Urteil zur Erbschaftssteuer

Steuerschonung für Firmenerben gekippt

Stand: 17.12.2014, 16:33 Uhr

Wer viel erbt, muss Steuern zahlen - außer man erbt einen Familienbetrieb. Das ist nun vorbei. Das Bundesverfassungsgericht hat die massiven Steuerprivilegien am Mittwoch (17.12.2014) für verfassungswidrig erklärt. Eine Unternehmerin aus Hamm begrüßte trotzdem das Urteil.

Von Anke Fricke

Bislang galt: Wer ein Unternehmen fünf Jahre fortführte, keine Entlassungen oder Lohnkürzungen veranlasste und nicht in die Insolvenz schlitterte konnte 85 Prozent des Betriebsvermögens steuerfrei vererben. Wer sich sieben Jahre an die Bedingungen hielt, konnte sogar 100 Prozent steuerbefreit werden. Das ist nun vorbei: Die Privilegien für Firmenerben seien in ihrer derzeitigen Form mit dem Grundgesetz unvereinbar, urteilten die Richter am Mittwoch (17.12.2014). Allerdings hat der Senat betont, dass es grundsätzlich zulässig ist, zum Schutz von Familienunternehmen und Arbeitsplätzen Betriebe teilweise oder vollständig von der Erbschaftsteuer zu befreien.

Unternehmerin in der vierten Generation

Darüber ist Marie-Christine Ostermann sehr erleichtert. Die Unternehmerin aus Hamm hatte von der bisherigen Regelung profitiert. Die 36-Jährige ist 2005 als geschäftsführende Gesellschafterin in den väterlichen Lebensmittelgroßhandel Rullko in Hamm eingetreten und hat bereits ein Drittel der Firmenanteile übernommen - ohne Zahlungen an den Fiskus. Sie hofft, dass sie auch mit der kommenden Regelung die restlichen Firmenanteile so übertragen zu können. Noch besitzt ihr Vater Carl-Dieter zwei Drittel des Unternehmens, das mit 150 Mitarbeitern 75 Millionen Euro Jahresumsatz erwirtschaftet. Aber der 67-Jährige überlässt nach und nach die Geschäfte der Tochter. Mit Marie-Christine Ostermann führt die vierte Generation das 1923 gegründete Unternehmen.

Höherer Bürokratieaufwand

Nach ersten eigenen Einschätzungen würde Ostermann auch weiterhin von der Erbschaftsteuer befreit. Allerdings wird wohl der Bürokratieaufwand höher. "Ich finde es aber richtig, dass nun stärker geprüft wird, ob das übertragene Vermögen auch tatsächlich wichtiges Betriebsvermögen ist", erklärt Ostermann. So sei es künftig wohl nicht mehr möglich, sich teure Bilder ins Büro zu hängen, um diese am Fiskus vorbei an Familienangehörige zu übertragen. Dass der Gesetzgeber solche Schlupflöcher stopfen muss, findet die Unternehmerin vernüftig.

Im schlimmsten Fall würden Millionen fällig

Schlimmer hätte es Ostermann getroffen, wenn das Verfassungsgericht das Steuerprivileg für Familienunternehmen grundsätzlich in Frage gestellt hätte. Dann wären im schlimmsten Fall mehrere Millionen Euro Erbschaftsteuer auf sie zugekommen, die sie über Kredite finanzieren müsste. "Das Geld fehlt dann dem Betrieb", meint Ostermann. In diesem Jahr hat Rullko neun Millionen Euro in neue Lagerhallen gesteckt. "Solche Investitionen wären dann schwieriger", argumentiert die Familienunternehmerin. Denn eine Erbschaftsteuer würde die bislang geringe Verschuldung des Unternehmens gefährden. "Es ist ja nicht so, dass die Unternehmer das Geld bar auf dem Konto liegen haben, sondern das Kapitel steckt im Betrieb", erklärt Ostermann.

Ungleichbehandlung von Vermögen

Allerdings: Wer Wertpapiere, Bargeld Immobilien oder andere Sachwerte erbt, muss - je nach Verwandtschaftsgrad und oberhalb von Freigrenzen - bis zu 30 Prozent ans Finanzamt abführen. Die Verfassungsrichter haben nun geurteilt, dass die weitgehende Verschonung von Unternehmensvermögen bei der Erbschaftssteuer nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Dabei zweifelte das oberste Gericht nicht grundsätzlich an, dass die Unternehmen eine Begünstigung erhalten müssen. Die Art und Weise sowie das Ausmaß der Steuerbefreiung seien aber nicht mit dem Grundrecht der steuerlichen Belastungsgleichheit zu vereinbaren.

Steuerprivileg für alle Unternehmen

Und noch ein Punkt stört die Verfassungsrichter: Alle Firmenerben wurden bislang unter bestimmten Bedingungen von der Erbschaftssteuer verschont. Darunter fielen kleine Handwerksbetriebe genauso wie reiche Familien. Henkel, Klatten & Co. konnten ihre Firmenvermögen steuerfrei übertragen, während bei privaten Erbschaften für deutlich geringere Vermögenswerte gezahlt werden muss. Für Professor Clemens Fuest vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) sind zudem die bisherigen Bedingungen, an die eine Steuerbefreiung geknüpft war, ökonomisch unsinnig. "Es kann für einen Unternehmer gefährlich sein, auf notwendige Umstrukturierungen zu verzichten, nur weil er dadurch seine Erbschaftsteuerbefreiung verlieren würde", sagt Fuest. Er plädiert für eine Reduzierung der Erbschaftsteuer auf acht bis zehn Prozent. Diese sollte dann aber alle Vermögensarten gleich treffen - Wertpapiere, Immobilien und Betriebsvermögen.

Lieber Schenken als vererben

Einige Unternehmer hatten vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vorsichtshalber schon ihre Unternehmensanteile verschenkt, um eine mögliche Neuregelung der Erbschaftssteuer zu umgehen. Im Jahr 2012 hat sich der Wert des in Deutschland verschenkten Firmenvermögens gegenüber dem Vorjahr auf 17 Milliarden Euro verdreifacht. Mehr Steuern nahm der Fiskus dadurch nicht ein. Für die Staatskasse ist die Erbschaftsteuer denn auch ein relativ kleiner Posten. Die den Bundesländern zustehenden Einnahmen betragen rund 4,5 Milliarden Euro im Jahr - weniger als ein Prozent des gesamten Steueraufkommens.