Heinrich Buttermann in Lippstadt

Meine Stadt Lippstadt

Die Auswahl, welche Stadt wir hier vorstellen, fiel unserem WDR-Regionalkorrespondenten Heinrich Buttermann nicht leicht. Sieben Städte und sieben Gemeinden gehören zum Kreis Soest und damit zu seinem Einsatzgebiet. Letztendlich hat er sich für Lippstadt und seine Heimatgemeinde Lippetal entschieden.

Ganz plötzlich, von einer Minute zur anderen, fühle ich mich ein bisschen wie in Afrika. Es ist still, hohe Gräser und Büsche wie-gen sich im Wind, im Hintergrund schlängelt sich die Lippe und in der Ferne sind große, mächtige Tiere zu sehen ... In der Ferne? Nicht mehr wirklich: Mächtige Auerochsen und Wildpferde kommen im Galopp auf uns zu – auf mich und auf WDR print-Fotograf Bernd Maurer. Zum Glück sind wir hier in den renaturierten Lippe-Auen nicht allein unterwegs. Das ist verboten. Aus gutem Grund, erleben wir hautnah. Mathias Scharf von der Arbeitsgemeinschaft Biologi-scher Umweltschutz hebt die Arme, ruft laut "Ho-o" und stellt sich den Tieren in den Weg. Die bremsen ab, erkennen "ihren Chef", einige lassen sich sogar kraulen. 

Heinrich Buttermann in Lippstadt

Die Auerochsen sind zum Symbol für eines der größten und erfolgreichsten Naturschutzprojekte in NRW geworden. Die Lippe-Auen wurden mit Millionenaufwand wieder zurückgestaltet, die Bausünden der vergangenen einhundert Jahre repariert. Ich liebe diese zurückeroberte Naturlandschaft: Seitdem schlängelt sich der Fluss hier zwischen Lippstadt und Lippetal wieder durch die Aue, überschwemmt regelmäßig Teilbereiche und ließ im Wasser und an Land die Tier- und Pflanzenwelt explodieren. Eines der schönsten Projekte, das ich über Jahrzehnte als Regionalkorrespondent beglei-ten konnte. Naturschutz, Hochwasserschutz für den Rhein und ein tolles Ausflugsgebiet – Letzteres allerdings nur mit fachkundiger Führung oder aber von den vielen Aussichtstürmen, die am Rande der Lippe-Auen aufgestellt werden. Die sind übrigens durch den neuen Lippe-Auen-Radweg verbunden. Der verläuft aus Naturschutzgründen zwar nur selten direkt am Fluss entlang, ich empfehle ihn hier aber trotzdem gern.

Wälder und Felder zum "Durchpusten"

Radfahren kann man prima im flachen Teil Südwestfalens. Mal mit meiner Ehefrau und unseren drei Kindern, mal mit Freunden und immer mal wieder auch gern allein durch Wälder und über Feldwege, um den Kopf nach stressigen Tagen durchpusten zu lassen.

Heinrich Buttermann in Lippstadt

Viel Natur auf der einen und attraktive Städtchen auf der anderen Seite, das macht den Kreis Soest für mich aus. Lippstadt ist dabei die quirligste:  Die Menschen in der größten Stadt im Kreis Soest lieben es wie ich, sich möglichst oft draußen aufzuhalten, sobald sich die Sonne nur ein bisschen zeigt. Der Rathausplatz und die Poststraße: Dort genieße ich gern eine Pause in den vielen Bistros, Kneipen und Restaurants. 

Der Kreis Soest ist ein zusammengewürfeltes Gebilde: Einige fühlen sich "ostwestfälisch", andere beschreiben ihre Heimat als Münsterland, andere nennen sich "Fast-Sauerländer". Irgendwie liegen wir überall dazwischen. Viele Jahre wurde der Kreis Soest von verschiedenen Studios versorgt, jetzt gehört er – endlich und endgültig – fest zum Studio Siegen. Eine vorausschauende Entscheidung: Zusammen mit den Kreisen Siegen-Wittgenstein, dem Hochsauerland, dem Märkischen Kreis und Olpe sind wir jetzt auch politisch eine feste Region: "Südwestfalen".

