Daniel Donskoy zu "Freitagnacht Jews": "Eine Show zwischen Antisemitismus und Hühnersuppe"
Stand: 21.04.2021, 11:24 Uhr
Daniel Donskoy ist ein echtes Multitalent. Schauspieler, Musiker – und seit dem 23. April in einer weiteren Rolle zu sehen: Als Gastgeber und Creative Producer des neuen Formats "Freitagnacht Jews" im WDR-YouTube-Kanal und in der ARD-Mediathek. In den insgesamt acht Folgen – die Auftaktfolge lief auch im WDR Fernsehen – lädt Donskoy interessante Persönlichkeiten wie den Publizisten Max Czollek, Schauspielerin Susan Sideropoulos und Autorin Mirna Funk zum Dinner und Diskurs. Wir sprachen vor dem Start mit Daniel Donskoy.
Was erwartet die Zuschauer*innen und User*innen in dem neuen Format?
Daniel Donskoy: Die Zuschauer*innen können sich auf angeregte Diskussionen freuen. Ich spreche mit meinen Gästen über eine nicht einfache Thematik, über das Verständnis der jüdischen Identität in Deutschland, einem Land wo diese leider nicht unbelastet ist. Wie also geht man in guter jüdischer Tradition an die heikelsten Themen? Mit einer Balance aus Humor, Streitlust im besten Sinne und gutem Essen. Eine Show zwischen Antisemitismus und Hühnersuppe.
Was ist dein ganz persönlicher Anspruch an ein gutes Gespräch, was ist dir dabei wichtig?
Daniel Donskoy: Ich möchte den Menschen mit offenem Herzen begegnen – ganz anders als in einer politischen Talkshow. Wir sind kein weiteres eindimensionales Porträt über JUDEN und JÜDINNEN, sondern der Versuch, einen facettenreichen Blick in diese - oft in scharfem Licht gesehene - Minderheit zu ermöglichen. Nicht von außen, sondern aus dem Kern heraus.
Es geht hier nicht um Headlines oder Klickbait – sondern den ehrlichen journalistischen Ansatz zu verstehen, was die Menschen bewegt. Es ist für mich das erste Mal, so zu arbeiten – eine Kumulation von Journalismus, Hosting und Producing. Es hat verdammt viel Spaß gemacht, vor allem weil es so verdammt wichtig ist. Jude ist ein Wort, das Menschen hier immer noch nicht gerne in den Mund nehmen. Von Normalität sind wir weit entfernt. Es ist ein erster wagemutiger Schritt in eine hoffentlich bessere Richtung.
Gab es bei den Gesprächen auch für Dich Überraschungsmomente? An welche erinnerst du dich?
Daniel Donskoy: Zum Beispiel beim Gespräch mit Ahmad Mansour war ich zeitweise so zu Tränen gerührt, dass es schwierig war, die Linie des Gesprächs zu halten. Eine tolle Folge, die hoffentlich zu einer Horizonterweiterung zum Thema Israel-Palästina beitragen kann.
Wird bei den Gesprächen mit deinen Gästen mehr gelacht oder gestritten?
Daniel Donskoy: Wir diskutieren eher, als dass wir streiten – aber natürlich steht der Humor auch immer mit im Vordergrund. Wir wollen einander verstehen durch Empathie. Streitkultur geht gerade verloren. Ich würde provokant behaupten, sie ist vom Aussterben bedroht. Nicht bei uns.
Welche Rolle spielt bei den "Freitagnacht Jews" das Essen?
Daniel Donskoy: Eine nicht so große, es ist ja keine Kochshow. Das Essen ist eher Mittel zum Zweck, eine Form des Zugangs zueinander, es sorgt für eine schöne Atmosphäre. Das Essen spielt in der jüdischen Kultur eine wichtige Rolle. Die meisten Feiertage erklären sich so: Sie wollten uns umbringen, sie haben es nicht geschafft, lasst uns essen.
Du bist in Moskau geboren, in Tel Aviv und Berlin aufgewachsen, hast in London studiert, wo Du heute im Wechsel mit Berlin lebst. Wo fühlst Du Dich zu Hause und was heißt Heimat für Dich?
Daniel Donskoy: Ich bin nirgendwo und überall zu Hause. Man könnte da von einem Pippi-Langstrumpf-Peter Pan-Syndrom sprechen: Ich mach‘ mir die Welt, wie und wo sie mir gefällt. Es geht um Perspektiven und Möglichkeiten, weniger um Anpassung. Ich bin da zu Hause, wo es mir gut geht und ich Menschen um mich habe, die ich liebe.
Du bist ein sehr gefragter Musiker und Schauspieler. Was hat Dich überzeugt, als der WDR auf Dich zukam und das Projekt mit Dir machen wollte?
Daniel Donskoy: Natürlich die Thematik. Die jüdische Identitätsfrage, die ich selber versuche, seit nun 31 Jahren für mich zu beantworten. Na gut, lassen Sie es mal 20 Jahre sein. Es ist die erste jüdische Late Night Show Deutschlands. Eine geile Chance, mit dem Publikum und meinen Gästen gemeinsam auf eine Reise zu gehen.
Die Show soll helfen, neue Perspektiven zu öffnen. Welche sind das, welche sind Dir wichtig?
Daniel Donskoy: Es geht einerseits um Vielfalt und Toleranz. Aber auch darum, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer ihre Angst verlieren, auch mal Fragen zu stellen, die wirklich interessieren. Jeder Mensch hat eine andere Perspektive. Es soll Denkanstöße geben, ja auch mal wehtun. Die Sendung ist quasi ein Paradoxon – es soll eine Annäherung geben, aber es müssen auch die Unterschiede aufgezeigt werden. Was ist Integration, was Assimilierung? Kann man sich innerhalb einer Community Bubble als Teil der Mehrheitsgesellschaft fühlen? Vieler dieser Fragen und einigen mehr haben wir uns angenähert.
Wie lautet dein Fazit, wie zufrieden bist du mit dem Ergebnis?
Daniel Donskoy: Die Sendung ist anders, das hat mich fasziniert. Auch wie sich die Gespräche entwickelt haben, eben oft in eine andere, überraschende Richtung. Die Show wird aufrütteln. Vielleicht werden mir das auch einige Menschen ankreiden, aber das macht mir nichts aus. Es ist für mich ein Geschenk, mit einem Team von Menschen, von denen ich viele meine Freunde nennen darf, unser Herzblut in ein gemeinsames Projekt stecken zu können, das die realistische Möglichkeit hat, etwas zu bewegen.
Interview: Christian Schyma
Hinweis: Ab dem 23. April steht immer freitags um 17 Uhr eine Folge "Freitagnacht Jews" im WDR-YouTube-Kanal und in der ARD-Mediathek. Ein zusätzliches Angebot gibt es direkt zu Beginn: Am 23. April läuft die Auftakt-Folge mit Susan Sideropoulos und Mirna Funk auch im WDR Fernsehen, von 23.30 Uhr bis 0 Uhr. Auch die zweite Folge mit Lyriker Max Czollek geht direkt am 23. April um 17 Uhr in die ARD-Mediathek und in den WDR-YouTube-Kanal.
"Freitagnacht Jews" ist eine Produktion der Turbokultur GmbH im Auftrag des WDR. Produzenten sind David Hadda und Martin Danisch, Executive Producer ist Remigius Roskosch und Creative Producer ist Daniel Donskoy. Die WDR-Redaktion liegt bei Thomas Hallet und Marion Menne-Mickler, Mitarbeit: Maja Andresen.