Wenn an Wochenenden der Ball durch die Fußball-Stadien der Republik rollt, verfolgen rund acht Millionen Menschen die von WDR 2 produzierte ARD-Bundesliga-Konferenz am Radio. Am 1. November 1925 waren es noch nicht ganz so viele: Gerade einmal 6.000 Empfangsgeräte soll es in Deutschland gegeben haben, als zum ersten Mal ein Fußballspiel live im Radio übertragen wurde.
Echte Pionierarbeit also, die Bernhard Ernst beim Heimspiel von Preußen Münster gegen Arminia Bielefeld geleistet hat. Ernst arbeitete beim Vorläufer des WDR. Erst im Oktober 1924 hatte die Westdeutsche Funkstunde AG ihren Betrieb aufgenommen und sendete auf der Mittelwelle 410. Dass gerade Münster zur Geburtsstätte der Fußball-Live-Übertragung wurde ist dabei eher einem Zufall zu verdanken. Rheinland und Ruhrgebiet waren von alliierten Truppen besetzt und der Betrieb von Rundfunkanlagen dort verboten. So fand der Vorgänger des WDR seinen Sitz am Albersloher Weg, wo heute die Stadtwerke Münster angesiedelt sind. Ganz in der Nähe liegt heute auch die Bernhard-Ernst-Straße, benannt nach dem Mann, der Radiogeschichte schrieb.
Historische Pionierarbeit
Der promovierte Sportjournalist hatte für diesen historischen Moment alles bis ins kleinste Detail geplant. Es mussten im Vorfeld des Spiels extra Kabel aus dem Stadion heraus in Richtung Funkhaus verlegt werden. Sogar eine Generalprobe ließ Ernst veranstalten. Reporterkabinen gab es damals natürlich noch nicht. Stattdessen stand der damals 26-jährige beim Spiel hinter einem kleinen Hockey-Tor, das sich wiederum hinter dem Fußball-Tor befand. "Das Mikrofon musste damals schwingungsfrei aufgehängt werden", erklärt Karl-Ulrich Oberlies, ehemaliger Leiter des Technologie-Referats im WDR. "Wenn es sich zu sehr bewegte hätte, hätte es zu viele Knackgeräusche bei der Übertragung gegeben."
Um ein Haar wäre aber gar nichts zu hören gewesen: Als das Spiel angepfiffen wurde und Ernst seine wohlüberlegten ersten Worte über die Äther schicken wollte, blieb alles stumm. Ein "wohl übereifriger Postbeamter" hatte kurz vor dem Spiel im Kabelschacht die gerade erst mühsam verlegte Leitung aus den Fugen gebracht.
Ernst musste improvisieren und griff nach einem Telefon, das eigentlich zur Verständigung mit dem Funkhaus vorgesehen war. "Dadurch muss die Tonqualität an den Empfangsgeräten allerdings etwas schlechter als geplant gewesen sein", erklärt Oberlies.
Tragischer Held
Das Spiel verloren die Preußen übrigens mit 0:5 gegen die Arminia. Der Siegeszug des Hörfunks war dank der Pionierarbeit von Bernhard Ernst aber nicht mehr aufzuhalten: Während Ende 1925 kaum 10.000 Menschen in Deutschland ein Empfangsgerät besaßen, schätzte man die Zahl der Fußballverrückten vor den Radios bei der Live-Übertragung des Endspiels um die Deutsche Meisterschaft in der Folgesaison bereits auf 400.000. Ende 1926 hatte das neue Medium gar 780.000 Anhänger erreicht.
Jahre später sollte Bernhard Ernst dann noch einmal Fußball-Geschichte schreiben – nur weiß das heute kaum noch jemand: 1954 arbeitete er fürs Fernsehen und kommentierte das legendäre Spiel zwischen Deutschland und Ungarn live. Millionen deutsche hörten seine Stimme, als sie vor den heimischen Fernsehern über den ersten WM-Titel für die DFB-Elf jubelten. Weil eine Aufzeichnung der Übertragung damals aber technisch nicht möglich war, wurde ein anderer zum Kultkommentator des "Wunder von Bern." Herbert Zimmermanns Worte aus der live Hörfunk-Reportage "Aus! Aus! Das Spiel ist aus!" sorgen bei Fußballfans noch heute für Gänsehaut.