Ralf Lachmann in Kleve

Meine Stadt Kleve

Von Monarchen, Mühlen, Merkel, Moränen und den Niederlanden erzählt WDR-Radioreporter Ralf Lachmann, wenn er für seine Stadt Kleve wirbt. Sie bietet viel holländisches Flair und sogar einen Berg. Im prunkvollen Barockgarten trifft sich die hohe Politik, und der ehemalige Hafen gehört nicht nur zu Lachmanns Lieblingsplätzen in Kleve.

"Ich dachte, der Niederrhein sei unser Flachland, aber Reisen bildet ja", scherzte mir ein lächelnder Bundespräsident bei seinem Kleve-Besuch im Mai ins Mikro. Allerdings war kurz vor Joachim Gauck – erdgeschichtlich betrachtet – schon die letzte Eiszeit hier, vor gut 10 000 Jahren. Abgeschmolzene Gletscher haben Moränen hinterlassen, Geröll aus Skandinavien. Darum hat die 49 000-Einwohner-Kreisstadt heute Hügel, Hänge, Ober- und Unterstadt. Mitten drin, nahe der Stiftskirche, thront Kleves Wahrzeichen, die Schwanenburg. Oft berichten wir von dort, weil das Landgericht auf der Burg über Mord und Drogenschmuggel verhandelt.

Im 16. Jahrhundert herrschten auch von hier die Herzöge von Jülich-Kleve-Berg über ein Territorium, größer als das heutige NRW. Berühmteste Kleverin – zeitgeschichtlich betrachtet – ist Anna von Kleve. Die Herzogstocher wurde 1540 englische Königin an der Seite des blutrünstigen Henry VIII. Die Klever Burg ihrer Kindheitstage erkunden heute Touristen.

Der Klever Berg garantiert einen Blick bis in die Niederlande

Ralf Lachmann in Kleve

Die "höchste Erhebung zwischen Südschweden und Eifel" nennt der Klever Bruno Schmitz, Kulturmanager, Kabarettist und Mitbegründer der Kölner Stunksitzung, den 106 Meter hohen Klever Berg, gekrönt von einem Aussichtsturm. Sein Engagement sorgte dafür, dass der verfallene Turm jetzt renoviert und bald wiedereröffnet wird. Niederlande und Niederrhein liegen einem hier oben zu Füßen und einer der größten Staatsforste des Landes, der Klever Reichswald.

An einem Waldhang ließ Johann Moritz Fürst von Nassau-Siegen im 17. Jahrhundert einen Teil seines europaweit stilprägenden Barockgartens anlegen: den Klever Tiergarten. Auch Angela Merkel schritt mit dem niederländischen Regierungschef Mark Rutte schon hindurch. Die Kabinette aus Berlin und Den Haag waren dabei. "Tolle Kulisse für deutsch-niederländische Regierungsgespräche", schwärmte die Bundeskanzlerin. Getagt wurde im Museum Kurhaus, Ort moderner Kunst, vor 100 Jahren tranken hier Kurgäste Heilwasser, als noch von Bad Cleve die Rede war. Joseph Beuys hatte hier später sein Atelier, heute ist es wieder, originalgetreu aufgebaut, im Museum zu sehen.

Das Team im WDR-Büro Kleve gehört zum Düsseldorfer Funkhaus und hat hier, an der Grenze, seit jeher sein Ohr am Niederrhein und den Niederlanden. Ein zweites Studio ist in Den Haag. Häufig kommen Hörer rein, schildern Geschichten, die wir journalistisch aufgreifen. Das Team leitet ARD-Niederlande-Reisekorrespondent Ludger Kazmierczak "op nederlandse manier", flache Hierarchien, charmant locker und pragmatisch.

Niederländisch können alle im Team, auch Techniker Egbert Strotmann, Nicole Teuben im Sekretariat ohnehin. Die gebürtige Niederländerin hat bei gemeinschaftlichen Morgenlektüren deutscher und niederländischer Zeitungen so manches Thema dies- und jenseits der Grenze mit ausgegraben. Egbert weiß immer genau, wo ein O-Ton zu schneiden ist, egal, ob es ein Dialekt aus dem niederländischen Achterhoek ist oder aus der Provinz Zeeland. Ludger ist immer da, wo´s brennt, ihn bringt nichts aus der Ruhe. Een echt prima baas, also ein klasse Chef, finden hier alle. 1994 holte mich der legendäre Gründer dieser "Kleve-Den Haag-Studio-Connection" des WDR, der leider viel zu früh verstorbene Hans-Peter Riel, ins Team. Seitdem bin ich als freier Radioreporter dabei.

