Als Kind ist Wim Wenders fasziniert von der Kohleindustrie des Ruhrgebiets. Die auch nachts taghell erleuchteten Zechen mit ihren qualmenden Schloten beeindrucken ihn dabei ebenso wie der rot-gelbe Abendhimmel, den Ruß und Smog romantisch färben. Auf Aquarellen sucht Wenders diese Stimmungen einzufangen. Bis er im Film eine bessere Möglichkeit entdeckt – wobei er seine Super-8-Kamera einfach aus dem Fenster seines Zimmers in Oberhausen-Sterkrade hält.
"Ich weiß noch, wie mein Vater gesehen hat, wie ich da auch dem Fenster rausfilme und gesagt hat: Was interessiert dich denn da", erinnert sich Wenders. Dem Vater sei es vollkommen unverständlich gewesen, "dass ich fremde Leute und überhaupt die Landschaft filmen wollte."
Reisen, Einsamkeit und Fremdheit
Geboren wird Wilhelm "Wim" Wenders am 14. August 1945 als Sohn eines Chirurgen. Mitte der 60er Jahre tauscht er bei einem Pfandleiher in der Düsseldorfer Altstadt sein Saxophon gegen eine Bolex-Filmkamera, mit der er seinen ersten Film "Schauplätze" (1967) dreht. Dank dieser Rettung sei er an einer Karriere als mittelmäßiger Musiker oder mittelmäßiger Maler gerade noch einmal vorbeigeschlittert, wird der Regisseur später behaupten. Noch als Student der Filmhochschule München benutzt er seine Bolex – bis sie bei einer Demonstration 1968 von der Polizei beschlagnahmt wird.
Seinen ersten größeren Erfolg erzielt Wenders 1972 mit "Die Angst des Tormanns beim Elfmeter", einem Film nach der gleichnamigen Erzählung von Peter Handke, den der Regisseur bis heute als guten Freund bezeichnet. Ein Jahr später erlebt er mit "Alice in den Städten" über die Suche eines Kindes nach seiner Großmutter, die über New York und Amsterdam ins Bergische Land und nach München führt, seinen künstlerischen Durchbruch. Es ist die Zeit des "Neuen Deutschen Films", der mit einer anderen Ästhetik versucht, sich dramaturgisch vom "Plot" Hollywoodscher Prägung zu befreien. Ein Bemühen, das man auch Wenders‘ weiteren, oft in der Tradition des Roadmovies stehenden und teils in den USA entstandenen Filmen anmerkt wie "Paris, Texas" (1984) mit Nastassja Kinski oder "Der Himmel über Berlin" (1987) mit Bruno Ganz und Otto Sander – nach einem Drehbuch von Peter Handke.
Reisen, Einsamkeit und Fremdheit, der Verlust der Kindheit und der unstillbare Wunsch nach Liebe sind dabei zentrale Themen. Oder die Sehnsucht nach Heimat – vielleicht auch ein Grund, warum Wenders nach sieben Jahren in Amerika 1984 schließlich nach Europa zurückkehrt.
Musik und Fotos
Neben den Bildern spielt für Wenders Musik und tänzerische Choreographie im Film eine Schlüsselrolle. Mit der Kölner Mundartgruppe BAP und den Düsseldorfer Punkrockern von den "Toten Hosen" arbeitet er zusammen, der Musikfilm "Buena Vista Social Club“ (1999) über die Altmeister der kubanischen Musik in den 40er und 50er Jahren bringt ihm neben dem Europäischen Filmpreis als bester Dokumentarfilm auch eine Oscarnominierung ein.
Ebenfalls eine Oscarnominierung bekommt Wenders auch für seinen 3D-Tanzfilm "Pina" (2011) über das Ensemble der 2009 verstorbenen Wuppertaler Tänzerin und Choreografin Pina Bausch sowie für den Dokumentarfilm "Das Salz der Erde" (2014), der dem Leben des sozial engagierten brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado gewidmet ist. Ohnehin ist die Analogfotografie neben dem Film eine weitere Leidenschaft von Wenders, wie sich 2015 in der großen Foto-Retrospektive seines großformatigen Werks unter dem Titel "4 REAL & TRUE 2" im Düsseldorfer Museum Kunstpalast bestaunen lässt.
Seit 2003 ist Wim Wenders Professor für Film an der Hochschule für bildende Künste Hamburg. 2015 erhält er den Goldenen Ehrenbär der internationalen Filmfestspiele von Berlin für sein Lebenswerk.
Stand: 14.08.2015
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