"Tabubrüche dürfen passieren"

Stand: 08.11.2019, 12:33 Uhr

Nach fast 22 Jahren und 22.000 Telefonaten beendete Jürgen Domian 2016 seine Nachtschicht im WDR. Im Interview spricht er über seine neue wöchentliche Sendung, die am 8. November startet.

Am Freitag, den 8. November, startet die neue wöchentliche Sendung "Domian Live" mit Jürgen Domian. Zunächst in vier Freitagnächten, jeweils von 23.30 bis 0.30 Uhr, spricht Domian in der Kölner WDR-Kantine mit Menschen, die sein Team ausgewählt hat. "Domian wird vorher garantiert keine Informationen über die Gäste und die Themen bekommen", sagt die verantwortliche WDR-Redakteurin Elke Thommessen. Wer in der Live-Sendung reden möchte, kann sich unter der Telefonnummer 0800 220 8899 oder per Mail an domian@wdr.de melden. In der aktuellen WDRprint-Ausgabe vom November/Dezember 2019 spricht Domian im Interview mit Michael Scholten über seine neue Sendung.

Herr Domian, der große Philosoph Marius Müller-Westernhagen sang: "Ich bin wieder hier, in meinem Revier, war nie wirklich weg, hab’ mich nur versteckt." Trifft das auch auf Sie zu?

Versteckt habe ich mich nicht. Ich hatte mich nur aus der Nacht­sendung verabschiedet, weil ich gesundheitlich am Limit angekommen war. Danach war ich mit einem 1LIVE-Talk-Programm auf Tournee, habe ein Buch geschrieben und ging auch damit auf Lese-Tournee. Aber bald schon merkte ich, dass mir das Talken fehlt, dieser intensive Gesprächs­kontakt mit unterschiedlichsten Menschen.

Jetzt sind Sie "wieder hier, in Ihrem Revier", dem WDR. Warum wird "Domian Live" ausgerechnet in der WDR-Kantine produziert?

Das ist für unsere Sendung ein toller Ort. Die Kollegen werden einen Teil der Kantine als wohnliches Studio herrichten, und die Kamera kann die nächtliche Atmosphäre der Großstadt, zum Beispiel durch Schüsse auf die Nord-Süd-Fahrt, sehr gut transportieren.

Warum lassen Sie die frühere Sendung nicht einfach wieder auf­leben?

Das Thema Telefon-Nighttalk ist für mich abgeschlossen. "Domian Live" ist eine schlüssige und behut­same Weiterentwicklung des alten Formats. Nach fast 22.000 Telefon-Interviews freue ich mich darauf, meine Gäste sehen zu können. Mimik, Gestik, Körperhaltung, Kleidung und Blicke geben mir viele Informationen. Früher habe ich mich oft gefragt, wie wohl die eine oder andere Person, mit der ich gerade telefonierte, aussieht.

Hatte die Anonymität des Telefonierens nicht den Vorteil, dass die Anrufer offener reden konnten? Sind die jetzt nicht gehemmt durch die Kameras und die 100 Zuschauer in der WDR-Kantine?

Die Menschen sind bereit offen zu sprechen, auch über ganz intime Themen. Ich habe mit vergleichbaren Gesprächen auf der Bühne gute Erfahrungen gemacht und schätze, dass etwa 85 Prozent derer, mit denen ich früher telefoniert habe, keine Scheu hätten, auf einer Bühne und vor einer Kamera zu sprechen. Für ganz besondere Fälle, wenn jemand nicht erkannt werden möchte oder wegen einer extrem schweren Erkrankung nicht aus dem Haus kann, besteht auch in der neuen Sendung die Möglichkeit, sich per Telefon zu äußern.

Das Talkradio lebte nicht zuletzt von Tabubrüchen. Sind die auch bei "Domian Live" erwünscht und eingeplant?

Einplanen kann und sollte man so etwas nicht. Aber Tabubrüche dürfen passieren. Ich weiß ja im Vorfeld gar nicht, welche Gäste und Themen auf mich zukommen. Diese Auswahl trifft die Redaktion, und die hat ganz gewiss keine Schere im Kopf. Ich freue mich über das große Vertrauen, das der WDR mir entgegenbringt. Auch dass ich live senden kann, ist großartig.