Made to measure

Digitale Spurensuche

Stand: 01.09.2021, 17:14 Uhr

Was passiert eigentlich mit unseren Daten, wenn wir im Netz surfen? Der WDR-Dokumentarfilm "Made to measure" verfolgt die digitalen Spuren, die wir alle hinterlassen. Ein Interview mit den Redakteurinnen des Films Christiane Hinz und Jutta Krug.

Ausgehend von einem beeindruckenden Datenexperiment hat die Künstlergruppe Laokoon den WDR-Dokumentarfilm "Made to measure – Eine digitale Spurensuche" gedreht, der zeigt, was mit den Millionen von Daten von User:innen möglich ist und wie Unternehmen damit Geld verdienen. Auf der interaktiven Website www.madetomeasure.online erleben Zuschauer:innen selbst, was Algorithmen können. Ein Interview mit den Redakteurinnen des Films Christiane Hinz und Jutta Krug.

Worum genau geht es in dem WDR-Dokumentarfilm "Made to measure", der am 1. September im WDR Fernsehen zu sehen sein wird?

"Made to measure" ist ein künstlerisches Experiment der Gruppe Laokoon: Kann man eine Person allein anhand ihrer Online-Spuren nachbilden? Von jemandem, den man nicht kennt, einen Doppelgänger oder eine Doppelgängerin erschaffen? Das Leben einer Person bis ins Detail nachbauen, nachspielen und verfilmen?

Im Sommer 2020 wurden Social-Media-Spots in mehreren Sprachen geschaltet, User:innen sollten bei Google und Facebook die Herausgabe ihrer persönlichen Daten verlangen und diese Daten anonymisiert zur Verfügung zu stellen. Mehr als 100 Menschen aus ganz Europa haben mitgemacht.

Den Missbrauch persönlicher Daten beleuchten

Ein Datensatz wurde ausgewählt, der das Leben eines Menschen fünf Jahre umfasste. Im Dokumentarfilm geht es, ausgehend von einem Experiment mit hochkarätigen Forscher:innen und Google-Insidern darum, den Missbrauch persönlichster Daten – etwa solche zur mentalen Gesundheit oder Lebenskrisen – zu beleuchten. Darüber hinaus wird gefragt, ob solche Krisen und Krankheiten künftig verhindert werden könnten, wenn Unternehmen wie Google oder Facebook Auffälligkeiten in Daten nutzen, um die User:innen – auch vor sich selbst – zu warnen.

Was hat Sie an dem Thema gereizt?

Der Film leuchtet die Risiken und Gefahren, aber auch die Chancen der Digitalen Revolution aus. Daten sind die Handelsware der Gegenwart, das Gold unserer Zeit, denn mit den digitalen Informationen über uns wird sehr viel Geld verdient. Sie erlauben personalisierte Werbung, das heißt Werbung, die maßgeschneidert ist auf die Bedürfnisse und Interessen jedes Einzelnen – ob für oder gegen den Brexit oder eine Diät. Das ist ja auch die Bedeutung des Titels: Made to Measure, maßgeschneidert.

Welche Risiken und Potenziale birgt das?

Die Risiken sind bekannt. Wenn wir mit all unseren Entscheidungen berechenbar sind, dann ist der nächste Schritt zur Verhaltensbeeinflussung – etwa bei Kaufentscheidungen – nicht weit. Wenn die mögliche Beeinflussung aber in beide Richtungen gedacht wird und Datenauswertungen etwa genutzt werden bei Suizidabsichten und möglicherweise Selbstmord verhindern oder um Radikalisierungsabsichten zu erkennen und vorzubeugen, dann hat die Datensammelei vielleicht auch Potenzial in eine positive Richtung.

Laokoon sind Hans Block und Moritz Riesewieck, von denen der erfolgreiche Film "The Cleaners" stammt, sowie Cosima Terrasse. Was macht die besondere Herangehensweise der drei Autor:innen an Netz-Themen aus?

Laokoon bezeichnet sich selbst als Künstlergruppe. Und in der Herangehensweise und Umsetzung ihrer Arbeit werden sie geleitet von einem hohen künstlerischen und auch inhaltlichen Anspruch. Sie wollen mit ihren Arbeiten einen gesellschaftlichen Diskurs auslösen und neue Zusammenhänge und Schlüsse herstellen. Dafür nehmen sie sich Zeit, hinterfragen und experimentieren.

Überraschende Ableitungen aus unseren digitalen Spuren gezogen

Für "Made to Measure" haben sie mit einigen der renommiertesten Forscher:innen auf dem Gebiet des Data Trackings, der digitalen Persönlichkeitsanalyse sowie der personalisierten Online-Werbung gesprochen und ein Experiment entwickelt, das zeigt, dass auch ohne Künstliche Intelligenz verblüffend intime Ableitungen gezogen werden können – einfach aus den digitalen Spuren, die jede:r von uns im Netz hinterlässt. Herausgekommen ist ein sehr vielseitiges, crossmediales Produkt, das Elemente von Theater, Datenanalyse und Film vereint, geleitet von einem stark journalistischen Anspruch.