Stichtag

23. Juni 1963 – John F. Kennedy kommt in Deutschland an

US-Präsident John F. Kennedy ist aufgeregt. Bis jetzt ist seine Deutschlandreise gut verlaufen. Aber nun gilt es, die Bewohner im geteilten Berlin, die sich zum Teil von ihm und seiner Politik verlassen fühlen, für sich zu begeistern.

Bevor Kennedy im Beisein des Regierenden Bürgermeisters Willy Brandt (SPD) vor die riesige Menschenmenge vor dem Schöneberger Rathaus tritt, wird jeder Satz seiner Rede drei Mal umgedreht. Aber dann erobert Kennedy die Bevölkerung mit einer legendären Wendung, die nicht im Manuskript steht und die er sich zwecks richtiger Aussprache in Lautschrift auf einem Zettel notiert hat: "Ich bin ein Berliner". Der Ausspruch geht in den Zitatenschatz der Geschichte ein.

Hauptübel Kommunismus

Kaum bekannt ist, dass Kennedy zuvor bereits drei Mal Deutschland bereist hat: 1937 anlässlich eines dreimonatigen Europatrips als junger Harvard-Student; zwei Jahre später als Beauftragter seines Botschaftervaters – und 1945 während der Potsdamer Konferenz als Kriegsheld und Reporter. Mit Köln, Frankfurt und Berlin besucht er damals einige jener Städte, die er auch 1963 in der Bundesrepublik bereisen wird. Wie aus Reiseaufzeichnungen der 30er Jahre ersichtlich wird, flirtet er mit Mädchen und spricht mit "Nazichefs", zu denen sein einflussreicher Vater Joseph P. Kennedy den Kontakt herstellt. Er feiert in Nachtklubs, hört Wagneropern und besucht Gottesdienste – und zeigt sich empfänglich für die schönen und hässlichen Seiten Deutschlands zur Zeit des "Dritten Reichs".

Der bekennende Katholik Kennedy ist beeindruckt von der Architektur des Kölner Doms und der malerischen Romantik des Rheintals, aber auch von Hitlers Autobahnen ("die besten Straßen der Welt") und der nationalsozialistischen Atmosphäre der "Hauptstadt der Bewegung" München. Er komme zu dem Schluss, "dass Faschismus das Richtige für Deutschland und Italien" sei, resümiert er 1937 im Gefühl einer "Überlegenheit der nordischen Rasse". Und angesichts der "ausgebrannten Ruine" Berlins hält er 1945 fest, dass die damalige Hauptstadt Deutschlands so lange "eine ruinierte, unproduktive Stadt bleiben" werde, bis es den Alliierten gelänge, die Vierteilung des Landes aufzuheben.

"Besuche Deutschland!"

Vier Tage dauert Kennedys letzter Deutschlandtrip 1963. Wie bei seinen damaligen Reisen besucht er den Kölner Dom, aber der Anblick der Berliner Mauer beeindruckt ihn offenbar am stärksten. Der Auftritt vor dem Schöneberger Rathaus wird zum größten Triumph seiner ganzen Karriere, die schon wenige Monate später durch das Attentat von Dallas enden wird.

Mit seinem vierten Besuch wird Deutschland auch zu einem Land der Hoffnung: ein Land, das er 1945 völlig zerbombt kennengelernt hatte und dessen Neuaufbau er nun bewundert. Das macht er bei seiner Verabschiedung durch Konrad Adenauer am Berliner Flughafen Tegel klar. Wenn er dereinst aus dem Weißen Haus ausziehen müsse, werde er seinem Nachfolger im Schreibtisch einen Umschlag hinterlassen, den dieser in einem Augenblick der Mutlosigkeit öffnen solle, sagt Kennedy dem Bundeskanzler, bevor er ins Flugzeug steigt. Dieser werde nur zwei Worte enthalten: "Besuche Deutschland!"

Stand: 23.06.2013

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