schwärmt Panel-Moderatorin Emily Thomey vom COSMO-Serienpodcast "Glotz und Gloria": "Mich beeindruckt das immer, wenn ich improvisierte Sachen sehe. Bei HYPE dachte ich die ganze Zeit: Wow, der Dialog ist genau jetzt in der Situation entstanden! Das hat was Magisches."

Hype in der ARD Mediathek

Panel zur Zukunft des WDR

Jorg Schönenborn im Gespräch mit Lisa Zauner vom WDR-Innovation Hub und Ellen Heinrichs vom Bonn Institut.

Wie erreichen wir neue Zielgruppen? Programmdirektor Jörg Schönenborn im Gespräch mit Lisa Zauner vom WDR-Innovation Hub und Ellen Heinrichs vom Bonn Institut.

Ein Großteil der Deutschen vertraut ARD und ZDF. Das ist gut, denn unsere Demokratie braucht starke öffentlich-rechtliche Medien. Doch dazu müssen sie den Informations- und Bildungsauftrag ins Digitale übersetzen. Auf welchen Plattformen erreicht man das Publikum? Was tun gegen Fake News? Und wie sieht die Redaktion der Zukunft aus?

Jörg Schönenborn: "Der Blick auf die Welt ist voller Neugier. Man muss sich auf die Generation der ganz jungen Macherinnen und Macher einlassen. Ihr zugucken und zuhören, dann eröffnen sich neue Perspektiven."

Um die Perspektive der Menschen zu verstehen, sei es wichtig, sie schon zu Beginn mit einzubinden, sagt Lisa Zauner. Das Userlab im WDR setzte genau dort an: "Wir stellen der Zielgruppe unsere Formatideen vor und entwickeln sie gemeinsam weiter. Schließlich geht es nicht darum, dass eine Idee uns gefällt, sondern den Nutzer:innen."

Der Innovation Hub geht noch deutlich weiter, die Kolleg:innen erforschen auch, welche Jobs es in Zukunft im WDR geben müsste. Nach wie vor gefragt seien klassische Journalist:innen, aber nicht nur. "Wir brauchen auch Daten-Spezialist:innen, Projektmanager:innen und Formatentwickler:innen, die die Nutzer:innen von Anfang an in den Fokus nehmen. Die arbeiten dann gemeinsam in interdisziplinären Teams an der Zukunft des Öffentlich-Rechtlichen", sagt Lisa Zauner auf der re:publica.

Journalistische Distanz im Ukraine-Krieg

Das Monitor-Panel auf der re:publica

v.l.: Katja Goncharova, Ina Ruck, Katrin Eigendorf und Georg Restle auf dem MONITOR-Panel

Auf einer Panel-Diskussion bei der re:publica diskutierte MONITOR-Leiter Georg Restle mit drei Kolleg:innen über das Thema Distanz im Journalismus: Wie neutral und ausgewogen kann die Lage in der Ukraine beurteilt werden, wenn der Krieg dem Informationsfluss und der Berichterstattung Grenzen setzt?

Ina Ruck, Leiterin des ARD-Studios in Moskau, und Katrin Eigendorf als ZDF-Korrespondentin aus der Ukraine, betonen die Bedeutung der journalistischen Distanz. Eingeladen war auch die Journalistin Katja Goncharova, die vor kurzem aus der Ukraine nach Deutschland geflohen, und seit einigen Wochen für WDRforyou im Einsatz ist. Ihr Standpunkt war ein anderer. Da sie selbst Kolleg:innen und Freund:innen im Ukraine-Krieg verloren hat und ihr Partner sich freiwillig gemeldet hat, fällt es ihr persönlich besonders schwer über Distanz zu sprechen und diese zu wahren.

re:publica 2022: MONITOR-Forum: Journalist*innen im Ukraine-Krieg – (Zu) nah dran?

re:publica 22

Die re:publica ist das Festival für digitale Gesellschaft und findet vom 8.-10. Juni 2022 in der Arena Berlin und dem Festsaal Kreuzberg statt. Das Motto lautet in diesem Jahr "Any Way the Wind Blows".