Der Kölner Klang
Stand: 30.08.2017, 13:30 Uhr
Im 70. Jahr seines Bestehens schaut es auf eine Karriere mit vielen Glanzpunkten: Das WDR Sinfonieorchester Köln hat sich den Ruf eines Klangkörpers von internationalem Rang erspielt. Doch im Mittelpunkt seines Wirkens steht nach wie vor der Auftrag, allen Menschen in NRW sinfonische Musik auf höchstem Niveau zugänglich zu machen.
"Setzen Sie sich ruhig hin und machen Sie Musik. Ich werde Sie dabei nicht stören." Mit diesen Worten soll Erich Kleiber, österreichischer Gastdirigent in den 50er-Jahren, die Musiker mal zu einer Probe begrüßt haben. Vielleicht war genau diese Leichtigkeit des Musizierens eines der Erfolgsgeheimnisse des WDR Sinfonieorchesters. Im September feiert das Ensemble nun sein 70-jähriges Bestehen. Dem Publikum steht zu diesem runden Geburtstag eine Spielzeit mit vielen Höhepunkten bevor. "
Das Jubiläum bedeutet auch und besonders 70 Jahre Musik im Radio", betont WDR-Intendant Tom Buhrow. "Denn die genuine Aufgabe des Orchesters war es von Anfang an, die sinfonische Musik in ihrer ganzen Bandbreite allen Menschen in NRW auf höchstem Niveau zugänglich zu machen: die sinfonischen Klassiker genauso wie zeitgenössische Musik, oratorische Werke und konzertante Opern." Zu den Glanzpunkten der Jubiläumssaison zählt die zyklische Aufführung aller neun Beethoven-Sinfonien unter der Leitung von Jukka-Pekka Saraste. "Für mich ist Beethoven der ultimative Sinfoniker", sagt der finnische Maestro, der im September bereits in seine achte Spielzeit als Chefdirigent des WDR Sinfonieorchesters geht. "Seine Musik steht exemplarisch für das kreative und künstlerische Potenzial des menschlichen Intellekts."
"Zum 70-jährigen Bestehen haben wir uns Besonderes vorgenommen."
An zwei Doppelabenden im November 2017 und Februar 2018 erklingt der Beethoven-Zyklus in der Kölner Philharmonie, live übertragen auf WDR 3. "Diese neun Sinfonien sind für jedes Orchester immer wieder eine besondere Herausforderung", weiß Orchester-Manager Siegwald Bütow. "Zum 70-jährigen Bestehen haben wir uns eben Besonderes vorgenommen." Einen weiteren Schwerpunkt bildet das vielschichtige Werk Bernd Alois Zimmermanns, dessen Geburtstag sich im März zum 100. Mal jährt. Das WDR Sinfonieorchester hat den Schaffensweg des Kölner Komponisten, der sich selbst als "rheinische Mischung von Mönch und Dionysos" bezeichnete, bis zu seinem frühen Tod im Jahre 1970 kontinuierlich begleitet. Flankierend dazu hebt das WDR Sinfonieorchester Novitäten bedeutender europäischer Komponisten aus der Taufe – beispielsweise von Tristan Murail, Mark Andre, Wolfgang Mitterer und Isabel Mundry. Solisten von Rang und Namen unterstützen das Kölner Orchester in seiner Jubiläumspielzeit.
Vor allem für pianistischen Glanz ist gesorgt: Altmeister Rudolf Buchbinder zeigt Mozart im d-Moll-Konzert von einer ungewohnt dunklen Seite. Paul Lewis beschwört den vitalen Geist in Beethovens erstem Klavierkonzert. Die Chinesin Yuja Wang macht sich für Rachmaninows selten zu hörende "Nummer 4" stark, während die Deutsch-Japanerin Alice Sara Ott Eleganz und Raffinesse in Liszts A-Dur-Konzert erkundet. Auch zwei große Persönlichkeiten der internationalen Violinszene haben sich angesagt: Arabella Steinbacher widmet sich Beethovens epochalem Violinkonzert, Frank Peter Zimmermann kostet Paul Hindemiths widerborstigen Charme aus.
Längst genießt das WDR Sinfonieorchester Weltruf. Zahlreiche Auslandstourneen und eine Vielzahl preisgekrönter CDEinspielungen belegen den hohen internationalen Rang. Gleich zweimal in dieser Spielzeit geht es auf Reisen: im Oktober nach Japan, im Mai nach China und Korea.
Doch zunächst steigt am 2. September die Geburtstagsfeier im eigenen Wohnzimmer: Um 20 Uhr beginnt das Jubiläumskonzert im Funkhaus am Wallrafplatz. Auf dem Programm: Werke von Schostakowitsch, Zimmermann, Strawinsky und Schöllhorn. Zu Gast ist Kabarettist Fritz Eckenga, der das Orchesterleben aus ungewöhnlicher Perspektive analysiert. Das Konzert wird live auf WDR 3 übertragen.