 "Mein" Kreis Soest ist der hohe Norden Südwestfalens. Der wird durch die Lippe, aber auch durch die Möhne und den Möhnesee geprägt. Meine Fahrt zum WDR-Büro in Arnsberg – mit einem kleinen, schlagkräftigen und sehr engagiertem Team mit festen und freien Redaktionskollegen, Kamerateam, Fernsehschnittplatz und Hörfunktechnik – führt lange direkt am Ufer des Möhnesees entlang. Wenn die Motorradfahrer gerade nicht ganz so wild unterwegs sind, eine tolle Strecke zum Entspannen. Der See ist gerade zum schönsten in ganz NRW gewählt worden: Zu Recht, wenn man nicht gerade am Sonntagnachmittag auf die Idee kommt ihn zu erkunden.

Lippstadt, das "Venedig Westfalens"

Wasser und Ausruhen – diese Kombination kann ich hier bei uns an verschiedenen Stellen genießen. Lippstadt nennt sich stolz das "Venedig Westfalens". Die Lippe teilt sich mehrfach, fließt also parallel an vielen Stellen durch die Altstadt und durch den "grünen Winkel": Eine große Grünanlage mit vielen Spielplätzen, festen Liegestühlen zum Ausruhen und viel Ruhe – und das nur einen Steinwurf von der quirligen Altstadt entfernt. 

Heinrich Buttermann in Lippstadt

Und dann haben wir noch "die Lippstädter Seenplatte". Klingt etwas übertrieben, aber die Baggerseen haben schon ihren Reiz. Das Strandbad Alberssee ist schon lange kein Geheimtipp mehr. Vielleicht haben wir es doch einmal zuviel in der »Lokalzeit« vorgestellt. In den Sommerferien ist der Strand mittlerweile ähnlich dicht belagert wie Mallorca. Aber auch hier gibt es Nischen: Am frühen Morgen oder abends auf der Terrasse eines kleinen, aber feinen Restaurants ist es einfach nur wunderschön. 

Viel Natur und trotzdem die Vorzüge von zwei Kleinstädten quasi vor der Haustür, darum habe ich mich entschieden, im Lippetal direkt zwischen Soest und Lippstadt zu leben. Das kulturelle Angebot kann sich zum Beispiel durch das Kulturzentrum "Alter Schlachthof" in Soest und das aktive Stadttheater-Team in Lippstadt mit viel größeren Städten messen, die massenhaft startenden Heißluftballons bei der größten Montgolfiade Europas in Warstein Anfang September sind echt ein toller Hingucker, die "Soester Allerheiligenkirmes" Anfang November zwischen Fachwerkhäusern ein Muss.  

Heinrich Buttermann in Lippstadt

Nur zwei- bis dreimal im Jahr ist mir und meiner Ehefrau der Kreis Soest dann doch zu ruhig. Dann nutzen wir die gute Lage, um schnell wegzukommen. Über Ostwestfalen sind wir mit der Bahn in gut dreieinhalb Stunden in Berlin. Da schmeißen wir uns dann so richtig in das Großstadtleben, um danach die Ruhe hier bei uns an der Lippe umso mehr zu genießen. Und spätestens bei der nächsten Radtour Richtung Lippe-Auen kann ich mich wieder wie in Afrika fühlen. Ein herrlicher Kontrast.

Heinrich Buttermann (50) hat mit 15 Jahren zum ersten Mal für den WDR gearbeitet. Nach Zeitungsvolontariat und Journalistik- und Politikstudium in Dortmund sowie langer freier Mitarbeit zunächst im WDR Studio Dortmund, dann im WDR Studio Siegen wurde der Lippetaler WDR-Regionalkor-respondent für den Kreis Soest.

Dieser Artikel erschien im November 2015 in der WDR Print.