New York: Cafeteria wird weltweit erstes Selbstbedienungsrestaurant

Stichtag

4. September 1885 - Erstes Selbstbedienungsrestaurant eröffnet

Auf der Wall Street haben die Menschen schon im 19. Jahrhundert keine Zeit. An der dort angesiedelten "New York Stock Exchange" (NYSE) kämpfen die Börsenmakler um die besten Aktienkurse. Mit der Freischaltung des ersten transatlantischen Telefonkabels im Jahr 1866 beschleunigt sich zudem die Kommunikation zwischen der New Yorker und der Londoner Börse: Das Leben der Broker auf der weltgrößten Wertpapierbörse wird noch hektischer.

Menschliche Bedürfnisse prallen also auf knallharte Geschäftsinteressen: Es kommt auf jede Sekunde an. Wer zur Toilette oder zum Essen geht, könnte bei seiner Rückkehr schon verloren haben.

Sandwiches und Apfelkuchen

In einer Welt, in der Zeit Geld und Zeitverzögerung Verlust bedeutet, ist für eines langes Studium von Speisekarten und für Bestellungen beim Kellner kein Platz mehr. Was Wunder also, dass auf der New Yorker Wall Street mit dem "Exchange Buffet" am 4. September 1885 das erste Selbstbedienungsrestaurant der Welt eröffnet. Eintritt haben nur die Männer, wie es heißt. Sie können sich an langen Tischen Sandwiches, Apfelkuchen und Getränke nehmen.

Gegessen und bezahlt wird im Stehen. Aus den Anfangsbuchstaben "E" und "B" des Restaurants entwickelt sich das Motto der Geschäftsidee: "Eat 'em and Beat 'em" ("Iss und leg dein Geld hin"). Denn angeblich gibt es im "Exchange Buffet" nicht einmal jemanden, der kontrolliert, ob ein Finanzjongleur die Zeche prellt. Aber es sind auch Geschichten von Apfelkuchenunterschlagungen überliefert, die mit einem Rauswurf geahndet werden.

"Unbezahlte Mitarbeiter der Unternehmen"

Bei den Börsianern steht das Selbstbedienungsrestaurant schnell hoch im Kurs. Und die Idee macht bald schon Schule. Vor allem in den Arbeitervierteln etabliert sich die preisgünstigere Alternative zum Mittagessen mit Bedienung. Auch dauert es nicht lange, da eröffnet die Young Women’s Christian Association in New York und Chicago ähnliche Einrichtungen auch für das weibliche Geschlecht.

Inzwischen liegt Selbstbedienung auch in Deutschland voll im Trend – nicht nur in Cafeteria und Kantine. 1949 eröffnet der erste Supermarkt unter dem Werbespruch "Nimm selbst!", seit den 1960er Jahren hat auch der Tankwart die Zapfsäule aus der Hand gegeben. Wir ziehen unser Geld am Automaten und checken in rezeptionslosen Hotels mit Kreditkarte ein. "Wir müssen inzwischen alles selber machen", sagt die Autorin Sigrid Faltin, die der "Servicewüste" ein Buch gewidmet hat. "Das heißt, dass die Unternehmen rigoros ihr Personal abbauen und Dienstleistungen an uns Kunden outsourcen. Wir sind inzwischen unbezahlte Mitarbeiter der Unternehmen."

Stand:04.09.2015

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