1947: Mit Geige und Briketts zu den Proben
Als Orchesterleiter Hermann Hagestedt seine 24 Musiker am 1. September 1947 erstmals um sich versammelte, war zunächst mehr Improvisationstalent als musikalisches Können gefragt. Köln lag nach dem Krieg noch immer in Schutt und Asche, der Winter war frostiger als je zuvor. Auch bei der Probe an diesem Montag war es bitterkalt im Ballhaus in Niehl. Der Wirt hatte das vom Sender gestellte Kohle-Deputat kurzerhand für sein Tanzvergnügen am Wochenende verbraucht. Kein Problem für die Kölner Musikfreunde, die fortan zu jeder Probe in Zeitungspapier eingewickelte Briketts mitbrachten. Der NWDR hatte sich entschieden, seinem Orchester in Hamburg und dem traditionsreichen Gürzenich-Orchester ein neues Ensemble an die Seite zu stellen – das Kölner Rundfunk- Sinfonie-Orchester war geboren. An der Spitze des 60-köpfigen Ensembles standen im ersten Jahr Jean Meylan und Ljubomir Romansky, die sich die Aufgaben des Chefdirigenten teilten. Konzertmeister war Theo Giesen. Geeignete Räumlichkeiten zum Proben fehlten, auch das Kino in Bickendorf war viel zu klein. Da kam das Feierabendheim der Bayer-Werke in Leverkusen gerade recht – vor allem war es beheizt. Auf dem Programm des Orchesters standen zunächst Opern wie "Der Widerspenstigen Zähmung" von Hermann Goetz und Humperdincks "Königskinder." Den ersten Auftritt gab es am 19. Oktober 1947 in Hamburg, am 8. Oktober 1951 weihte das Orchester mit "Oedipus Rex" unter Igor Strawinsky den neuen Sendesaal im Funkhaus am Wallrafplatz ein. 15 Jahre lang spielte das Rundfunk-Sinfonie-Orchester mit Gastdirigenten und blieb dadurch musikalisch vielfältig und ungebunden. Bis auf Karajan und Bernstein gab – von Paul Hindemith über Otto Klemperer und Christoph von Dohnányi bis Gary Bertini – fast jeder Dirigent von Rang und Namen den Takt vor. Und schon damals gehörten Konzertreisen in die ganze Welt zu den Höhepunkten, wie das Gastspiel 1952 zur Eröffnung der Salzburger Festspiele – inklusive umjubelter Zugabe.
Mittendrin!
250 Musiker, 30 Workshops, 13 Konzerte, zahlreiche Vorträge und jede Menge Aktionen zum Mitmachen – beim Tag der offenen Tür der WDR Orchester und des WDR Rundfunkchors am 3. September dürfen sich die Besucher auf einen abwechslungsreichen Blick hinter die Kulissen freuen. Von 12 bis 18 Uhr öffnet der WDR im Kölner Funkhaus am Wallrafplatz seine Türen unter dem Motto „Mittendrin!“ für große und kleine Musikfreunde. Erstmals gewährt ein Workshop Einblicke in die "Digital Hall", die Multimedia-Regie. Begleitend gibt es Konzerte des WDR Sinfonieorchesters, des WDR Funkhausorchesters, des WDR Rundfunkchors und der WDR Big Band im großen Sendesaal, in der Minoritenkirche und in verschiedenen Räumen des FunkFunkhauses. Highlights für Kinder sind beispielsweise ein Wasserorchester im Innenhof und elektronische Musikspieltische. Der Eintritt zu den Konzerten und allen Angeboten ist frei. WDR 3 berichtet am 3. September von 12.04 bis 15 Uhr live vom Tag der offenen Tür.
Die Saison im Abo
Musikvergnügen mit dem WDR Sinfonieorchester Köln gibt es auch wieder im Abonnement. Wer zwölf Konzerte der neuen Spielzeit – von Martin Grubinger am 15. September bis hin zu "Le sacre du printemps" am 6. Juli – besuchen möchte, wählt das große Abo mit den Freitags-Konzerten. Das kleine Abo umfasst acht ausgewählte Konzerte jeweils am Samstagabend.
Fünf Konzerte gehören zum Abo, in dessen Mittelpunkt Chefdirigent Jukka-Pekka Saraste steht. Jeweils um 19 Uhr beginnt das Programm mit einer Konzerteinführung. Abo4Saturday beinhaltet vier Konzerte, wie auch das Abo Klassik heute. Auf fünf Konzerte mit Gästen und Mitgliedern des WDR Sinfonieorchesters können sich Musikfans freuen, die das Abo Kammerkonzerte jeweils sonntags um 11 Uhr im Funkhaus buchen. Und auf den Nachwuchs wartet das Abo WDR@Philharmonie. Hier werden Klassik und Jazz einmal ganz anders präsentiert, um Kindern und Jugendlichen ab 13 Jahren die Berührungsängste zu nehmen.
Dies ist ein Artikel von Christian Schyma aus der WDR- Print Ausgabe September 2017.