Die Verkehrsfliegerschule der Lufthansa wusste während der Ausbildung des Co-Piloten der Germanwings-Unglücksmaschine von einer vorausgegangenen Depression. In einer E-Mail habe der damalige Flugschüler 2009 im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme seiner Ausbildung die Verkehrsfliegerschule über eine "abgeklungene schwere depressive Episode" informiert, teilte die Lufthansa am Dienstagabend (31.03.2015) mit. Bereits bekannt war, dass der Co-Pilot des Germanwings-Flugs 4U9525, in seiner Ausbildung in der Verkehrsfliegerschule eine Unterbrechung von mehreren Monaten gehabt hatte. "Im Anschluss wurde dem Co-Piloten die erforderliche ärztliche Flugtauglichkeit bestätigt", heißt es in der Lufthansa-Mitteilung.
Der Airbus war am Dienstag vor einer Woche auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf an einer Felswand in Frankreich zerschellt. Der 27 Jahre alte Co-Pilot wird verdächtigt, seinen Kollegen aus dem Cockpit ausgesperrt und die Maschine mit voller Absicht in die Katastrophe gesteuert zu haben. Nach Erkenntnissen der Ermittler war der Co-Pilot über einen längeren Zeitraum in psychotherapeutischer Behandlung. Dabei sei auch eine "vermerkte Suizidalität", also Selbstmordabsicht, festgestellt worden. Die Behandlung habe vor mehreren Jahren und vor Erlangung des Pilotenscheins stattgefunden. In der vergangenen Woche war bereits bekannt geworden, dass er seine Ausbildung für eine längere Zeit unterbrochen hatte.
Weiter Rätselraten um Motiv
Staatsanwalt Christoph Kumpa
Nach wie vor liegen den Ermittlern keine Ankündigungen für die Tat oder ein Bekennerschreiben vor. "Ebenso wenig sind im unmittelbaren persönlichen und familiären Umfeld oder am Arbeitsplatz besondere Umstände bekannt geworden, die tragfähige Hinweise über ein mögliches Motiv geben können", sagte Staatsanwaltschaft Christoph Kumpa. Es seien bereits eine Reihe von Zeugen aus dem persönlichen und beruflichen Umfeld vernommen worden.
Auf Fragen nach Berichten über Probleme des Co-Piloten mit seinem Sehvermögen sagte ein Sprecher der Düsseldorfer Ermittler, es gebe keine Unterlagen, die zeigten, dass der Co-Pilot irgendeine körperliche Krankheit gehabt habe, die sich auf sein Sehvermögen ausgewirkt haben könnte. Die Ermittler haben seit Montag auch Zugriff auf Krankenhaus-Akten über den Co-Piloten, wie eine Sprecherin des Uniklinikums Düsseldorf sagte. Der Mann war vor einigen Wochen als Patient an die Klinik gekommen. Dabei ging es den Angaben zufolge um "diagnostische Abklärungen", die aber bislang offiziell nicht näher erläutert wurden.
"Sonderkommission Alpen" arbeitet in Düsseldorf
Bei der "Sonderkommission Alpen" laufen die Ermittlungen zusammen
Koordiniert werden die Ermittlungen in Düsseldorf, wo die Germanwings-Maschine am vergangenen Dienstag (24.03.2015) am Flughafen landen sollte. Wie die Polizei am Montag mitteilte, sind derzeit rund 100 Beamte in der "Sonderkommission Alpen" ausschließlich mit der Identifizierung der Opfer und der Aufklärung der Todesursache beschäftigt. Allein die eigens dazu eingesetzte Mordkommission zählt demnach rund 50 spezialisierte Ermittler.
Derzeit suchen mehrere Ermittlerteams zusammen mit Seelsorgern die Hinterbliebenen der 150 verunglückten Passagiere und Besatzungsmitglieder von Flug 4U9525 auf. Sie haben den Auftrag, DNA-Material sicherzustellen. Mit Hilfe von Fingerabdrücken, Haut- und Haarpartikeln soll der genetische Code bestimmt werden. Das Material wird laut Düsseldorfer Polizei beim Bundeskriminalamt untersucht und ausgewertet. Wird bei den menschlichen Überresten, die nach und nach aus dem unwegsamen Absturzgelände in den Alpen geborgen werden, das gleiche DNA-Profil festgestellt, gilt das Absturzopfer als identifiziert. Allerdings kann dieses Prozedere noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Für die Ermittler ist der Besuch bei den Hinterbliebenen kein einfacher Gang. Die Ermittler verweisen darauf, dass sie nicht nur mit großer Sorgfalt, sondern auch mit "einem hohen Maß an Zurückhaltung und Empathie" vorgehen müssen. Die Arbeiten würden daher noch Wochen in Anspruch nehmen - auch in Abhängigkeit von den Fortschritten der Bergungsmaßnahmen an der Absturzstelle in Frankreich.
Französische Ermittler in der Landeshauptstadt
Zwischenzeitlich ist zudem eine französische Polizeidelegation in Düsseldorf eingetroffen, um sich vor Ort über den aktuellen Stand der Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Polizei zu informieren und über die bisherigen Erkenntnisse der französischen Spezialisten zu berichten. Auch zwei Fachleute für die Untersuchung von Flugzeugabstürzen kooperierten nun mit den deutschen Beamten.
Ein für Ostersamstag (04.04.2015) in Haltern angekündigter Trauermarsch für die Opfer des Germanwings-Absturzes findet nun doch nicht statt. Die Anmelderin habe ihren Antrag wieder zurückgezogen, teilte die Polizei Recklinghausen am Montagabend mit. Erst am Vormittag hatte nach Polizeiangaben die Privatperson einen Trauermarsch mit 2.000 bis 2.500 Teilnehmern angemeldet. Die Absage habe sie unter anderem damit begründet, dass die Angehörigen der Opfer nach dem für Mittwoch geplanten Gottesdienst in Haltern ein Recht darauf hätten, zur Ruhe zu kommen. Eine Schülergruppe und zwei Lehrerinnen aus der Stadt am Rand des Ruhrgebiets waren unter den Opfern des Absturzes.