Die Themenpalette reicht von der baldigen Renovierung der längsten Hängebrücke Deutschlands, die zwischen Kleve und Emmerich den Rhein überspannt, über die vom Rotterdamer Hafen ins Ruhrgebiet führende Güterzugstrecke Betuwe-Linie, tamilische Pilger im Wallfahrtsort Kevelaer, den letzten Aalfischer in Kalkar, jetzt wieder einfliegende arktische Wildgänse, das Auf und Ab am Airport Weeze, den Wirbel um Ronald Pofallas Wechsel zur Bahn bei der Klever Basis bis hin zu Methan pupsenden Kühen im Klever Haus Riswick, Lehr- und Versuchsanstalt der NRW-Landwirtschaftskammer.

Ralf Lachmann in Kleve

Andererseits – und das macht meinen Reporterjob hier besonders spannend – kann ich seit 20 Jahren auch ab und an aus den und über die Niederlande für WDR und ARD mit berichten, zuletzt über ein tragisches Ereignis, den Abschuss der in Amsterdam gestarteten MH17; an der Seite von Redakteurin Susanne Bode aus Aachen, die für Ludger Kazmierczak gerade Urlaubsvertretung machte. Mein Reporterjob führte mich also auch quer durchs Nachbarland, zum Beispiel auf der Draisine von Kleve über Kranenburg nach Groesbeek (NL). Pedalbetrieben strampeln Touristen über das stillgelegte Gleis rüber bis nach Holland.

In Nimwegen erklärte mir die niederländische Wasserbauministerin, wie dort eine künstliche Insel in der Waal entsteht, in Apeldoorn, in einem Bordell, ließ ich mir von Prostituierten erzählen, wonach das gerade in den Niederlanden eingeführte 1-bis-3-Sterne-System für Puffs bewertet, in Venlo erläuterte mir der Bürgermeister, was er gegen Kiffer tut, und auf Schloss Moyland, vor den Toren Kleves, lächelte mich dieses Frühjahr Königin Maxima an, als ich ihren Mann, den polyglotten König Willem-Alexander, auch nach dessen Spanischkenntnissen fragte. Der sagte lachend: "Ich spreche es, aber verstehen tut mich nur meine Frau!"

Kleves holländisches Flair ist überall spürbar. Eine restaurierte "Holländer Mühle" rattert im Stadtteil Donsbrüggen. Wer die Hauptfußgängerzone Große Straße runter läuft, entdeckt Läden, in denen Niederländer ihre Spezialitäten verkaufen: frietjes, vis, frikandel und kaas zum Beispiel. Gut 15 000 Niederländer wohnen am Niederrhein. Das niederländische Honorarkonsulat sitzt in Kleve, auch die Euregio Rhein-Waal.

Ralf Lachmann in Kleve

Noch internationaler, jünger, wurde Kleve mit dem Bau der Hochschule Rhein-Waal – eine Nebenstelle gibt es in Kamp-Lintfort. Neue Bars und Restaurants eröffneten. Studenten aus vielen Ländern wimmeln jetzt über den Campus am Kanal, auch einer meiner Lieblingsplätze zum Lesen und Verweilen. Früher war dies der Klever Hafen.

Ralf Lachmann (51), geboren in Duisburg, verbrachte Kindheit und Jugend in Emmerich, machte sein Abi dort und Zivildienst als Blutkonservenfahrer beim DRK in Kleve. Seit Ende der Schulzeit schrieb er für Tageszeitungen (NRZ in Emmerich, Rees und Isselburg) und studierte in Köln Englisch, Politikwissenschaften und Niederländisch (M.A.). Radiovolontariat beim Kreis-Klever Lokalfunk in Kleve, danach dann einer der ersten 1LIVE-Moderatoren. Seit 1994 als freier Radioreporter tätig, jetzt im Team des WDR Kleve.

Dieser Artikel erschien im November 2014 in der WDR PRINT.