Abschied von "Quarks"

Stand: 10.12.2018, 13:53 Uhr

Seit 25 Jahren ist Ranga Yogeshwar das Gesicht von "Quarks", Ende des Jahres gibt er die Moderation des WDRWissensmagazins ab. Christine Schilha sprach mit dem Physiker und Wissenschaftsjournalisten über Abschied, Anfänge und Zukunft: Mit dem WDR plant er neue Projekte.

Herr Yogeshwar, Sie haben "Quarks" – damals noch "Quarks & Co" – 1993 aus der Taufe gehoben und seither geprägt. Warum jetzt der Abschied?

Es war eine großartige Zeit, aber mir ist es wichtig, im richtigen Moment loszulassen. Wir haben mit Mai Thi Nguyen- Kim und Ralph Caspers zwei exzellente Kollegen, die »Quarks« auf ihre ganz eigene Art prägen und erweitern werden. Die ganze Abteilung ist gut aufgestellt. Es ist also jetzt der perfekte Zeitpunkt für eine Staffelübergabe.

Was werden Sie stattdessen tun?

Neben vielen anderen Aktivitäten als Journalist und Autor bleibe ich dem WDR verbunden. Wir wollen zusammen neue Projekte machen, auf die ich mich freue. Aktuell arbeiten wir an einem Zweiteiler zum Thema "Künstliche Intelligenz", der im Frühjahr 2019 im Ersten ausgestrahlt wird.

Es wird also auch weiterhin Ihr Gesicht im Fernsehen geben?

Natürlich! Ich gehe nicht in den Ruhestand. Es ist nur ein Abschied von »Quarks«. Ich habe ja auch andere Formate wie "Kopfball" oder "Wissen vor acht" ins Leben gerufen und dann irgendwann abgegeben. Ich war immer ein guter Loslasser.

Sie haben eine musikalische Ausbildung genossen. Wollten Sie ursprünglich Musiker statt Wissenschaftler werden?

Ich spiele gerne und gut Klavier, aber ich weiß auch um meine Grenzen, wenn es darum geht, vor Publikum zu spielen. Der Musik bin ich nach wie vor verbunden. Beispielsweise habe ich die Konzertreihe »Experiment Klassik« mit Markus Stenz und dem Gürzenich-Orchester in der Kölner Philharmonie moderiert oder eine Matinee mit jungen Talenten beim Klavier-Festival Ruhr.

Sie haben dann experimentelle Physik studiert. Warum haben Sie sich schließlich für den Journalismus entschieden und nicht für eine akademische Laufbahn?

Ich habe mich von der Wissenschaft nicht ganz abgewandt: Anfang Oktober hatte ich eine Keynote-Präsentation beim "Science and Technology in Society"-Forum in Kyoto, Anfang November war ich an der Uni in Heidelberg. Der Kontakt in die akademische Welt ist also nicht abgebrochen.

Mit dem Fernsehen kam ich bei einer besonderen Gelegenheit in Kontakt: 1968 hat meine Mutter einen gebrauchten Schwarz-Weiß-Fernseher gekauft, weil die Mondlandung anstand. Bei meiner ersten Begegnung mit dem Medium war ich neun Jahre alt: Ein halbes Jahr vor der Landung der Apollo 11 auf dem Mond erreichte die Apollo 8 am 24. Dezember 1968 die Mondumlaufbahn. Die Astronauten Borman, Anders und Lovell verlasen bei einer TV-Übertragung aus dem Orbit die ersten Zeilen der biblischen Schöpfungsgeschichte als Weihnachtsbotschaft – ein sehr bewegender Moment, an den sich jeder erinnern kann, der ihn erlebt hat. Ich bewunderte damals den WDR-Journalisten Günter Siefarth, der mit einem Knopf im Ohr im Fernsehstudio stand und immer sagte: "Ich höre gerade Houston." Das war die Initialzündung. Genau 25 Jahre später gründeten wir "Quarks" und wiederum 25 Jahr später in meiner letzten "Quarks"-Sendung wird es nach 50 Jahren anlässlich des Jubiläums der Apollo-Mission um genau dieses Ereignis gehen. Da schließt sich wunderbar ein Kreis.

