Ellen Ehni, WDR-Chefredakteurin Fernsehen

"Mutig bleiben und zusammenhalten"

Stand: 24.07.2019, 11:00 Uhr

Am 19. Juli 2019 hat der WDR Strafanzeige wegen einer Morddrohung gegen Georg Restle gestellt. Zuvor war der "Monitor"-Redaktionsleiter heftig für einen AfD-kritischen Kommentar in den "Tagesthemen" angegriffen worden. Ein Gespräch mit Ellen Ehni, WDR-Chefredakteurin Fernsehen.

Ellen Ehni, was ging in Ihnen vor, als Sie von der Drohung gehört haben?

Ellen Ehni: Ich war und bin entsetzt. Eine Morddrohung ist absolut inakzeptabel. Georg Restle wird aufgrund seiner journalistischen Arbeit bedroht. Er ist ein ausgezeichneter politischer Journalist, der klar Position bezieht. Ich verstehe, dass nicht jeder seine Meinung teilt, aber darum geht es in diesem Fall nicht. Für ihn und für uns alle gilt Meinungs- und Pressefreit. Das ist für mich ein hohes Gut, das nicht angetastet werden darf.

Was raten Sie Kolleginnen und Kollegen, die angefeindet oder bedroht werden, z.B. per Mail oder Twitter?

Ehni: Mir ist wichtig, dass jede Kollegin und jeder Kollege weiß, dass sie oder er sich jederzeit an mich wenden kann. Ich bin immer ansprechbar und gehe davon aus, dass das auch für alle anderen Führungskräfte im WDR gilt. Die Sicherheit unserer Mitarbeiter*innen hat für uns immer höchste Priorität; der WDR nimmt diese Aufgabe, da wo nötig, in enger Absprache mit den staatlichen Stellen wahr. Besonders wichtig ist für mich, dass die Kolleg*innen wissen, dass wir als WDR hinter ihnen stehen. Ich möchte allen, die für ihre Meinung einstehen oder über kritische Themen berichten, ausdrücklich den Rücken stärken.

Wie erleben Sie die Diskussionskultur in der Öffentlichkeit, vor allem auch in den sozialen Medien? Haben Angriffe auf Journalisten zugenommen?

Ehni: In den sozialen Medien erleben wir verstärkt, wie Journalist*innen verbal angegriffen werden. Unsere Reporter*innen erleben das auch bei Dreharbeiten. Ein Team von "Monitor" wurde etwa während einer Demonstration in Chemnitz angegriffen. Zahlen vom European Centre for Press and Media Freedom in Leipzig legen nahe, dass auch die direkten Angriffe auf Journalist*Innen zugenommen haben. Auf Grundlage von Polizei- und Medienberichten sowie von Twitter-Accounts von Journalist*innen registrierte das Zentrum im vergangenen Jahr in Deutschland 26 tätliche Angriffe auf Journalist*innen – dreimal so viel wie im Jahr zuvor. Bei 22 Taten wurde ein politisch rechter Übergriff attestiert. Hauptgrund für den deutlichen Anstieg ist die Eskalation in Chemnitz im Spätsommer 2018.

Wir erleben derzeit eine Polarisierung der Gesellschaft. Debatten werden emotional aufgeladen. Es wird schwieriger, in einem sachlichen Diskurs zu bleiben und Argumente auszutauschen. Mit Drohungen und Gewalt kommt eine neue Qualität hinzu, die wir niemals akzeptieren dürfen. Wir sollten also einerseits das Unsere dazu beitragen, Debatten zu versachlichen und zu depolarisieren – und andererseits der Verrohung entschieden entgegentreten, wo immer wir mit ihr konfrontiert werden.

Wie gehen Sie persönlich mit Anfeindungen oder unsachlicher Kritik um?

Ehni: Das Wichtigste ist, zunächst die Ruhe zu bewahren und einen Schritt zurück zu treten, auch wenn das schwer fällt. Je nachdem wer der Absender ist, möchte ich den Sachverhalt "richtig" stellen. Aber nicht durch einen "Gegenangriff", sondern möglichst konstruktiv. Mir ist wichtig, mutig zu bleiben und zu meiner Meinung zu stehen. Wir dürfen uns nicht abschrecken oder entmutigen lassen – und dabei müssen wir alle zusammenhalten.