Im Physikunterricht begegnet der zwölfjährige Rudolf Diesel erstmals jenem Phänomen, das einmal sein ganzes Leben bestimmen wird. Am Beispiel eines pneumatischen Feuerzeugs lernt der hochbegabte Schüler des Augsburger Holbein-Gymnasiums das Prinzip der Selbstentzündung durch Kompression kennen: In einem Kolben zusammengepresste Luft erhitzt sich so stark, dass sie den Zunder am Kolbenboden aufglühen lässt. Als Rudolf Diesel während seines Ingenieurstudiums an der Technischen Hochschule München erfährt, dass Dampfmaschinen nur wenige Prozent der zugeführten Energie in Arbeit umwandeln können, erinnert er sich an das Experiment aus der Schulzeit. Empört über die Energieverschwendung der Dampfmaschine beschließt Diesel, "diesen Missstand aus der Welt zu schaffen", wie er in seinem Kollegheft notiert.
Rudolf Diesel, geboren am 18. März 1858 in Paris, beendet das Studium mit dem besten Examen seit Bestehen der Münchner Hochschule. Sein ehemaliger Professor, der Kältemaschinen-Pionier Carl Linde, engagiert den 24-Jährigen und macht ihn zum Direktor seiner neuen Eisfabrik in der französischen Hauptstadt. Diesel hat Erfolg und verdient viel Geld, das er aber nahezu vollständig in die Erforschung eines neuartigen Motors investiert. Eines Verbrennungsmotors, der Luft ansaugt und durch Verdichtung so stark erhitzt, dass sich der anschließend eingespritzte Treibstoff selbst entzündet. 1892 erhält Diesel für sein "neuartiges Verfahren für Verbrennungsmaschinen" das Reichspatent mit der Nummer 67207. Drei Jahre später kann der stolze Erfinder seiner Mutter schreiben: "Ich bin in diesem ersten und vornehmsten Fach der Technik, dem Motorbau, der erste auf unserem kleinen Erdbällchen, der Führer der ganzen Truppe, diesseits und jenseits des Ozeans." Unermüdlich reist Diesel nun um die Welt, um seinen leistungsstarken, verbrauchsarmen und langlebigen Motors zu vermarkten. Mit Erfolg: Anfang des 20. Jahrhunderts werden große Dieselmotoren weltweit in Schiffen verwendet. Erst einige Jahre später werden die ersten Diesel-Aggregate für Lokomotiven und Lkw entwickelt.
Doch die technische Sensation, die ihn reich und berühmt macht, bringt dem genialen Erfinder kein Glück. Eine nicht enden wollende Serie von Fehlspekulationen und Patentprozessen treibt Diesel an den Rand des Ruins und seiner psychischen Gesundheit. Am 29. September 1913 reist er an Bord des Fährschiffs "Dresden" nach England, um dort eine Motorenfabrik einzuweihen. Als Mitreisende am nächsten Morgen nach ihm suchen, ist Rudolf Diesel spurlos verschwunden. Zwei Wochen danach zieht die Besatzung eines Lotsenbootes einen Toten aus dem Meer. Aus dessen Taschen werden Gegenstände geborgen, die Diesels Verwandte später als Eigentum des Erfinders identifizieren. Die Leiche selbst wird - nach damaligem Seerecht üblich - wieder über Bord geworfen. Die Umstände von Diesels Verschwinden werden niemals aufgeklärt.
Stand: 18.03.08