Mit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl begann dann 1986 tatsächlich Ihre Fernsehkarriere…

Ja, das war mein erstes Mal vor der Kamera. Ich war damals ein junger Physiker, der ein wenig journalistisch für den WDR gearbeitet hatte, und wurde plötzlich zum "Experten". Wenn man das heute sieht – ich würde durch jedes Casting fallen. Aber damals wie heute ging es mir darum, den Menschen Fakten zu vermitteln und sie nicht allein zu lassen in einem Nebel der Spekulationen. Überall dort, wo eine Diskrepanz zwischen Fakten und Gefühlen herrscht, braucht es Aufklärung. Das ist die Aufgabe und Chance der öffentlichrechtlichen Medien. Kommerzielle Medien mögen sich an den Menschen orientieren, wir aber geben den Menschen Orientierung – das ist eine völlig andere Haltung.

Die sozialen Medien fördern aber leider die Verbreitung von Fake News. Wie kommt man dagegen an?

Momentan operieren die sozialen Netzwerke nach rein ökonomischen Regeln, doch Kommunikation ist mehr als das Optimieren von Likes im Kontext einer lauten Erregtheitsbewirtschaftung. Man kann die Entwicklung mit der Entdeckung eines neuen – digitalen – Kontinents vergleichen. Die spanischen und portugiesischen Entdecker haben sich in der Neuen Welt zunächst sehr unzivilisiert benommen. Mit dem digitalen Kontinent erleben wir momentan etwas Ähnliches. Da werden Claims abgesteckt und hemmungslos Daten gesammelt. In den nächsten Jahren wird sich das ändern: mit neuen Regeln und Konventionen. So entsteht allmählich ein zivilisierter Umgang. Wir sind gerade dabei, ein anderes Bewusstsein bezüglich unserer Daten zu entwickeln. Wir können das gestalten und als Gesellschaft darüber reflektieren und uns nicht nur als Konsumenten begreifen. Es ist eine spannende Zeit.

Sie beschäftigen sich in Publikationen und Vorträgen mit den Herausforderungen und Chancen der digitalen Revolution. Außerdem waren Sie dieses Jahr am "March for Science" in Köln aktiv beteiligt. Ist grassierende Wissenschaftsfeindlichkeit eine Gefahr?

Viele haben das Gefühl, die Welt wird immer schlechter. Tatsächlich leben wir aber in einer Welt, die durch Wissenschaft und Innovation deutlich besser geworden ist: Gewalt und Kindersterblichkeit sind zurückgegangen, die Lebenserwartung hat sich dramatisch erhöht. Das muss jedoch besser kommuniziert werden. Wir müssen komplizierte Dinge verständlich darstellen und in einen Gesamtzusammenhang einordnen. Genau das haben wir auch mit »Quarks« immer versucht.

Aber was, wenn wissenschaftliche Fakten wie der Klimawandel oder der Nutzen von Impfungen beharrlich geleugnet werden?

Dann müssen wir das als Ansporn nehmen und die Sprache der Aufklärung verbessern, indem wir diese Dinge deutlich verständlicher vermitteln.

Ein anderes Thema, das Ihnen sehr am Herzen liegt, ist das interkulturelle Zusammenleben und der erstarkende Rassismus. Welche persönlichen Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

Als ich anfing, war ich einer der ersten Dunkelhäutigen im deutschen Fernsehen. Das war nicht immer einfach. Es gab drastische, unschöne Briefe. Einige Menschen sehen nur das Trennende, nicht das Verbindende. Das hat sich aber im Laufe der Zeit gelegt. Heute bin ich nicht nur der „Erklärbär“ der Nation, sondern auch jemand, der sich zu gesellschaftlichen Themen äußert. Da gibt es auch manchmal hässliche Posts oder Mails bis hin zu Drohungen. Aber das darf einen nicht abhalten.

Wie wird Ihr Abschied aussehen?

Die letzte Aufzeichnung im Studio ist am 4. Dezember. Danach gibt es eine Party mit dem Team, dem mein herzlichster Dank gilt. Am 5. geht es noch nach Oberpfaffenhofen zum Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt für eine Schalte zum ISS-Astronauten Alexander Gerst ins All. Gesendet werden beide Sendungen im Doppelpack am 11. Dezember.